Protokoll
der Delegationen aus Deutschland über die gestrigen Ereignisse in Amed
(Diyarbakir)
Wir haben uns entschieden,
allein unsere Beobachtung des Newroz-Festes in Dayiarkabir am 20.03.2011
darzustellen, ohne die Übergriffe auf die anderen kurdischen Newrozfeste
einzubeziehen. Es werden subjektive, aber mit mehreren Beteiligten besprochene
Eindrücke wiedergegeben, wodurch beispielsweise Zeitangaben nicht genau,
sondern mit einer etwa 15 minütigen Toleranz zu verstehen sind.
Die KCD (Kongreya Civaka Demokratik)
hatte dazu aufgerufen, sich um 8:00 Uhr auf dem außerhalb der Stadt bereitgestellten
Newroz-Gelände zu versammeln. Dem Aufruf sind mindestens 500 000 Menschen
gefolgt. Andere Schätzungen gehen von bis zu einer Million aus, was durchaus
möglich ist.
Nach einigen Musikbeiträgen auf der fest installierten Bühne hat die BDP
Abgeordnete Aysel Tugluk in ihrer Rede zu einem Freiheitsmarsch zurück
in die Stadt aufgefordert. Während um etwa 13:30 Uhr das Newrozfeuer entzündet
wurde, bewegten sich nach und nach große Menschenmengen über nicht abgesperrte
Straßen zur Innenstadt. Erst am Stadtrand hat die Polizei an bestimmten
Stellen und bei staatlichen Institutionen Blockaden errichtet und an größeren
Kreuzungen den Verkehr geregelt.
Zu diesem Zeitpunkt formierte sich ein geschlossener Demonstrationszug
(15:00 Uhr), der zu dem zentralen Kosuyolu-Park, in dem das BDP-Friedenszelt
zur demokratischen Lösung der Kurdenfrage aufgebaut ist, geführt wurde.
Im hoch ummauerten Park waren um 16:00 Uhr mindestens 2000 Menschen versammelt
und begannen ihr Friedensfest.
Unsere erste Wahrnehumun von einer sich veränderden Situation waren vier
oder fünf Jugendliche, die mit leichten durch Tränengas verursachten Augenverletzungen
Hilfe suchten.
Wir haben versucht, der Situation auf den Grund zu gehen; Die Polizei
schoss mit zwei sich zurückziehenden Wasserwerfern immer weider auf die
Straße und auf die Menschenmenge im Park. Das verwendete Wasser war mit
rotfärbenden Chemikalien versetzt , wahrscheinlich enthielt es auch Reizstoffe.
Die einsetzende heftige Gegenwehr (Steinbewurf durch Jugendliche) verdrängte
die Wasserwerfer. Kurz darauf setzte ein fortlaufender Beschuss mit CS-Gasgranaten
ein, so dass weite Teile des Parks in stark reizeden, weißen Nebelwänden
untergingen und viele Menschen mit Augenreizungen und Platzwunden zum
Festzelt gebracht und getragen wurden.
Während wir mit Sorftmaßnahmen zur medizinischen Versorgung befasst waren,
geriet auch das Zelt unter direkten Beschuss. Spätestens hier setzten
kontrollierte Fluchtbewegungen ein, die aber kein Ziel fanden, da der
Gasbeschuss die jeweilige Fluchtrichtung immmer wieder abschnitt: Die
Menschenmenge wurde hin und her gescheucht. Fatal dabei war, dass der
Park nur über wenige und zum Teil verschlossene Eisentore verfügte. Panik
brach dennoch nicht aus.
Unsere Gruppe verlor sich, konnte sich aber über Mobilfunk verständigen.
Teilweise fiel die Flucht vom Park weg schwer, da auch die Nebenstraßen
stark mit Reizgas beschossen worden waren.
Bemerkenswert war auch, dass weiß behelmte Polizeibeamte, die zu diesem
Zeitpunkt in einer Kolonne den Park stürmten, direkt mit Gasgranaten in
flüchtende Gruppen, vorwiegend Frauen und Kinder, hineinschossen.
Unsere versprengte Delegationsgruppe konnte sich nach geschätzt einer
Stunde um 18:00 Uhr wiederfinden.
Wir fuhren dann gemeinsam zur BDP-Zentrale, wo wir uns über die Ereignisse
informierten. Am frühen Abend (19:30 Uhr) fuhren wir zusammen mit Hamide
Akbayir und weiteren FreundInnen, die wir an der Zentrale getroffen haben,
zurück zum Park, wo sich inzwischen einige hundert Leute versammelt hatten.
Einzelne Polizeieinheiten mit Panzerfahrzeugen blieben im Umfeld in Bereitschaft.
|