Solidarität
mit den Forderungen des Hungerstreiks von mehr als 400 kurdischen politischen
Gefangenen in der Türkei
Seit dem 15. Februar 2012 befinden
sich über 400 kurdische politische Gefangene in türkischen Gefängnissen
in einem unbefristeten Hungerstreik. Unter ihnen sind auch die inhaftierten
Abgeordneten der Demokratischen Friedenspartei BDP Selma Irmak, Ibrahim
Ayhan. Gulser Yildirim sowie Faysal Sariyildiz.
Die Hungerstreikenden protestieren gegen die anhaltende Repressionswelle
gegen kurdische PolitikerInnen, MenschenrechtlerInnen, AnwältInnen, FrauenrechtlerInnen
und JournalistInnen. Seit den Kommunalwahlen 2009 wurden mehr als 6.200
Menschen ohne haltbare juristische Grundlage inhaftiert.
Ein weiterer Anlass des Hungerstreiks sind die Haftbedingungen von Abdullah
Öcalan. Die türkischen Behörden isolieren den führenden kurdischen Politiker
seit über einem halben Jahr auf der Gefängnisinsel Imrali vollständig
von der Außenwelt. Besuche durch AnwältInnen und Verwandte sind unmöglich.
Ein Dialog mit sämtlichen beteiligten Akteuren und Abdullah Öcalan als
Verantwortlichem sei aber notwendig, so die politischen Gefangenen. Nur
so könne eine friedliche Lösung der kurdischen Frage erreicht werden.
Die Politik der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) ziele demgegenüber
auf eine Eskalation des Konfliktes, der nur durch einen Dialog gelöst
werden könne.
Vom 20. -22. Februar waren auch die 31 Abgeordneten Parlamentsfraktion
der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) im Hungerstreik. Für mehrere
Tage beteiligen sich daran jetzt auch sämtliche BürgermeisterInnen der
99 von der BDP regierten Kommunen sowie Gewerkschafter-Innen der Dachverbände
KESK und DISK. Die Co-Vorsitzende der BDP, Gültan Kışanak, erklärte dazu:
„In der Hoffnung, dass diese Aktionen den Weg für eine friedliche und
demokratische Lösung der kurdischen Frage eröffnet, bekräftigen wir hiermit,
dass wir unseren Kampf um Freiheit und Frieden fortsetzen werden. Es gibt
keinen Zweifel daran, dass sowohl der demokratische Widerstand als auch
die demokratische Opposition im Angesicht der wachsenden Repression zunehmen
werden.“ In Strasbourg begannen 15 KurdInnen am Donnerstag dieser Woche
aus Solidarität mit den politischen Gefangenen ebenfalls mit einen unbefristeten
Hungerstreik vor dem Gebäude des Komitees zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT).
Die graue Eminenz der AKP, der Prediger Fethullah Gülen, hatte im Oktober
2011 zur Vernichtung der politisch tätigen KurdInnen aufgerufen. Seitdem
ließ die Regierung Erdogan weitere 2.000 Menschen verhaften und spitzte
den militärischen Konflikt mit der PKK unter Einbeziehung ziviler Opfer
zu. Mehr als 41 ZivilistInnen starben in den letzten drei Monaten. Wiederholt
setzt das türkische Militär Berichten zufolge, Chemiewaffen ein. Die Fälle
von Folter (2011 mehr als 1.300) und extralegalen Hinrichtungen (2011
mehr als 30) haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.
Es ist ein Trauerspiel, dass die Bundesrepublik und die EU eine Verteidigung
von Menschenrechten immer dann ausblenden, wenn es um eigene Interessen
geht. Der Grund hierfür in Bezug auf die kurdische Frage sind wirtschaftliche,
militärische und strategische Ziele in der Region Mittlerer Osten. Es
geht um die Sicherung der Ressourcen Öl, Gas und Wasser sowie um die Rolle
der Türkei als „Energiedrehscheibe“ für die Region und als NATO-Partner
mit der zweitgrößten Armee des militärischen Bündnisses.
Wir sind solidarisch mit den Forderungen der Hungerstreikenden. Nur ein
Dialog zwischen sämtlichen beteiligten AkteurInnen - der türkischen Regierung,
der BDP, der PKK sowie Abdullah Öcalan - kann in der kurdischen Frage
zu einer friedlichen Lösung führen.
Deshalb fordern wir die türkische Regierung auf, ihre auf Eskalation der
Gewalt beruhende Politik zu beenden. Sämtliche politischen Gefangenen,
einschließlich Abdullah Öcalan, müssen freigelassen werden, damit sofort
mit einem Friedensdialog begonnen werden kann.
Die Bundesregierung ist gefragt, entsprechenden politischen Druck auf
die türkische Regierung zu entfalten. Gleichzeitig muss die Repression
gegen politische tätige KurdInnen in Deutschland beendet werden. Die Ermächtigungen
des Justizministeriums für § 129b-Verfahren gegen KurdInnen müssen zurückgenommen
werden. Das PKK-Verbot gehört abgeschafft.
UnterzeichnerInnen:
Heidrun Dittrich, Mitglied des Bundestags (MdB), Die Linke
Andrej Hunko, MdB, Die Linke
Ulla Jelpke, MdB, Die Linke
Ingrid Remmers, MdB, Die Linke
Harald Weinberg, MdB, Die Linke
Ali Atalan, Mitglied des Landtags (MdL) NRW, Die Linke
Bärbel Beuermann, MdL NRW, Die Linke
Barbara Cárdenas, MdL Hessen, Die Linke
Cansu Özdemir, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Die Linke
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Yilmaz Kaba, Landesvorstand Die Linke Niedersachsen
Martin Dolzer, Soziologe
Prof. Dr. Werner Ruf - Friedensforscher
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