Sehr geehrte
Damen und Herren,
Heute sind 43 Tage
vergangen, seit kurdische politische Gefangene in türkischen Gefängnissen
am 12. September 2012 in einen unbefristeten Hungerstreik getreten sind.
Ihr Gesundheitszustand ist erheblich beeinträchtigt und hat einen kritischen
Punkt erreicht. Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen unsere Sorge über
den Verlust zahlreicher Menschenleben mitteilen und Sie um Unterstützung
zur Verhinderung dessen bitten.
Wir möchten zunächst
einige kurze Informationen diesbezüglich geben:
Am 12. September 2012 begannen 63 kurdische politische Gefangene in 7
Gefängnissen der Türkei einen unbefristeten Hungerstreik.
Am 22. September, 10 Tage später, schlossen sich weitere 79 Gefangene
dem Hungerstreik an. Diese Zahl wächst stetig. Aktuell befinden sich 776
Inhaftierte und Verurteilte in 58 Gefängnissen im unbefristeten Hungerstreik,
unter ihnen auch die inhaftierten Abgeordneten des türkischen Parlaments,
Herr Faysal Sariyildiz und Frau Gülseren Yildirim, sowie der inhaftierte
Bürgermeister von Wan, Bekir Kaya.
Insbesondere der Gesundheitszustand der 142 Gefangenen, die Initial, im
Rahmen der ersten zwei Gruppen in den Hungerstreik getreten sind, ist
bedenklich und hat einen äußerst kritischen, lebensbedrohlichen Punkt
erreicht.
In einer Presseerklärung
deklarierten die Hungerstreikenden politischen Gefangenen folgende zwei
Forderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht von ihrem Vorhaben ablassen
werden:
1. Das Recht auf Bildung und Verteidigung in der Muttersprache
2. Ein Ende der Isolationshaft von Abdullah Öcalan im Gefängnis von Imrali,
die Konstitution der Bedingungen für einen Dialog und Verhandlungen
Sie werden zustimmen, dass
diese Forderungen von zahlreichen Kreisen der gesamten Gesellschaft, die
Frieden und eine demokratische Lösung fordern, in der Türkei Unterstützung
finden. Als BDP sind wir überzeugt, dass die kurdische Frage nur durch
Verhandlungen und Dialog gelöst werden kann. In diesem Zusammenhang erachten
wir die Forderungen als legitim und gerechtfertigt.
Aktuell gibt es zunehmend mehr Menschen in der Türkei, die die Aufhebung
von Barrieren und Hindernissen für Bildung in der Muttersprache fordern.
Diejenigen, die den Frieden und eine demokratische Lösung für die kurdische
Frage unterstützen, stimmen zu, dass Herr Öcalan eine Schlüsselfigur darstellt,
die Isolation beendet werden muss und Verhandlungen zur Beendigung des
Konfliktes begonnen werden müssen.
Seit mehr als 13 Jahren ist Herr Öcalan in einer 13 qm großen Zelle auf
der Insel Imrali inhaftiert und wird seit 14 Monaten einer strengen Isolationshaft
unterzogen. Während die Isolation eines politischen Gefangen eine Verletzung
von grundlegenden Menschenrechten darstellt und gegen geltendes Recht
verstößt, erschwert es ebenso eine Lösung für die kurdische Frage. Denn
ein großer Teil des kurdischen Volkes erachtet Herrn Öcalan als ihren
politischen Repräsentanten.
Wir möchten betonen, dass selbst
bei Betrachtung aus der Perspektive der AKP-Regierung erkennbar ist, dass
diese zwei Forderungen leicht zu erfüllen sind. Denn die AKP-Regierung
hat, sowohl in der Türkei als auch in Europa, der Öffentlichkeit versprochen,
große politische Reformen zur Lösung der kurdischen Frage einleiten zu
wollen. Zudem ist bekannt, dass zuvor Verhandlungen zwischen Herrn Öcalan
und staatlichen Funktionären stattgefunden haben. Der Ministerpräsident
erklärte, „mit Herrn Öcalan erneut zu sprechen, sofern es Ihrerseits als
notwendig erachtet wird“. Dann sollten sobald wie möglich weitere Schritte
folgen. Worauf wird gewartet?
Die Verhaftungswelle, die 2009 begann und sich gegen kurdische Politiker
und Unterstützer der Forderungen von Kurden nach einer friedlichen und
demokratischen Lösung richtete, wird ununterbrochen fortgesetzt. BDP-Funktionäre,
Ratsmitglieder, Parlamentarier, Gewerkschaftler, Menschenrechtsaktivisten,
Journalisten, Rechtsanwälte, Studenten, alle diejenigen, die sich für
die fundamentalen Rechte und Freiheiten des kurdischen Volkes einsetzen,
wurden inhaftiert. Aktuell gibt es mehr als 8000 kurdische politische
Gefangene in den türkischen Gefängnissen, unter ihnen 6 Abgeordnete der
Partei für Frieden und Demokratie BDP. Sie warten auf Gerechtigkeit. Bedauerlicherweise
wird ihnen auch das Recht auf Verteidigung in der Muttersprache verwehrt.
Dies ist Willkürherrschaft.
776 kurdische politische Häftlinge befinden sich im Hungerstreik „für
das Recht auf Verteidigung in der Muttersprache, für Frieden, für eine
Lösung, für einen Dialog und Verhandlungen“. Diese Zahl steigt stetig.
Die Gefangenen, die sich von Beginn an am Hungerstreik beteiligten, sind
an einem lebensbedrohlichen Punkt angekommen. Dieser Hungerstreik ist
ein Aufschrei der Nation und dieser fordert „höre unsere Stimme, um Verfolgung
und Tod zu stoppen“.
Wir hoffen, dass die internationale Öffentlichkeit und entsprechende Entscheidungsträger,
wie Sie es sind, dem Aufruf der im Hungerstreik befindlichen kurdischen
politischen Gefangenen und des kurdischen Volkes Aufmerksamkeit schenken.
Internationale Achtsamkeit würde die AKP-Regierung anspornen, Schritte
in Richtung einer friedlichen und demokratischen Lösung einzuleiten. Wir
möchten betonen, dass dies eine äußerst kritische Phase im Mittleren Osten,
insbesondere in der Türkei ist. Ihr Beitrag zu einer Lösung der kurdischen
Frage und Frieden ist daher von historischer Bedeutung.
In der Hoffnung, dass Sie diese
zwei legitimen grundlegenden Forderungen einer Nation unterstützen, verbleiben
wir
mit freundlichen Grüßen
Gültan KIŞANAK Selahattin DEMİRTAŞ
Co-Vorsitzende der Partei für Frieden und Demokratie BDP
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