Pressemitteilung vom 17.02.2011 Wo sind unsere Kinder? Das kurdische Volk will Wahrheit und Gerechtigkeit Die Geschichte der modernen Türkei ist auch eine Geschichte staatlicher Morde. Von der Ermordung des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Mustafa Suphi und seiner 14 Genossen im Schwarzen Meer vor 90 Jahren über die Massaker an Kurden in den 1920er und 30er Jahre, die Morde an Sozialisten und Demokraten nach den Militärputschen von 1960, 71 und 80, die Pogrome an Aleviten in Maras 1978 und Sivas 1993 bis zur Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink vor vier Jahren in Istanbul führt eine einzige Blutspur. Während des schmutzigen Krieges gegen die kurdische Befreiungsbewegung in den 90er Jahren ermordeten Todesschwadronen 17.000 Kurdinnen und Kurden. Es waren Bauern, die zum Verhör in einen Stützpunkt der Militärpolizei Jandarma vorgeladen wurden und diesen nie mehr lebend verließen. Es waren Intellektuelle wie der Schriftsteller Musa Anter, der 1992 vom Jandarma-Geheimdienst JITEM in Diyarbakir verschleppt wurde. Es waren Politiker wie der Abgeordnete Mehmet Sincar, der von der Konterguerilla ermordet wurde. Es waren Guerillas, die unter offener Missachtung des Kriegsvölkerrechts nach ihrer Gefangennahme vom Militär gefoltert und ohne Prozess hingerichtet wurden. Viele der Ermordeten wurden anonym in Massengräbern verscharrt, auf Müllhalden oder in Brunnenschächte geworfen. Mehrere in den letzten Wochen
entdeckte Massengräber in den kurdischen Provinzen der Türkei lassen die
Wunden der Vergangenheit wieder aufbrechen. Seit Anfang Januar bei einer
Müllhalde in der Nähe einer Polizeistation der Stadt Bitlis die Knochen
von rund 20 Menschen ausgegraben wurden, reißen die Proteste gegen das
Schweigen der türkischen Regierung zu den Verbrechen des Staates nicht
ab. Durch Zeugenaussagen hat der Menschenrechtsverein IHD in der Türkei
die Namen von 1469 Opfern staatlicher Kräfte, welche an 119 Stellen anonym
bestatteten wurden, gesammelt. Bislang sind die sterblichen Überreste
von 171 Personen in 26 Massengräbern ausgegraben worden. Der ehemalige
Bürgermeister der Stadt Siirt hat vor wenigen Tagen die seit 20 Jahren
geäußerte Vermutung bestätigt, wonach das sogenannte „Schlachter Flüßlein“
in Siirt als Massengrab für Opfer der Militärpolizei gedient habe. Allein
hier werden die Leichen von bis zu 200 Ermordeten vermutet. Die Angehörigen
der „Verschwundenen“, Menschenrechtsvereinigungen und kurdische Parteien
fordern die Errichtung einer Wahrheitskommission, um alle Gräber zu finden,
die Opfer zu identifizieren und die Verantwortlichen für die Morde vor
Gericht zu stellen. Auch der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan hat eine
Wahrheitskommission als eine Voraussetzung für eine politische Lösung
der kurdischen Frage benannt. Denn wie soll die kurdische Seite bei der
Suche nach einer Lösung der türkischen Regierung vertrauen, wenn diese
nicht einmal bereit ist, über die vergangenen Verbrechen des Staates am
kurdischen Volk zu reden? Doch wir Kurdinnen und Kurden werden unseren Kampf um Gerechtigkeit nicht aufgeben. Wir werden weiter nach dem Schicksal unserer verschwundenen Kinder, unserer Eltern, unserer Geschwister fragen. Dafür bitten wir um internationale Unterstützung. YEK-KOM, Föderation der kurdischen
Vereine in Deutschland e.V
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