KCK
erklärt die Beendigung der einseitigen Waffenruhe!
In der seit 2 Jahrhunderten andauernden kurdischen Frage schien die Möglichkeit
zur Lösung gekommen zu sein. Als kurdische Freiheitsbewegung sahen wir
zu jedem Zeitpunkt friedliche und demokratische Lösungswege als zentral
an und hielten an ihnen fest. Trotz des Festhaltens des türkischen Staates
an der Vernichtungs- und Verleugnungspolitik, erklärten wir, um die Möglichkeit
einer friedlichen und demokratischen Lösung ins Leben zu bringen, einseitige
Waffenruhen.
Die Führung [Abdullah Öcalan] bemühte sich darum seit 1993, also seit
mehr als 18 Jahren mit sehr ernsthaften und einmaligen Anstrengungen.
Unsere Bewegung erklärte in Anbetracht der Friedensbemühungen unserer
Führung und als Antwort auf die Erwartungen der Öffentlichkeit und unseres
Volkes, etliche Male Waffenruhen. Die zum ersten Mal 2002 an die Macht
gelangte AKP-Regierung erklärte fast jedes Jahr, dass es eine außerordentliche
Gelegenheit gäbe, die kurdische Frage zu lösen. Im August 2005, im Oktober
2006, im Dezember 2008, im April 2009, im August 2010 in den Monaten September
und November erklärten wir einseitige Waffenruhen.
Die AKP versuchte, anstatt diese Gelegenheiten zu bewerten, sie als ihren
eigenen Erfolg darzustellen, um ihre Macht zu stärken und unsere Bewegung
zu vernichten, es gab keinen positiven Schritt hinsichtlich einer Lösung.
Dennoch hielt sich unsere Bewegung und unsere, unter ihrer Verantwortung
stehenden Guerillakräfte, an jede der acht Waffenruhen mit Würde.
Da die AKP mit ihrer Praxis diese Gelegenheit ergebnislos ließ, ist die
Waffenruhe nun gegenstandslos geworden.
Wir wünschten uns von Herzen, dass wir in diesem Frühlingsmonat unserem
Volk die gute Nachricht eines gerechten Friedens, der die Verbindung zwischen
dem kurdischen und türkischen Volk festigen würde und den Weg für ein
entschlossenes und würdiges Projekt, für ein gemeinsames demokratisches
und freies Leben öffnen würde, überbringen könnten. Leider konnte sich
die AKP nicht vor ihren eingefleischten Verleugnungsabsichten retten und
stellte ihren eigenen Machtvorteil über die demokratische Entwicklung
der Völker in der Türkei.
Das von der AKP entwickelte System, die bestehenden Allianzen und eine
Politik, die angelehnt ist an ein neues Gladio, die Marginalisierung des
freien kurdischen Willens und die dazugehörigen Vernichtungskonzepte,
haben die Waffenruhe vergeudet.
Als Bewegung erklären wir, dass selbst wenn die Spur einer Hoffnung für
eine demokratische Lösung der kurdischen Frage bestand, dass wir die uns
zukommende Verantwortung immer erfüllt haben und friedlichen Mitteln immer
Vorrang gegeben haben.
Insbesondere aufgrund des in den Regionalwahlen 2009 zum Ausdruck gekommenen
Willens des kurdischen Volkes, den Erwartungen der demokratischen Öffentlichkeit
und dem Aufruf unser Führung folgend, gingen wir sensibel und vorsichtig
vor und erklärten am 13. April 2009 eine einseitige Waffenruhe. Daraufhin
begann die AKP-Regierung – einen Tag später am 14. April 2009 – unter
dem Begriff KCK-Operation gegen die legalen demokratischen kurdischen
Politikerinnen und Politiker eine Phase eines regelrechten politischen
Massakers. Trotz aller Gegenaktivitäten durch die kurdische Gesellschaft,
dauert diese Operation bis heute an. Mittlerweile wurden fast 2000 kurdische
Politikerinnen und Politiker inhaftiert. Im Zusammenhang damit fand eine
militärische und diplomatische Umzinglung- und Angriffswelle statt, die
weiter andauert. Mitglieder der Friedensgruppe aus der Guerilla und aus
Maxmur wurden unter fadenscheinigen Gründen inhaftiert.
Die für einen dauerhaften Frieden und eine beständige Lösung vom Vorsitzenden
Apo eingereichte Roadmap wurde beschlagnahmt. Es wurde in keiner Weise
das Notwendige getan. Die Lynchangriffe auf das kurdische Volk, auf die
Politikerinnen und Politiker, die Frauen, die Jugend und die Kinder nahmen
weiter zu.
Es konnte eine Einschüchterungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk beobachtet
werden; die DTP wurde verboten. Das alle erkämpften Rechte unseres Volkes
unter Bedrohung stehen und in Gefahr sind und der Vorsitzende [Abdullah
Öcalan], angekündigt hatte, sich als Ansprechpartner bezüglich der kurdischen
Frage nach dem 31. Mai 2010 zurückzuziehen, hatte eine völlig neue Situation
hervorgebracht.
Mit dem Ziel unsere Freiheitswerte und unser Volk zu verteidigen begann
am 1. Juni 2010, die auf legitimer Selbstverteidigung beruhende vierte
strategische Widerstandsphase und unsere Kräfte nahmen dementsprechende
Widerstandspositionen ein. Dem in der Widerstandsphase geschaffenen politischen
und militärischen Klima und den in diesem Zusammenhang mit unserer Führung
entwickelten Dialogen maßen wir eine große Bedeutung zu. Damit sich diese
Phase des Dialogs in eine Phase der Verhandlung verwandelt, versuchten
wir eine Basis zu schaffen. Deswegen riefen wir am 13. August nicht aus
taktischen, sondern aus strategischen Gründen eine Waffenruhe aus. Danach
entschieden wir, diese Waffenruhe zweimal bis zum heutigen Tag zu verlängern.
Um diese Phase in einen bleibenden Waffenstillstand umzuwandeln, haben
wir der AKP-Regierung dutzende Male die notwendigen Schritte erklärt und
sie auch der Öffentlichkeit mitgeteilt:
Diese waren:
1. Sowohl auf militärischem, wie auf politischem Gebiet, müssen alle Operationen
gestoppt werden.
2. Alle inhaftierten kurdischen Politikerinnen und Politiker müssen freigelassen
werden.
3. Der Vorsitzende Apo muss aktiv in diese Phase mit einbezogen und der
momentane Dialog muss in Verhandlungen umgewandelt werden.
4. Es muss eine Verfassungs- und Wahrheitskommission eingerichtet werden
5. Die in keinem Land der Welt existierende und die parlamentarische Repräsentation
des Willens des kurdischen Volkes verhindernde 10%-Hürde muss abgeschafft
werden.
Es wurde deutlich, dass diese Forderungen von den verschiedensten gesellschaftlichen
Bereichen zu Eigen gemacht worden sind, oder zumindest als passend angesehen
wurden. Die AKP-Regierung hätte sie ohne Probleme erfüllen können. Aber
die AKP-Regierung ging keinen einzigen Schritt, um eine wichtige Grundlage
für die Lösung der kurdischen Frage zu schaffen. Sie tat so, als gäbe
es kein Projekt zur Lösung, sie wollte die von unserer Bewegung geschaffene
friedliche Grundlage und unsere Bewegung vernichten.
Dennoch zeigte unsere Führung starke Anstrengungen zur Fortsetzung des
Waffenstillstands, um die Fraktionen, die einem Dialog und einer Lösung
zugeneigt sind, zu stärken. Der demokratischen Öffentlichkeit wurde so
die Möglichkeit gegeben, dass sie ihre Rolle spielen konnte, um die Interessen
der Kriegs-Lobby sowie den faschistischen Organisationen zu verhindern.
Um diesen historischen Bemühungen unserer Führung entgegenzukommen und
aufgrund der Zerbrechlichkeit der Situation, erklärte unsere Bewegung
einen einseitigen Waffenstillstand bis zu den Parlamentswahlen im Juni
2011. Es wurde erklärt, dass bis zum März die Situation über die Entwicklungen
neu bewertet werden und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Unsere Bewegung hat die AKP-Regierung dutzende Male vor nebulösen, zeitgewinnenden,
den Prozess verderbenden und auf Vernichtung abzielenden Praktiken gewarnt.
Dennoch hat die AKP nichts unternommen, um diese von Insensibilität und
Apathie geprägte Phase abzuschwächen, sie hat sogar einige gekaufte kurdische
Kollaborateure benutzt, um die kurdische Gesellschaft irrezuleiten und
hartnäckig daran gearbeitet, die freien Kurdinnen und Kurden zu vernichten.
Während der vom 13. August 2010 bis heute andauernden Phase, unternahm
die Regierung keinen einzigen Schritt zur Vertrauensbildung. Im Gegenteil,
sie haben sich dem genau entgegengesetzt verhalten:
1. Auch wenn aufgrund der jahreszeitlichen Bedingungen die Kämpfe abgenommen
haben, wurden die Operationen gegen kurdische Politikerinnen und Politiker
gesteigert fortgesetzt.
2. Im für das politische Massaker exemplarisch stehenden KCK-Verfahren,
wurde das Recht auf Verteidigung in Muttersprache verweigert. Bis heute
konnte nicht einmal eine Person dieses Recht ausüben. Es wurde eine Verzögerungsstrategie
angewandt, um eine Kapitulation zu erzwingen.
3. Es wurde mit unserer Führung keine Umwandlung des Dialogs in Verhandlungen
erreicht. Dieser Dialog blieb folglich ergebnislos.
4. Obwohl jeden Tag neue Massengräber geöffnet werden, trotz aller Anstrengungen,
wurde keine Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission eingerichtet.
5. Die 10%-Hürde, welche die parlamentarische Repräsentation des Willens
der kurdischen Bevölkerung behindert, wurde nicht gesenkt. Damit kurdische
Vertreter und Vertreterinnen nicht ins Parlament kommen, hat die AKP neu
Betrügereien und neue Gesetze herausgebracht. Es ist deutlich geworden,
dass auf diese Weise der Wille der kurdischen Bevölkerung nicht repräsentiert
werden kann und die Verfassung, die gemacht werden soll, das Problem nicht
lösen wird.
Die Intellektuellen, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die demokratischen
und liberalen Kreise, welche diese Phase verfolgt haben, kommen zu dem
Schluss, dass unsere Bemühungen zur Demokratisierung der Türkei und zur
Lösung der kurdischen Frage auf der Basis demokratischer Autonomie und
die dafür einseitig fortgesetzte Waffenruhe sowie verschiedene andere
Bemühungen, nicht auf ein Entgegenkommen stießen. Deswegen hat die – für
eine demokratische Lösung – von uns durchgeführte Phase der Waffenruhe,
auf Grund der von der AKP-Regierung geführten Verleugnungs- und Vernichtungspolitik
ihre Gültigkeit verloren. Die AKP-Regierung hat unsere ausgestreckte Hand
nicht angenommen. Damit wurde diese Phase unsinnig und wird jetzt beendet.
Die AKP-Regierung hatte weder eine ernsthafte Idee, noch eine ernsthafte
Praxis zur Lösung der kurdischen Frage. Sie hat nur eine Betrugs- und
Verzögerungspraxis durchgeführt. Die Bedingungen für die Lösung der kurdischen
Frage, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, waren
günstig, aber die AKP hat sich aufgrund ihrer Absichten nicht einer Lösung
angenähert. Anstatt sich an den Diskussionen um demokratische Autonomie
und einer Lösung zu beteiligen, wurden diese mit Vorwürfen des Verrats
und von Attentaten belegt. So wurden schwere faschistische Angriffe angestachelt
und provoziert.
Die Erklärung des nationalen Sicherheitsrates vom 29.12.2010 machte unsere
Waffenruhe eigentlich bedeutungslos. Dennoch setzte unsere Bewegung den
Waffenstillstand mit großer Geduld fort. Mit diesen Entwicklungen vertieften
sich die Hindernisse jedoch soweit, dass sie nicht mehr zu umgehen waren.
Das Grundproblem dieser Entwicklungen ist die taktische Annäherung der
AKP an die kurdische Frage und die Beibehaltung einer aggressiven Politik
mit dem Ziel der Vernichtung und der weiteren Verleugnung. Wir können
unsere Bevölkerung nicht in dem Glauben lassen, die Regierung wäre an
einer Lösung interessiert. Die reale Situation ist die Lösungslosigkeit,
eine Verzögerungs- und Vernichtungspolitik.
Diese Politik hat das Ziel, das kurdische Volk in der türkischen Nation
aufzulösen und seine Existenz, Identität und Freiheit unkenntlich zu machen.
Deswegen ist es unstrittig, dass die AKP für das Ende des Waffenstillstands
verantwortlich ist. In dieser Situation werden sich unsere Kräfte gegen
Angriffe noch wirksamer verteidigen. Sie werden aber dennoch keine Kräfte,
die nicht zu Operation aufbrechen und die sich nicht gegen die Bevölkerung
richten, angreifen. Wie die Phase, die vor uns liegt aussehen wird, ist
abhängig vom Verhalten der AKP-Regierung und anderer staatlicher Kräfte.
Insbesondere das Verhalten des Staates im März, dem Frauentag am 8. März
und dem kurdischen nationalen Feiertag Newroz, wird wichtig sein. Bezüglich
dieser Termine weisen wir alle Kreise darauf hin, verantwortungsvoll und
sensibel zu sein.
Die internationalen Kräfte, die Interesse an der kurdischen Frage zeigen,
rufen wir auf, unsere für die Lösung gegangen Schritte wahrzunehmen und
gegen das Festhalten der AKP an der Lösungslosigkeit und der Politik der
Verleugnung des politischen Willens und für die aus unserer Existenz als
Volk abzuleitenden universalen Rechte einzutreten. Wir rufen sie auf,
die auf Gewalt basierende Politik des türkischen Staates nicht zu unterstützen.
Wir rufen in der Türkei alle Revolutionärinnen und Revolutionäre, Demokratinnen
und Demokraten, Patriotinnen und Patrioten, alle aufrecht religiösen Menschen,
die Politik der Verhinderung einer Lösung durch die AKP zu sehen und den
Kampf für die Verankerung der Rechte des kurdischen Volkes in der Verfassung
und dafür in einem gemeinsamen Land, einer demokratischen Nation gleichberechtigt
in Frieden zusammenzuleben, zu stärken.
Wir rufen alle patriotischen Kräfte in den vier Teilen Kurdistans dazu
auf, mehr Solidarität zu zeigen, die demokratische nationale Einheit zu
stärken und gegen die Politik, die den Willen des kurdischen Volkes negiert
und nicht anerkennt, gemeinsam zu kämpfen.
Unser patriotisches Volk in den vier Teilen Kurdistans und im Ausland
soll wahrnehmen, dass alle von unserer Führung gemachten Anstrengungen
für den Frieden, von Seiten des Staates und der Regierung, kein Entgegenkommen
erfuhren. Es soll wissen, dass in der neuen Phase ein noch verantwortungsvolleres
und organisierteres Vorgehen unabdingbar ist.
Diese Phase ist die Lösungsphase. Dass dies keine Kraft verhindern kann,
sollten alle wissen. Die herausgestellten Erfolgsbedingungen sollten mit
großer Verantwortung betrachtet werden.
Diese Phase ist die Phase der Freiheit und des Erfolgs. Um diese Phase
in eine Zeit der demokratischen Autonomie und der Freiheit des Vorsitzenden
Apo zu verwandeln, rufen wir alle Patriotinnen und Patrioten zu ihrer
Aufgabe. Sie sollen wissen, dass die apoistische Bewegung von heute über
eine große militärische und politische Erfahrung verfügt, und dass, indem
die große Unterstützung unseres Volkes vereint wird, der Freiheitskampf
mit Sicherheit Erfolg haben wird.
KCK, Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistan, 28. Februar 2011
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