An die Presse und Öffentlichkeit

Polizeiterror bei Newrozfeierlichkeiten in Amed (Diyarbakir) und Istanbul

Durch die massiven Polizeiangriffe vor und während der Newrozfeierlichkeiten am vergangenen Sonntag auf die Bevölkerung von Amed und Istanbul, ist in Istanbul ein Mensch ums Leben gekommen. In Amed schwebt ein Neunjähriger weiterhin in Lebensgefahr. Er ist von einer Gasgranate, die von der Polizei flächendeckend eingesetzt wurden, getroffen worden.
Trotz des Verbotes und der Angriffe durch die Polizei versammelten sich in Amed rund eine Million Menschen auf dem zentralen Platz der Feierlichkeiten. In Istanbul glich der Bezirk Zeytinburnu, wo die Mengen ursprünglich beabsichtigten ihr Newrozfest zu begehen, durch Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den versammelten Menschen den ganzen Tag über einem Kriegsschauplatz.
In der Türkei und Nordkurdistan sollten die diesjährigen Newrozfeierlichkeiten am Sonntag den 18. März ihren Anfang nehmen. Geplant waren unter anderem Feierlichkeiten in Amed und Istanbul. Doch trotz fristgerechter und regelgetreuer Anmeldung, verboten die Gouverneure aus den jeweiligen Städten auf Befehl des türkischen Innenministeriums zwei Tage vor dem Start der ersten Newrozfeierlichkeiten alle Veranstaltungen vor dem 21. März 2012. Die scheinheilige Begründung lautete, man müsse jedes Fest an seinem Tag feiern. Die Vertreter der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) erklärten, dass sie diese Entscheidung als politisch motiviert ansehen und deshalb an ihrer bisherigen Planung festhalten werden. Laut BDP fürchteten die Verantwortlichen der AKP, dass die Bevölkerung am Newroztag, trotz aller Repression gegen alle kurdischen und oppositionellen Strukturen, mit einer überragenden Teilnahme an den Feierlichkeiten ein klares Zeichen gegen die repressive Politik der AKP-Regierung setzen würde. Deswegen versuche sie mit allen Mitteln das diesjährige Newrozfest zu sabotieren.
„Ihr habt hier heute die Politik des Staates durchbrochen. Auch mit gewaltigen Einschüchterungsversuchen kann man die Bevölkerung Kurdistans nicht zum Schweigen bringen!“, das waren am Sonntag die Worte des ehemaligen BDP-Co-Vorsitzenden Ahmet Türk vor rund einer Million versammelten Menschen in Amed. Um mit allen Mitteln die Bevölkerung von den Feierlichkeiten abzuhalten, hatte die Polizei zu dem angemeldeten Newrozfest in Amed vorsorglich Verstärkung aus vielen umliegenden Städten angefordert. Bereits in den Morgenstunden kam es überall in der Stadt zu Angriffen auf die sich versammelnde Bevölkerung. Trotz aller Angriffe konnte die Bevölkerung die Polizeiabsperrungen durchbrechen und am geplanten Ort der Feierlichkeiten zusammentreffen. Nach dem Durchbruch der letzten Absperrungen kamen binnen kürzester Zeit rund eine Million Menschen zusammen. Während der Angriffe der Polizei wurden allerdings dutzende Menschen verletzt und in umliegende Krankenhäuser eingeliefert. Der neunjährige M. D. befindet sich weiterhin in Lebensgefahr. Augenzeugen berichten, dass die Polizei erstmals in Amed aus ihren Polizeihubschraubern heraus mit Gasgranaten auf die Bevölkerung geschossen habe.
Der Tag in Istanbul war gestern ebenfalls von starken Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei geprägt. Die Menschen versammelten sich bereits in den frühen Morgenstunden im Bezirk Zeytinburnu, wo die Feierlichkeiten stattfinden sollten. Doch die Polizei hatte den Ort breiträumig abgeriegelt und griff die Bevölkerung an, sobald sie sich dem Festplatz näherten. So kam es über den ganzen Tag hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei. Durch die Angriffe auf die Bevölkerung wurde der BDP-Verantwortliche Haci Zengin (57) ermordet. Es kam laut Aussagen des Gouverneurs insgesamt zu 135 Festnahmen in Istanbul am gestrigen Tag.
Wir verurteilen diese Angriffe der Polizei auf die Bevölkerung das Schärfste. Es steht außer Frage, dass der Urheber dieses Angriffskonzeptes die AKP-Regierung ist, welche mit allen nur erdenklichen Mitteln versucht den Willen des kurdischen Volkes zu brechen. So sind die gestrigen Angriffe auf die Bevölkerung Teil eines breit angelegten Kriegskonzeptes gegen die kurdische Bevölkerung. Wer die gestrigen Angriffe auf das Newrozfest richtig verstehen will, muss sie im Kontext mit den rund 7000 politischen Gefangenen in der Türkei, der Totalisolation Abdullah Öcalans seit rund sieben Monaten, dem Massaker in Roboski mit 34 ermordeten Zivilisten und den systematischen Vergewaltigungsfällen von Kindern im Gefängnis von Pozanti betrachten.
Wir begrüßen zugleich den Widerstandsgeist der Bevölkerung, die trotz aller Repression am gestrigen Tag ihren Willen durchgesetzt hat und somit unter Beweis gestellt hat, dass sie sich von der Politik der AKP-Regierung nicht einschüchtern lässt. Auch die AKP dürfte, wenn sie gestern den Menschen gut zugehört hat, folgende Schlussfolgerungen aus der Haltung der Bevölkerung entnommen haben:
1. Das kurdische Volk wird zu keinem Zeitpunkt, auch nicht durch diese Unterdrückungspolitik, diese Gewalt und den täglichen Staatsterror, von ihrer Forderung nach Freiheit loslassen.
2. Das kurdische Volk wird trotz der Politik des Staates ihr eigenes Selbstverwaltungssystem – die Demokratische Autonomie – weiterentwickeln.
3. Das kurdische Volk wird sich zu keinem Zeitpunkt von ihrem Vorsitzenden Abdullah Öcalan wegreißen lassen und eine Lösung der Probleme ohne ihren Vorsitzenden niemals akzeptieren.
Aufgrund des gestrigen offenen Polizeiterrors gegen die Bevölkerung von Amed und Istanbul rufen wir die Presse und Öffentlichkeit in Deutschland dazu auf, die anstehenden Newrozfeierlichkeiten am 20. und 21. März in der Türkei und Nordkurdistan genauestens zu verfolgen.
Zudem rufen wir die demokratische und fortschrittliche Öffentlichkeit in Deutschland dazu auf, sich mit dem kurdischen Volk und ihren Forderungen zu solidarisieren und am 24. März an den Newrozfeierlichkeiten in Bonn teilzunehmen. Anwesend in Bonn wird auch die BDP-Co-Vorsitzende Gültan Kışanak sein. Falls PressevertreterInnen ein Interview mit Frau Kışanak wünschen, können sie sich an die unten stehende Kontaktadresse wenden.

Newrozfest- und Demonstration am 24. März in Bonn

Vor der Newrozfeier wird eine Demonstration stattfinden.
Die Demonstrationszüge werden an zwei Orten um 11 Uhr beginnen.
Der rote Zug wird am Fritz-Schroeder-Ufer / Bethovenallee
und der grüne Zug am Pützchens Markt beginnen.
Die Newrozfeier wird anschließend an die Demonstration zwischen 13 und 19 Uhr auf dem Freizeitpark am Landgrabenweg 151, 53227 Bonn stattfinden.

Rückfragen bitte an: Yüksel Koç, Vorsitzender von YEK-KOM - Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V., Tel: 017662895529 E-Mail: yukselkoc@gmx.de oder yekkom@gmx.net

Düsseldorf, 19.03.2012
YEK-KOM - Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.