Pressemitteilung:
51.Tag des Hungerstreiks – AKP-Regierung widerspricht sich selbst
Heute
ist der 51. Tag des Hungerstreiks der politischen Gefangenen in den Gefängnissen
der Türkei und Kurdistans. Im Rahmen seines Deutschlandbesuchs kam der
türkische Ministerpräsident Erdogan gestern in Berlin auf den Hungerstreik
zu sprechen. Nach dem eineinhalb-stündigen Treffen zwischen Herrn Erdogan
und Frau Merkel behauptete der türkische Ministerpräsident auf die Nachfrage
eines Journalisten, dass sich gegenwärtig in der Türkei lediglich eine
Person im Todesfasten befinde. „Aktuell gibt es keinen Hungerstreik oder
etwas Ähnliches. Das ist nichts weiter als eine Farce. Ohnehin hat mehr
als die Hälfte von ihnen erklärt, dass sie vom Hungerstreik ablassen“,
erklärte Erdogan.
Während Erdogan in Berlin der Öffentlichkeit diese Informationen zum Hungerstreik
gab, erhielt die deutsche Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
die sich zur gleichen Zeit zu einem Besuch in Ankara befand, von ihrem
türkischen Amtskollegen Sadullah Ergin eine andere Auskunft zum Hungerstreik.
Ergin erklärte ihr gegenüber, dass sich in 66 verschiedenen Gefängnissen
gegenwärtig 683 Gefangene im Hungerstreik befinden würden.
Der Co-Vorsitzende der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) Selahattin
Demirtas kritisierte unterdessen die Aussage des türkischen Ministerpräsidenten
und bezeichnete seine Haltung als unmoralisch. „Er versucht mit diesen
Aussagen zu unterbinden, dass die Öffentlichkeit anfängt sich zu fragen,
weshalb diese Menschen wohl in den Hungerstreik getreten sind“, so Demirtas.
Zudem gab der BDP-Co-Vorsitzende an, dass die Regierung neben dem Bericht
des Justizministeriums auch über Berichte von Ärzten und des Geheimdienstes
verfüge, welche die Existenz und das Ausmaß des Hungerstreiks bestätigen.
Der Hungerstreik wurde am 12. September in den Gefängnissen der Türkei
zunächst von 63 politischen Gefangenen begonnen. Die zentralen Forderungen
des Hungerstreiks lauten: Aufhebung der Isolationshaftbedingungen gegen
Abdullah Öcalan, die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit und
Freiheit, sowie die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache – einschließlich
des Rechtes auf Bildung in der kurdischen Muttersprache und die Aufhebung
jeglicher Assimilationspolitik gegen KurdInnen. In der darauffolgenden
Tagen und Wochen schlossen sich hunderte weitere politische Gefangenen
dem Hungerstreik an, sodass ihre Zahl mittlerweile auf über 700 gestiegen
ist. In einer schriftlichen Erklärung von gestern bestärkte der Sprecher
der Hungerstreikenden Deniz Kaya erneut, dass sie bis zur Erfüllung ihrer
Forderungen durch die türkische Regierung an ihrer Aktion festhalten werden,
und bereit seien, den Tod in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig warnte Kaya
die AKP-Regierung, dass bei dem kleinsten Versuch einer gewaltsamen Intervention
gegen die Hungerstreikenden sich die Zahl der Teilnehmenden binnen kürzester
Zeit auf über 10 000 erhöhen werde. In den vergangenen Tagen hatte unter
anderem der Oberstaatsanwalt von Amed (Diyarbakir) damit gedroht, die
Hungerstreikenden anzugreifen, sobald diese ihr Bewusstsein verlieren
würden.
In den vergangenen Tagen kam es aufgrund des Hungerstreiks in zahlreichen
Städten Kurdistans und der Türkei bei Solidaritätsdemonstrationen und
-kundgebungen zu schwersten Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen
und der Polizei. Trotz verhängten Versammlungsverboten versammelten sich
in vielen Städten zehntausende Menschen, um die Forderungen der Hungerstreikenden
zu teilen und die AKP-Regierung zum Handeln zu bewegen. Die BDP hat nun
erneut für den 3. November zu einer Solidaritätskundgebung mit den Hungerstreikenden
in die Stadt Amed (Diyarbakir) aufgerufen. Auch in vielen Städten in Deutschland
und Europa kam es in den letzten Tagen und Wochen regelmäßig zu Solidaritätshungerstreiks,
Demonstrationen und Kundgebungen, um auf die Situation und die Forderungen
der Hungerstreikenden aufmerksam zu machen. Diese Aktivitäten zur Durchsetzung
der legitimen Forderungen der Gefangenen werden auch hier weiter anhalten.
Für weitere Informationen und
Rückfragen stehen wir gerne unter der Nummer 069 84772084 zur Verfügung.
01.11.2012
Civaka Azad - Kurdisches
Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.
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