Berlin,
15.02.2012
Presseerklärung
zur Besetzung des Informationsbüros des Europaparlaments
An die Presse und Öffentlichkeit,
Wir haben am 15. Februar 2012 das Informationsbüro des Europaparlaments,
Unter den Linden 78 besetzt und fordern in diesen Räumlichkeiten eine
Pressekonferenz über die aktuelle Situation des Repräsentanten von Millionen
Kurdinnen und Kurden und Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK),
Herrn Abdullah Öcalan abzuhalten.
Abdullah Öcalan wird von Kurdinnen und Kurden als ihr politischer Repräsentant
angesehen. Rund dreieinhalb Millionen Kurdinnen und Kurden haben dies
in einer Unterschriftenkampagne 2006 bezeugt. Er ist ihr bedeutsamster
Vertreter im Kampf um kulturelle Rechte und Demokratie und gilt als Symbol
für die Freiheit der KurdInnen. Öcalan wendet sich gegen jede Form von
Nationalismus, Autoritarismus, Separatismus und Sezessionismus und präsentiert
als Lösungsperspektive einen demokratischen Mittleren Osten. Dabei liegt
sein Schwerpunkt auf Demokratisierung der Gesellschaft, Geschlechterbefreiung
und Gleichberechtigung aller Identitäten und Religionen.
Herr Öcalan ist der Garant
für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage
Seit 1993 versucht Öcalan, mit einseitigen Waffenstillständen günstigere
Bedingungen für eine politische Lösung des Konflikts herbeizuführen. Auch
nach seiner illegalen Entführung und Inhaftierung vor zwölf Jahren, am
15. Februar 1999, hat er sich stets für eine friedliche, politische Lösung
der kurdischen Frage eingesetzt. Seit 2006 hat er mit der türkischen Regierung
Gespräche über eine politische Lösung des Konflikts geführt. 2009 legte
er eine „Roadmap für den Frieden“ vor.
Warum der 15. Februar 2012?
Am 15.Februar 1999 hat, gegen internationales Recht verstoßend ein staatlich
gelenktes Bündnis von Geheimdiensten den Vorsitzenden der Arbeiterpartei
Kurdistans, Abdullah Öcalan, illegal in die Hände ausgerechnet des Staates
überführt, der am allerwenigsten ein rechtsstaatliches Verfahren garantieren
kann. Der Repräsentant von Millionen Kurdinnen und Kurden wurde den Militärs
und den Politikern der Türkei übergeben, die für den Krieg in den kurdischen
Gebieten und dessen Folgen verantwortlich sind.
Menschenrechtswidrige Haftbedingungen
für Abdullah Öcalan
Seit 1999 kritisiert das Antifolterkomitee (CPT) die unmenschliche Isolation
auf Imrali. Öcalan war 11 Jahre lang der einzige Häftling auf der Insel
– bewacht von mehr als 1000 Soldaten und von der Außenwelt abgeschirmt.
Statt einer Person sind seit Ende 2009 sechs Häftlinge isoliert. Seit
Ende Juli 2011 ist die Gefängnisinsel wieder völlig von der Außenwelt
isoliert, alle Besuche von Anwälten oder Familien werden unterbunden.
Die Isolationsbedingungen auf Imrali bleiben schlimmer als in jedem anderen
türkischen Gefängnis. Die Verantwortung dafür trägt die Erdoğan Regierung,
aber auch die internationale Öffentlichkeit die dazu schweigt.
Türkische Regierung setzt auf
Krieg auf allen Ebenen
Während die kurdische Seite beharrlich Vorschläge für eine friedliche
Lösung des Konflikts entwickelt, antwortet die Erdogan Regierung mit Krieg
auf allen Ebenen. Nach jedem Wahlerfolg der kurdischen Partei BDP der
letzten Jahre fanden Massenverhaftungen statt, allein in den letzten zwei
Monaten wurden mittlerweile schon über 1400 kurdische BürgermeisterInnen,
MenschenrechtlerInnen, JournalistInnen, FrauenaktivistInnen und viele
andere AktivistInnen aus der zivilen kurdischen Bewegung inhaftiert. Die
insgesamte Zahl der im Rahmen dieser Operationen inhaftierten lässt sich
nur noch schätzen, dürfte aber mittlerweile zwischen 8000 und 10.000 Menschen
liegen. Dazu kommen allein in den letzten Monaten dutzende von staatlichen
Kräften ermordete ZivilistInnen, so zum Beispiel 34 junge Menschen an
der kurdischen Grenze bei Uludere (Quliban), die Opfer türkischer F-16
Bomber wurden.
Öcalans Lage ist Gradmesser
der Situation der kurdischen Bevölkerung
Die Situation des Repräsentanten großer Teile der Bevölkerung spiegelt
die Situation des kurdischen Volkes wieder, jeder Angriff auf Abdullah
Öcalan stellt damit auch einen Angriff gegen die kurdische Bevölkerung
dar. Die nicht hinnehmbare Isolationshaft, die Verweigerung von Anwaltsbesuchen
und Familienbesuchen macht die Haltung der türkischen Regierung zur Lösung
der kurdischen Frage deutlich. Es soll eine Vernichtungslösung angestrebt
werden, Erdoğan wiegt sich in dem Irrglauben er könnte in Kurdistan eine
„Tamilische Lösung“ durch Vernichtung und Masseninhaftierung herbeiführen.
Europa macht sich zum Komplizen
- Während die Situation in den arabischen Ländern im öffentlichen Fokus
steht wird die Lage in Kurdistan/Türkei totgeschwiegen
Die Menschenrechtslage in der Türkei bleibt weiterhin erschreckend. Die
Vernichtungspolitik der türkischen Regierung werden die KurdInnen weiterhin
auf ihre politischen und kulturellen Rechten, auf die allgemeinen Menschenrechte,
bestehen. Während Libyen zum Schauplatz internationaler Interventionen
wurde, Syrien im Fokus der Öffentlichkeit steht, werden Verbrechen am
kurdischen Volk mit Tausenden Inhaftierten, Gefolterten, mind. 17.000
„Verschwundenen“, über 4000 zerstörten Dörfern totgeschwiegen. Die Forderungen
Europas und der deutschen Bundesregierung fallen richten sich dabei allein
an ökonomischen Interessen aus. Die Türkei bleibt einer der besten Abnehmer
deutscher Waffen, trotz Kriegsverbrechen, trotz Einsatz chemischer Waffen
und trotz extralegaler Hinrichtungen. KurdInnen und Kurden werden auch
hier vom deutschen Staat weder als Migrationsgruppe anerkannt, ihre Institutionen
werden verfolgt und es wird sogar mit Gewalt verhindert, dass sie allein
das Bild von Herrn Abdullah Öcalan auf Demonstrationen tragen. Internationaler
Druck muss auf die Türkei ausgeübt werden, damit sie den Friedensprozess
ernsthaft verfolgt und hier muss endlich die Repression gegen Kurdinnen
und Kurden ein Ende finden und das PKK Verbot aufgehoben werden.
„Seit dem 27. Juli 2011 erreicht uns von Herrn Öcalan keinerlei Nachricht
mehr. Uns ist es unverständlich, dass das CPT in dieser Frage bislang
keinerlei Schritte unternommen hat, obwohl sich die Anwälte von Herrn
Öcalan die entsprechenden Anträge bei Ihrem Gremium gestellt haben. Dies
bedeutet, dass das CPT seiner Verantwortung und seiner Aufgabe in dieser
Frage nicht gerecht wird. Das Schweigen und die Handlungslosigkeit des
CPT gegenüber dem systematischen Rechtsbruch, den AKP-Regierung auf der
Gefängnisinsel Imrali betreibt, interpretieren wir als eine eklatante
Duldung der willkürlichen und totalitären Politik der AKP. Denn seit dem
27. Juli 2011 werden Anwalts- und Angehörigenbesuche bei Herrn Öcalan
unter fadenscheinigen Gründen verhindert. Weiterhin wurden am 22. November
2011 mit der Verhaftung von 39 Anwälte und Anwältinnen aus dem Verteidigerteam
von Herrn Öcalan verhaftet. Zugleich wurde das Rechtsbüro “Asrin”, dass
für seine rechtliche Verteidigung und die laufenden Verfahren zuständig
ist, von der Polizei durchsucht, Computer und Dokumente beschlagnahmt.
Hierdurch wird das Verteidigungsrecht von Herrn Öcalan ernsthaft behindert.“
Trotz Alledem:
Wir wollen Frieden und eine demokratische Lösung in Kurdistan und der
Türkei. Wir glauben, dass Öcalan mit seinen Konzepten für eine demokratische
Autonomie in einer demokratischen Republik der Garant einer solchen Lösung
ist. Die unmenschliche Isolationsfolter gegen ihn muss beendet werden
und er endlich als Partner für eine politische Lösung anerkannt werden.
• Wir fordern von der EU und der Bundesregierung sich endlich ernsthaft
mit der Situation von Abdullah Öcalan zu befassen und ihn als Ansprechpartner
bzgl. der Lösung der kurdischen Frage anzuerkennen
• Wir fordern den politischen Druck auf die Türkei zu erhöhen eine friedliche
Lösung herbeizuführen und endlich mit ernsthaften Verhandlungen mit Herrn
Abdullah Öcalan und der PKK zu beginnen
• Für ein Ende der Isolationshaft, Imrali muss geschlossen werden!
Kurdische Jugend- und Studierendeninitiative
und antifaschistische Gruppen
|