Staatliche
Blockaden für Hilfsarbeiten und Berichterstattung nach dem Erdbeben
Pressemitteilung zur Lage in der Region Van nach dem Erdbeben vom 23.
Oktober 2011
Am Sonntag erschütterte ein schweres Erdbeben die Region Van, welche in
den kurdischen Landesteilen im Osten der Türkei liegt. Mit der ausgewiesenen
Stärke 7,2 auf der Richterskala ist das Beben mit dem aus dem Jahre 2010
auf Haiti vergleichbar. Bisher konnten lediglich knapp 400 Tote geborgen
werden, Schätzungen gehen von 1.000 zu erwartenden Toten aus. Zahlreiche
Menschen werden noch vermisst, unzählige sind auf einen Schlag obdachlos
geworden.
Die Berichterstattung über die Hilfsarbeiten nach dem Erdbeben ist durchaus
widersprüchlich. Selbst staatliche Stellen dementieren die offizielle
Darstellung des Krisenstabes, der AKP-Regierung und des türkischen Roten
Halbmondes, die behaupten Rettungskräfte würden in genügendem Maße vor
Ort arbeiten, um Überlebende zu bergen, und die Versorgung der Betroffenen
wäre ausreichend. Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Van, Abdurrahman
Bogan, gab auf Anfrage an, dass die Lage der Menschen in der Region katastrophal
sei. Ein Großteil der nach dem Erdbeben Obdachlosen hätte die zweite Nacht
in Folge auf offener Straße übernachten müssen, bei Regen und Kälte. Es
fehle an allem: Rettungskräfte, Bergungsausrüstung, Decken, Zelte, Kleidung,
Medikamente und Lebensmittel – vor allem Baby-Nahrung. In viele Dörfer
der bergigen Region, die überwiegend von KurdInnen bewohnt wird, sei noch
gar keine Hilfe vorgedrungen.
Dabei wird Hilfe aus dem Ausland konsequent von den türkischen Behörden
der Zentralregierung abgelehnt. Ein deutsches Rettungsteam wurde bereits
am Sonntag von der zuständigen türkischen Katastrophenschutzbehörde zurückgewiesen.
Der Experte Andreas Teichert, Leiter des Krisenstabs Ostasien, hat für
ein solches Verhalten kein Verständnis: „Das kann nicht sein. Es sind
noch nicht einmal 24 Stunden nach dem Erdbeben vergangen. Innerhalb der
ersten 72 Stunden nach so einer Katastrophe haben Verschüttete noch eine
gute Chance gerettet zu werden.“ Auch die Europäische Union hat bereits
auf das Fehlverhalten der türkischen Zentralregierung unter dem Ministerpräsidenten
Recep Tayyip Erdogan reagiert und appelliert an die Verantwortlichen nicht
gewissenlos und inhuman zu handeln.
Eyüp Can, Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Radikal, wies in seiner
Kolumne vom 25.10.11 ebenfalls darauf hin, dass die „Türkei die Hilfe
von über 30 Staaten, u.a. der USA, Israels, Griechenlands, Großbritanniens
und Japans mit den Worten „Vielen Dank, wir brauchen eure Hilfe aktuell
nicht“ zurückgewiesen hat“. Die gleiche Zeitung schreibt, dass auch 48
Stunden nach dem Erdbeben kein einziges der 84 Dörfer in Ercis Hilfsleistungen
erhalten hat und die Menschen die Nächte auf den Straßen verbringen. Die
Dorfvorsteher, die beim Landratsamt nach Zelten gefragt haben, seien mit
der Begründung, die Stadt habe Vorrang, zurückgewiesen worden.
Das Bild, welches aktuell aus der Katastrophenregion übermittelt wird,
entspricht einer gezielten Fehlinformation der internationalen Öffentlichkeit,
um zu vermitteln, dass die Türkei nicht auf ausländische Hilfe angewiesen
sei. Diese überhebliche Propaganda kostet Menschenleben. In den türkischen
Medien wird derweil spekuliert, ob es sich bei dem Erdbeben nicht um eine
gerechte Strafe Gottes gegen die KurdInnen handele, die seit über 30 Jahren
um kulturelle, gesellschaftliche und politische Freiheiten ringen, oder
gar über das Leid der überwiegend kurdischen Opfer frohlockt. Der Zusammenhang
der nationalistischen Hetze gegen KurdInnen und dem Verhalten der
Zentralregierung entgeht auch nicht den abgewiesenen deutschen HelferInnen.
„Ich kann mir auch vorstellen, dass es hier um die PKK geht“, fügt Teichert
seinen Überlegungen hinzu. „Vielleicht denkt man, je weniger, desto besser.“
Dass mit dem Leid der Erdbebenopfer Politik getrieben wird, erzürnt auch
viele Menschen in Europa. Gerade die hier lebenden KurdInnen sind wütend
über die Blockade der Hilfsarbeiten und der Berichterstattung, welche
ausschließlich wehrlose Menschen trifft und einen Verstoß gegen die Menschenrechte
darstellt. So organisieren sie bereits am Tag des Erdbebens Hilfslieferungen
für die betroffene Region. In kurdischen Kulturvereinen in ganz Europa
werden Kleider und Nahrungsmittel gesammelt, die in die Krisenregion geschickt
werden, denn bisher sind nur Hilfslieferungen aus Istanbul und den kurdischen
Nachbarstädten Batman, Diyarbakir und Mardin eingeroffen.
Doch davon lassen sich die HerlferInnen nicht abschrecken. Was sollen
sie auch erwarten von einem Staat, der seine eigenen BürgerInnen aus nationalistischem
Großmanns-Gebaren in einer solchen Situation die bereitstehende Hilfe
verwehrt? Abdurrahman Bogan: „Die Lage ist katastrophal, wenn die Arbeiten
nicht bald intensiviert werden und Hilfe eintrifft, werden wir noch viel
mehr Tote bergen müssen. Jede Unterstützung ist notwendig.“
Daher rufen wir Sie auf, ungeachtet der Blockaden zu spenden! Die Menschen
in Van brauchen unsere / Ihre Hilfe!
YEK-KOM - Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. / info@yekkom.com
KURD-AKAD - Netzwerk kurdischer AkademikerInnen e.V. / info@kurd-akad.com
YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V. / info@yxk-online.com
CENI - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. / ceni_frauen@gmx.de
ISKU - Informationsstelle Kurdistan e.V. / isku@nadir.org
Sarmasik-Efeu e.V. / info@sarmasik-efeu.de
Spenden an Heyva Sor a Kurdistanê e.V., Schäfer Str. 4 / 53859 Niederkassel
/ DeutschlandStadtsparkasse Neuwied, Konto-Nr.: 186098, BLZ: 57450120,
Verwendungszweck: Hilfe für Van, IBAN: DE 62 57 45 01 20 00 00 18 60 98,
BIC: MALADE 51 NWD
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