25. Februar 2012

Aufruf zur Unterstützung der Frauenakademie in Amed und zur Frauendelegation im Sommer 2012 nach Kurdistan!

Seit mehreren Jahren werden in Nordkurdistan in Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen und der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) Frauenakademien – und Zentren aufgebaut. Hierüber ist bislang nur wenig in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Wir möchten mit einer Frauendelegation die Frauenakademien- und Zentren besuchen, um diese Arbeiten kennenzulernen, uns auszutauschen und voneinander zu lernen.
Die „Frauenakademie Diyarbakir“ ist eines der Projekte, die wir besuchen wollen. Sie wurde am 30. Juni 2010 im Stadtteil Sûr der kurdischen Stadt Amed (türkischer Name: Diyarbakir) gegründet. In einer Selbstdarstellung erklärt die Frauenakademie ihre Ziele, Prinzipen und Lehrinhalte folgendermaßen:

Ziele der Akademie:
Wir wollen „die Wirklichkeit“ untersuchen, um mit unserem Wissen und dem neu Gelernten die aktuelle Bedingungen verändern und neu gestalten zu können. An den Akademien gibt es keine strikten Rollenverteilungen zwischen „Schülerinnen“ und „Lehrerinnen“. Alle Frauen verfügen über Informationen, Wissen und Erfahrungen, die sie an der Akademie miteinander teilen und austauschen können. Ziel dieses Austausches ist es, Wege zu finden, das patriarchale System zu überwinden, die Gesellschaft aufzuklären und zu verändern.
Indem wir das selbst Gelernte weitervermitteln, können wir uns aus der Abhängigkeit und Unterdrückung befreien, um darauf hinzuarbeiten, ein schöneres Leben und eine freie Gesellschaft zu erreichen.

Prinzipien und Ansätze der Akademie:
• Stärkung der Zusammenarbeit unter Frauen und Fraueneinrichtungen unterschiedlicher nationaler und kultureller Herkunft. Sowie verschiedener Sprache, Religion und Identität
• Bekämpfung jeglicher Form von sexistischer und nationaler Unterdrückung sowie Klassenunterdrückung
• Kampf gegen alle kulturellen Strukturen, die Gewalt gegen Frauen rechtfertigen und unterstützen
• Ablehnung von jeglicher Herrschaft über die Natur
• Ablehnung von hierarchischer Herangehensweise und Machtstruktur
• Opposition zu jeglicher Form von Diskriminierung, sei es im politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen, kulturellen oder akademischen Bereich
• Verteidigung der Meinungs- und Glaubensfreiheit als ein unantastbares Recht
• Verteidigung der Organisierungsfreiheit in jedem Bereich
• Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen bezüglich jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen
• Durchführung von wissenschaftlichen Studien zu Themen, die für Frauen von Belang sind; diesbezüglich sollen die Entwicklungen beobachtet und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden
• Bildungsarbeit mit dem Ziel, Frauen über den Gebrauch ihrer Rechte im Rahmen der nationalen Gesetze und internationalen Abkommen zu informieren
• Durchführung von Bildungsarbeit, um das Bewusstsein über sexistische Rollenbilder in den Medien, Netzwerken und Bildungseinrichtungen zu schärfen
• Durchführung wissenschaftlicher Studien zur Frauengeschichte

Die Arbeiten, die im Rahmen dieser Ziele und Prinzipen durchgeführt werden, sollen zur gesellschaftlichen Veränderung und Erneuerung beitragen.

Themen unserer Bildungsarbeit sind u.a.:
• sexistische Geschlechterrollen
• Frauengeschichte
• Recht und Frauen
• Militarismus und Frauen
• Aktuelle politische Entwicklungen und Frauen
• Geschichte der Gesellschaftsentwicklungen
• Religionen und Frauen
• Philosophie und Frauen

Repressionen:
Die AKP-Regierung versucht nun die Arbeit dieser Akademien zu kriminalisieren, die allen Menschen zur Weiterbildung offen stehen. In den letzten Monaten wurden AkademikerInnen wie Prof. Büşra Ersanlı, Ayşe Berktay, Deniz Zarakolu und Ragıp Zarakolu sowie JournalistInnen, die an den Akademien unterrichtete hatten, verhaftet und angeklagt. Auch SchülerInnen wurden verhaftet, allein weil sie an Seminaren teilgenommen hatten. Aus Protest gegen diese anti-demokratischen Angriffe riefen ca. 400 AkademikerInnen aus der Türkei und Kurdistan die Kampagne „Auch wir wollen an den Akademien unterrichten“ ins Leben. Zahlreiche bekannte Akademikerinnen wie z.B. Prof. Baskın Oran, Prof. Nüket Esen, Prof. Fatma Gök, Prof. Meryem Koray, Prof. Mehmet Türkay, Prof. Eser Köker, Prof. Deniz Yükseker, Prof. Ferda Keskin, Prof. Yakin Ertürk oder Prof. Ali Kerem Saysel haben seitdem zu gesellschaftlichen, politischen und historischen Fragen Seminare gehalten und damit ihren Beitrag zur Fortführung der Arbeiten an den Akademien für politische Bildung geleistet.

Aufruf zur praktischen Solidarität
Unsere praktische Solidarität möchten wir auf zwei Wegen begehen:
• Wir rufen zu einer Delegation speziell mit dem Ziel der Unterstützung der Frauenarbeit in Nordkurdistan auf. Wir möchten in der zweiten Juliwoche 2012 mit einer Frauendelegation die Frauenakademien und -zentren in Amed (Diyarbakir) und anderen Orten in Nord-Kurdistan besuchen, um unsere Solidarität mit der Arbeit der Frauenakademie zu zeigen, uns auszutauschen und voneinander zu lernen. Es sind Besuche bei Frauenberatungsstellen, Frauenkooperativen und –kollektiven, Frauenräten u.a. geplant.
• In Anlehnung an die Kampagne „Auch wir wollen an den Akademien unterrichten“ möchten wir Frauen – Akademikerinnen, Lehrerinnen, Forscherinnen, Heilpraktikerinnen, Philosophinnen, Künstlerinnen etc. mit oder ohne staatliche Anerkennung - dazu einladen, an der Frauenakademie Seminare oder Kurse zu geben. Diese Besuche können auch kurzfristig und individuell geplant werden.
Im Anschluss an diese Begegnungen möchten wir unsere Eindrücke auch hier mit anderen Menschen teilen, Veranstaltungen u.ä. zu dem Thema organisieren und die Idee des Aufbaus von Frauenakademien – in Kurdistan und auch hier - weiterverfolgen.
Wenn auch Ihr Interesse habt, praktische Solidarität zu zeigen und „die Wirklichkeit“ untersuchen wollt, um mit Eurem neuen Wissen die aktuelle Bedingungen verändern und neu gestalten zu können, wendet Euch an Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. Zur gemeinsamen Vorbereitung und detaillierten Klärung des Ablaufs möchten wir möglichst schnell eine Arbeitsgruppe aufbauen. Auch weitere Informationen könnt Ihr bei uns bekommen.

Mit herzlichen Grüßen
die CENÎ Frauen

Kurdisches Frauenbüro für Frieden – Cenî
Corneliusstr.125, D-40215 Düsseldorf
tel. +49 (0) 211 59 89 251, fax: +49 (0) 211 59 49 253
Email : Ceni_Frauen@gmx.de, www.ceni-kurdistan.org