Öcalan:
Es wurde ein Konsens für einen Friedensrat getroffen
Der
Vorsitzende der PKK Abdullah Öcalan erklärte bei dem Besuch mit seinen
AnwältInnen, dass das Treffen mit der Delegation des Staates stattgefunden
hätte und in dem Kontext die seinerseits gesetzte Deadline bis zum 15.Juli
als gegenstandslos zu betrachten sei. Er gab dabei an, dass man sich in
diesem Gespräch auf die Gründung eines Friedensrates vereinbart hätte.
Dazu merkte er an, dass der Friedensrat nicht allein aus der Zivilgesellschaft
bestehen werde und innerhalb eines Monats bzw. kürzer ins Leben gerufen
werden müsse.
In dem letzten Gespräch mit seinen AnwältInnen machte Öcalan wichtige
Bemerkungen hinsichtlich auf das Gespräch mit der Staatsmannschaft, der
geplanten Dachpartei, der Vereidigungskrise im Parlament sowie auf die
Krise mit der Waffenruhe.
Im Protokoll wurde nichts signiert
Bezogen auf die Protokolle, die Öcalan Kandil und der Delegation des Staates
überreicht hatte, stellt der PKK-Vorsitzende folgendes klar: „Hinsichtlich
der Protokolle entstand in der Öffentlichkeit eine Fehldeutung und ein
Missverständnis. Auch Karayilan sprach davon. So wie dies in der Allgemeinheit
falsch ausgelegt wurde, handelt es sich hierbei um nichts, was wir gegenseitig
mit dem Staat unterzeichneten hätten. Im Protokoll wurde nichts signiert.
Da besteht ein Irrtum. Die Protokolle sind nicht in der Form, dass sie
einvernehmlich unterschrieben wurden, sondern auf den Frieden betrachtet,
vielmehr ein Papier worauf man sich gegenseitig geeinigt hat.“
Öcalan machte dazu folgende Erklärungen: „Bei dem letzten Treffen mit
den Vertretern der Staatsbürokratie haben wir uns auf die Bildung eines
Friedensrates geeinigt. In den zuletzt geführten Gesprächen war die Aufstellung
eines Friedensrates der wichtigste praktische Schritt der unternommen
wurde. Dies ist auch aus den Protokollen ersichtlich. Der Friedensrat
wird weder ein offizielles Staatsorgan verkörpern, noch lediglich ein
ziviles Organ sein. Er wird Friedensbemühungen betreiben, für die Realisierung
des Friedens und auf eine Lösung hin arbeiten. Er sollte innerhalb eines
Monats bzw. in einer noch kürzeren Zeit gegründet werden.“
Auch ein Verfassungsrat sollte
gegründet werden
Eine zweite und weitere wichtige Sache ist die Etablierung eines Verfassungsrates.
Der Verfassungsrat wird die Arbeiten hinsichtlich des Grundgesetzes ausführen.
Dieser wird nicht in Form eines Verfassungskonzils ein getrenntes Konzil
bilden; es darf nicht als eine klassische Kommission verstanden werden.
Der Verfassungsrat, ist ein Rat zur Durchsetzung einer neuen Verfassung.
Innerhalb dieses Rates kann auch die BDP Stellung einnehmen.“
Um die Vereidigungskrise zu
lösen, müssen Kompromisse gemacht werden
Öcalan, der sich auch auf Vereidigungskrise im Parlament bezog, äußerte
sich dazu und zum Parlamentsboykott der BDP wie folgt: „Ob diese Krise
gelöst wird oder nicht, kann ich nicht wissen. Die BDP darf nicht wie
zuvor reingelegt werden. Wie wir schon zuvor erwähnt haben, kann der Eid
im Parlament abgelegt werden, sofern man sich mit der Regierung einigen
kann. Diese Vereinbarung muss auf alle Fälle geschlossen werden und ist
sehr wichtig. Der Konsenstext, den sie ausarbeiten werden, kann Parallelitäten
zu meinen verfassten Protokollen haben bzw. kann die BDP diesen entsprechend
ihrer Bedingungen sowie hinsichtlich ihrer Situation verfassen. Zum Beispiel
können der Hatip-Dicle-Fall, die Freilassung der weiteren 5 einsitzenden
Abgeordneten, die Freilassung der KCK-Gefangenen, sogar die Entlassung
aller Gefangener, die zehn Prozent Wahlhürde und die Abänderung des Anti-Terrorgesetzes
mit einfließen. Der Fall um Hatip Dicle sowie weitere Fälle können vielleicht
nicht sofort gelöst werden; eine sofortige Freilassung könnte vielleicht
auch nicht sofort umgesetzt werden. Damit diese Konditionen jedoch beachtet
und umgesetzt werden, müssen diese zu vollstreckenden Dinge seitens des
Staates, des Kabinetts, an ein schriftliches Protokoll gebunden und mit
der Zeit die entsprechenden Punkte umgesetzt werden.“
Die Roadmap wird nicht gelesen
bzw. verstanden
Öcalan bezog sich auf seine ausgearbeitete Roadmap und machte dabei folgende
Bemerkung: „Meine entwickelte Roadmap wird nicht richtig gelesen. Wieso
wird sie nicht gelesen? Entweder hat die BDP sie nicht gelesen, oder sie
verstehen sie nicht zu genüge. Selbst der Staat hat sich zwei Jahre lang
damit auseinandergesetzt; sich darauf konzentriert; darauf bezogen gearbeitet;
davon profitiert. Die Roadmap muss gelesen und verstanden werden. Soweit
ich verfolgen konnte, haben auch die Kolumnisten in der Türkei diese Arbeit
befürwortet. Auch im Protokoll der TESEV [Türkische Stiftung für wirtschaftliche
und soziale Studien] wurde von der Roadmap Gebrauch gemacht. Zugleich
ist meine letzte Verteidigungsschrift in gleicher Weise eine umfangreichere
Version der Friedens-Roadmap.“
Ich will nicht, dass sich der
Konflikt ausweitet
Zu der erklärten Waffenruhe wurde geschrieben, dass Öcalan bemerkt hätte,
dass sich die bewaffneten Guerillaeinheiten der PKK in den Gebieten ausgebreitet
hätten; in gleicher Weise die Soldaten entlang der Grenze und in weiteren
Gebieten intensive Operationen unternehmen würden. Hierzu sagte Öcalan
folgendes: „Diese Gefechte, beschreiben vielmehr gegenseitige Vergeltungsangriffe.
Ich will nicht, dass sich der Konflikt ausweitet. Eintreffende Todesnachrichten
stimmen mich traurig. Ich wünschte, sowas würde nicht vorkommen. Im Augenblick
besteht weder ein Waffenstillstand, noch ein Kriegsbeginn welcher einen
bestehenden Waffenstillstand beenden würde. Diese beidseitigen Vergeltungsmaßnahmen
bzw. die Gefechte können zunehmen oder auch abnehmen. Die Guerilla wird
jedoch unter jeder Bedingung ihre Selbstverteidigung ausüben. Die Guerilla
wird sie bei einer Begegnung mit den Streitkräften verteidigen. Da gibt
es keine aktive oder passive Verteidigung. In Bezug auf die Waffenruhe
kann ich nichts sagen. Es wäre auch nicht korrekt dazu etwas zu äußern.
Da wird die Guerilla ihre eigenen Entscheidungen entsprechend fällen müssen
...
Wie ich bereits erwähnt habe, werde ich bereit sein, Aufgaben von hier
aus aufzunehmen und meiner Rolle entsprechend gerecht werden. Wie gesagt,
muss das Kabinett das Parlament versammeln und mir eine Rolle zuteilen.
Ab dem Moment werde ich alles daran setzen, die Guerillaeinheiten an einem
Punkt zusammenzubringen ...“
ANF, 08.07.2001
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