Ein Gruß zum
8. März aus dem F-Typ Gefängnis von Bitlis
Während die
Frauen der Welt den 8. März feiern, sitzt die kurdische Frau im Gefängnis
Wir begehen jetzt den 100.
8. März als Tag der arbeitenden Frau, den Tag an dem die Frauen ihre erkämpften
Rechte feiern. Die Frauen dieser Welt feiern diesen Tag mit großer Leidenschaft
und unterschiedlichen Aktivitäten, sie versuchen diesen Tag, als den einzigen
Tag der ihnen gegeben ist, mit wichtigen Inhalten zu füllen.
In fast allen Ländern dieser Welt feiern Frauen jeder Herkunft, Sprache,
Kultur, Hautfarbe und Religion diesen Tag. Doch die kurdischen Frauen,
die mit ihren Forderungen nach ihrer Kultur und ihren Farben, ihrem Frauenkampf
den 8. März besonders füllen, befinden sich in Haft.
Vom 14. April 2008 bis jetzt wurden in der immer noch andauernden „KCK-Operation“
fast 2000 kurdische Politikerinnen und Politiker inhaftiert, und der größte
Teil dieser Inhaftierten sind politisch bewusste Frauen. Die Repressionswelle
gegen die kurdischen Frauen richtet sich damit gegen den Teil des kurdischen
Befreiungskampfes, der zu jedem Zeitpunkt das größte Leid zu tragen, den
höchsten Preis zu zahlen und die meisten Tränen zu vergießen hatte, dessen
Körper zerstört wurden und ihren Widerstand oft mit dem Leben bezahlten.
Die Frauen kämpfen am stärksten für ein Ende des Krieges und eine demokratische
Lösung, und genau sie werden inhaftiert. Das bedeutet, dass in dieser
von der kurdischen Seite als historisch betrachteten Lösungsphase darauf
abgezielt wird, die kurdischen Frauen einerseits von der politischen Arbeit
fernzuhalten und andererseits den Willen der kurdischen Frauen zu brechen.
Insbesondere in der letzten Zeit hat das System den gestärkten politischen
Willen der kurdischen Frauen wahrgenommen. Es fürchtete sich und wählte
sie ab 2008 als direktes Angriffsziel aus. 2011 hat dies einen neuen Gipfel
erreicht, es befinden sich in unterschiedlichen Gefängnissen 4800 kurdische,
politische Frauen in Haft.
Wie ihr wisst, wurden im Rahmen der „KCK-Operation“ kurdische Politiker_innen,
Bürgermeister_innen, Anwält_innen, Vertreter_innen zivilgesellschaftlicher
Organisationen, Student_innen und Journalist_innen inhaftiert und ins
Gefängnis gesteckt. Außerdem nahm der türkische Staat sogar unseren Freund,
den amerikanischen Journalisten, Jake Hess, der über die Lage der kurdischen
Bevölkerung berichtete, wegen „Verbindungen zur PKK“ fest und verhörte
ihn tagelang.
Ich wurde als kurdische Journalistin, wie Jake Hess auch, im Rahmen einer
„KCK-Operation“ festgenommen und verbrachte die letzten 9 Monate zusammen
mit 30 anderen Frauen in einer Zelle im Gefängnis von Bitlis. Unsere Inhaftierung
zeigt wieder einmal die Rechtlosigkeit, der wir gegenüberstehen. Es ist
eine große Schande für die türkische Demokratie, die sich im EU Beitrittsprozess
befindet. Die Grausamkeit des Putsches vom 12. September 1980 widerholt
sich in der fortgesetzten Vernichtungs- und Verleugnungspolitik. Während
der türkische Staat von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit spricht,
ist eines der am wenigsten respektierten Rechte das Recht auf Pressefreiheit.
Journalist_innen werden mit Haftstrafen teilweise von mehreren hundert
Jahren verurteilt. Das gleiche sehen wir jetzt auch am 8. März, es wird
als passend angesehen, dass kurdische Frauen ihn im Gefängnis begehen.
Manche befindet sich mit ihren Kindern hinter den Betonwänden und Stahltüren
des Gefängnisses, manche lassen ihre kleinen Kinder zu Hause und werden
mit ihrer Sehnsucht zu ihnen hinter den Stahltüren gefangen gehalten.
Wenn ich als Journalistin die Frauen nach ihren Forderungen zum 8. März
frage sagen sie: „Wir wollen Freiheit, Frieden und Demokratie. Dieses
Jahr soll ein Jahr der Lösung für alle Völker der Welt und für die Frauen
sein“, aus ihren Mündern hören wir keine Feindseligkeit, sondern nur „Frieden,
Frieden und nochmals Frieden.“
Die kurdischen Frauen entstammen einer tiefen Unterdrückung und befinden
sich im Prozess der Schaffung ihrer eigenen Identität im Rahmen des kurdischen
Frauenkampfes, real verdankt die kurdische Frau diesem Kampf ihre Widergeburt.
Die Frauen, die ein Leben lang von der Unterdrückung eingeschlossen waren,
sollen nun wieder von der Unterdrückung ertränkt werden. Aber die kurdischen
Frauen haben gezeigt, dass sie eine gewaltige Kraft haben. Sie kann nicht
durch Verhaftungen vernichtet werden, deswegen ist auch die Vergewaltigungskultur
in letzter Zeit zu einem Teil der schmutzigen Politik geworden. Wie schon
früher, wendet nun das AKP-System die Logik „Erschießt zuerst die Frauen“
auf grausamste Weise an. Es ist eine Tatsache, dass die Gesellschaft im
gesamten ausgelöscht werden soll. Hinter Mauern, mit Handschellen, können
wir kurdische Frauen, Politiker_innen und Intellektuelle uns nicht einmal
in der eigenen Muttersprache ausdrücken. Der Staat eröffnet einerseits
das kurdischsprachige Fernsehprogramm „TRT Şeş“ und benutzt so unsere
Muttersprache an den Orten an denen es ihm gefällt und macht Politik damit,
doch den kurdischen Politiker_innen, die ihre Verteidigung vor Gericht
in ihrer Muttersprache durchführen wollen, wird dies verboten. Es wird
sogar zu Protokoll gegeben, diese Sprache sei „eine unbekannte Sprache“.
Wenn wir ein unbekanntes Volk sind, wie können dann die Richter ein unbekanntes
Individuum verurteilen? Nach welchen Gesetzen soll es verurteilt werden?
Eigentlich müsste an diesem Punkt die Arbeit des Justizsystems enden.
Alles andere ist nur ein konstruiertes Bühnenstück.
Die ganze Welt muss die Existenz eines Volkes und den Wunsch sich selbst
zu verwirklichen anerkennen. Die ganze Welt muss sehen, dass dieses Volk
dem Vernichtungsversuch gegenübersteht, dass seine Sprache, Kultur, seine
Reichtümer und sein Selbstbewusstsein zerstört werden soll.
Wir als kurdische Frauen und ich als kurdische Journalistin sind hier
im Gefängnis von Bitlis, weil wir für die Freilassung der kurdischen Politker_innen,
Frauen, Mitglieder von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Journalist_innen
Widerstand leisten. Wir setzen uns gegen die Vernichtungspolitik, die
gegen die kurdische Bevölkerung durchgeführt wird, mit der Kraft der Demokratischen
Autonomie zur Wehr. Wir treten für ein sofortiges Ende der Repression
gegen die kurdische Bevölkerung und für ein Ende aller Kriege auf der
Welt ein. Dazu laden wir alle Intellektuellen, Schriftsteller_innen, Politker_innen,
Journalist_innen, Revolutionär_innen und fortschrittlichen Menschen der
Welt ein.
Wir Frauen im E-Typ Gefängnis von Bitlis möchten diese Gelegenheit nutzen
und allen anderen gefangenen Frauen sowie den Frauen und Arbeiterinnen
draußen, zum 8. März, dem internationalen Tag der Frau, gratulieren. Und
wir wissen, dass der 8. März den Frauen auf der ganzen Welt, egal an welchem
Ort wir uns auch befinden, Stärke und Freude verleiht. Auch im Gefängnis
nehmen wir diesen Tag für uns in Anspruch!
Die Journalistin Hamdiye Ciftci, DIHA-Korrespondentin, aus dem Bitlis
E-Typ Gefängnis, 16.02.2011
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