Amnesty International Urgent Action Militärdienstverweigerer * Türkei UA-175/2010-2 Herr İNAN S., Militärdienstverweigerer * HINTERGRUNDINFORMATIONEN Der gewaltlose politische Gefangene İnan S. ist in eine Haftanstalt in die Küstenstadt Izmir verlegt worden und wartet dort auf den Ausgang seines Gerichtsverfahrens, das unter der Anklage "Verstoß gegen die Vorschriften zur Entfernung von der Truppe" gegen ihn angestrengt worden ist. Er befindet sich derzeit in Einzelhaft. Am 24. August wurde İnan S.
vor das für die türkischen Streitkräfte in der Ägäis zuständige Militärgericht
gestellt. Das Gericht hielt die Anklage "Verstoß gegen die Vorschriften
zur Entfernung von der Truppe" aufrecht und ordnete die Fortdauer
der Untersuchungshaft gegen ihn an. Während der gerichtlichen Anhörung
erklärte İnan S. erneut, er könne den Militärdienst aus Gewissensgründen
nicht antreten. İnan S. ist seit 2001 mindestens drei Mal der "Fahnenflucht" schuldig gesprochen worden und hat die jeweils verhängten Strafen in Militärgefängnissen abgeleistet. Er berichtete, während seiner Inhaftierung im Militärgefängnis von Sirinyer in Izmir vom Wachpersonal wiederholt brutal geschlagen worden zu sein. Aufgrund der Urteile wegen Fahnenflucht in den drei bisherigen Prozessen muss İnan S. noch eine 35-monatige Haftstrafe ableisten. 2009 erklärte İnan S. in einem
Brief an die Militärbehörden, er lehne den Dienst in den Streitkräften
aus tiefer Überzeugung ab. Er habe die Ableistung des Militärdienstes
nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt verweigert, weil ihm nicht bekannt
gewesen sei, dass das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen
international anerkannt ist. Die Möglichkeit der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist in der Türkei rechtlich nicht anerkannt, und es gibt keinen alternativen Zivildienst für Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Sie müssen für gewöhnlich mit Strafverfolgungsmaßnahmen und bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Nach Verbüßen ihrer Haftstrafe erhalten sie oft neue Einberufungsbefehle, und die Prozedur wiederholt sich ein weiteres Mal. Die Türkei hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2006 bislang nicht umgesetzt. In dem Richterspruch wird das Land zu einer Gesetzeskorrektur aufgefordert, um die wiederholte Strafverfolgung von Militärdienstverweigerern und die mehrfache Verhängung von Schuldsprüchen zukünftig zu verhindern. Ein solches Vorgehen befand das Gericht als unvereinbar mit dem in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Verbots unmenschlicher Behandlung. Für Amnesty International ist ein Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen jemand, der aus Gründen seines Gewissens oder seiner tiefen Überzeugung den Dienst in den Streitkräften oder eine andere direkte oder indirekte Beteiligung an Kriegen oder bewaffneten Konflikten ablehnt. Dazu können auch Personen gehören, welche die Teilnahme an einem Krieg ablehnen, weil sie dessen Ziele oder die Art und Weise, wie er geführt wird, ablehnen, auch wenn sie sich nicht allgemein gegen die Beteiligung an Kriegen aussprechen. Wenn solch eine Person allein aus dem Grund festgenommen oder inhaftiert wird, weil man ihr das Recht auf Stellung eines Antrags auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen oder auf Ableisten eines wirklich alternativen Zivildienstes verwehrt oder vorenthalten hat, so ist diese Person als gewaltloser politischer Gefangener zu betrachten. Ebenfalls als Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen betrachtet Amnesty International Personen, die aus Gewissensgründen die Streitkräfte ohne Erlaubnis verlassen haben und deswegen inhaftiert wurden, obwohl sie angemessene Maßnahmen ergriffen hatten, ihre Entlassung aus dem Militärdienst zu erwirken. Das Recht, die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen zu verweigern, leitet sich aus dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ab, welches in einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist, unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Die Türkei ist Vertragsstaat dieses Pakts. Die UN-Menschenrechtskommission hat bereits 1995 in ihrer Resolution 1998/77 bekräftigt, dass das Recht auf Militärdienstverweigerung durch Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Recht auf Religions-, Gewissens- und Gedankenfreiheit) geschützt ist. In der Resolution heißt es: "(Die Menschenrechtskommission) macht auf das Recht eines jeden Menschen aufmerksam, im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechte auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist, aus Gewissensgründen den Militärdienst zu verweigern." In der Resolution findet sich der Aufruf an alle Staaten, "für Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen verschiedene Formen des Ersatzdienstes vorzusehen, die mit den Gründen für die Militärdienstverweigerung vereinbar sind, als Dienst ohne Waffe oder als Zivildienst abgeleistet werden, im öffentlichen Interesse liegen und keinen Strafcharakter aufweisen". In der Resolution wird ferner betont, "dass die Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollen, um Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen nicht auf Grund des Nichtableistens des Militärdienstes der Freiheitsentziehung und wiederholter Bestrafung zu unterwerfen". Und weiter heißt es, "dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, zur Rechenschaft gezogen oder erneut bestraft werden darf". Am 3. November 2006 befand
der UN-Menschenrechtsausschuss, dass die Republik Korea gegen Artikel
18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstoßen
hat, indem sie strafrechtlich gegen zwei Militärdienstverweigerer aus
Gewissensgründen vorging. Der Ausschuss sah einen Verstoß deshalb als
gegeben an, weil in der Republik Korea keine zivile Alternative zum Militärdienst
existiert (Mitteilungen 1321/2004 und 1322/2004). SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN * Ich fordere Sie auf, İnan
S. umgehend und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer
Gefangener ist, der nur aufgrund der Ausübung seines Rechts auf Militärdienstverweigerung
inhaftiert wurde. APPELLE AN VERTEIDIGUNGSMINISTER DIREKTOR DER HAFTANSTALT KOPIEN AN BOTSCHAFT DER TÜRKEI Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Dezember 2010 keine Appelle mehr zu verschicken. PLEASE WRITE IMMEDIATELY * calling on the authorities
to release him immediately and unconditionally, as Amnesty International
considers him to be a prisoner of conscience, detained for exercising
his right to conscientious objection;
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ISKU | Informationsstelle Kurdistan |