Internationale
Initiative 06. Dezember 2011 »Freiheit für die Anwältinnen und Anwälte - Isolation beenden« 2. Erklärung der Internationalen Initiative zu den Massenverhaftungen von Anwältinnen und Anwälten Nach der Massenfestnahme von 41 Anwältinnen und Anwälten Abdullah Öcalans am 22. November 2011 wurde nach tagelangem Polizeigewahrsam gegen 33 von ihnen Haftbefehl erlassen. Unter den Verhafteten sind alle diejenigen Anwältinnen und Anwälte, die in den letzten Jahren zumindest einmal die Tortur auf sich genommen hatten, auf die Gefängnisinsel Imrali zu fahren, um dem dort in Isolationshaft befindlichen Abdullah Öcalan zu ermöglichen, das Recht auf eine Konsultation mit seinem anwaltlichen Beistand wahrzunehmen. Alle diese Anwälte waren ohnehin seit langem mit Schikanen konfrontiert, die dieses Mandat zum vielleicht schwierigsten Mandat der Welt machen. Zu diesen Schikanen zählen tätliche Angriffen auf die Anwältinnen und Anwälte durch aufgehetzten Mob währen des Prozesses auf Imrali im Jahre 1999, mehrfache erniedrigende körperliche Durchsuchungen pro Konsultation, das Aufzeichnen der gesamten mündlichen Kommunikation mit ihrem Mandanten und das totale Verbot der schriftlichen Kommunikation. Bisherige Sanktionen, von denen bereits rund zwei Dutzend Anwältinnen und Anwälte betroffen waren, umfassten den Zwangsausschluss vom Mandat und eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren, Strafverfahren bis hin zu mehrjährigen Gefängnisstrafen. Seit dem 27. Juli 2011 wurde darüber hinaus jeglicher Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali von staatlicher Seite unterbunden. Damit sind Öcalan und die anderen fünf Gefangenen seit mehr als vier Monaten völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Sorge um ihr Wohlbefinden wächst. Der jüngste, koordinierte Angriff auf die Verteidigung Öcalans ist absolut beispiellos in der Geschichte der Türkei. Niemals zuvor wurden derart viele Anwältinnen und Anwälte gleichzeitig verhaftet – nicht während der drei Militärputsche 1960, 1971 und 1980 und nicht während der 1990er Jahre, als Oppositionelle auf offener Straße ermordet wurden oder für immer »verschwanden«. Das Recht auf Verteidigung war durch die Aufhebung des Anwaltsgeheimnisses per Totalüberwachung aller Konsultationen Öcalans ohnehin praktisch ad absurdum geführt. Dennoch sprengt die Gefangennahme des gesamten aktiven Verteidigungsteams die Grenzen des bisher Vorstellbaren. Die Verhaftungen erfolgten, nachdem Premierminister Erdoğan die Anwälte öffentlich angriff und beschuldigte. Justiz und Presse wurden nach dieser politischen Vorgabe aktiv – unter anderem durch die Veröffentlichung »sensationeller« inkriminierender Fotos, welche sich schnell als völlig harmlos herausstellten. Diese Verhaftungswelle bildet gleichzeitig den neuesten Höhepunkt in der seit 2009 andauernden Serie von Massenverhaftungen gegen vorwiegend kurdische PolitikerInnen, MenschenrechtlerInnen, JournalistInnen und kommunale AktivistInnen. Sie reiht sich ebenso ein in das spätestens seit Juni 2011 umgesetzte Konzept des totalen Kriegs gegen die kurdische Demokratiebewegung, zu dem auch die beinahe täglichen Bombardierungen von angeblichen Stellungen der Guerilla in Südkurdistan/Nordirak gehört. Der Grund für diese Eskalation liegt im Scheitern der von 2006 bis Juni 2011 durchgeführten Geheimgespräche zwischen türkischem Staat, Öcalan und der PKK. Der Staat hat offenbar keine konstruktiven Vorschläge vorgelegt, stets lediglich die Verlängerung der einseitigen Waffenstillstände der kurdischen Seite gefordert und auf die Vorlage von drei »Protokollen«, die den Rahmen für einen mehrstufigen Friedensprozess hätten bilden sollen, mit einem Abbruch der Gespräche reagiert. Der nachfolgende Angriff auf die Anwältinnen und Anwälte soll offenbar sämtliche Kommunikationskanäle Öcalans kappen. Während diese Gespräche noch andauerten, hat der Staat mehrfach ohne Wissen der AnwältInnen und Anwälte für eine schriftliche Kommunikation zwischen Öcalan und der Guerilla gesorgt. Diese pikante Tatsache führt den Vorwurf, die AnwältInnen hätten Anweisungen Öcalans transportiert, vollends ad absurdum. Die Internationale Initiative protestiert aufs heftigste gegen die Verhaftung der 33 Anwältinnen und Anwälte Öcalans. Sie ist Teil des Versuchs einer militärischen Lösung des Konfliktes, der nur misslingen kann. Die gegenwärtigen Repressionsmaßnahmen stellen eklatante Verstöße gegen elementare Menschenrechte wie das Recht auf Verteidigung dar. Auf diese Weise rückt eine friedliche Lösung des Konflikts bis auf weiteres in weite Ferne. Die Internationale Initiative fordert die sofortige Freilassung der inhaftierten Anwältinnen und Anwälte und die sofortige Aufhebung der erneuten Totalisolation Öcalans.
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