An die Presse und Öffentlichkeit Türkei unterstützt dschihadistische Gruppe im Kampf gegen die Kurden In der, in den kurdischen Gebieten Syriens liegenden, Stadt Serêkanîyê (arab.: Ras al-Ain), zugleich auch Grenzstadt zur Türkei, finden seit dem 8. November wichtige Entwicklungen statt. Serêkanî beherbergt als multikulturelle Stadt verschiedene Volksgruppen wie Kurden, Araber, Assyrer und Tscherkessen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze liegt auf türkischem Staatsgebiet die im Kurdischen gleichnamige Stadt Serêkanîyê (türk.: Ceylanpınar). Von dort aus überschritten die Al-Qaida zugehörigen bewaffneten islamistischen Gruppen Guraba El Sham, Al-Nusra-Front und Al-Tewhid-Front die Grenze und drangen in Serêkanîyê auf syrisches Staatsgebiet vor. Die Mitglieder der genannten Gruppen sind in ihrer Mehrheit keine Syrer, sondern ausländische Dschihadisten. Die Freie Syrische Armee (FSA) erklärte, diese Gruppen gehörten nicht in ihre Reihen. Kommandozentrale und logistisches Zentrum dieser Gruppen liegen in der Türkei, die diese beherbergt und ihnen jegliche Waffen- und Logistikausrüstung zur Verfügung stellt. Nach ihrem Eindringen in die Stadt Serêkanîyê lieferten sich diese Gruppen zunächst Gefechte mit dem syrischen Militär, anschließend verschanzten sie sich im arabischen Viertel der Stadt und versuchten, in die kurdischen Stadtviertel vorzudringen. Um die Situation zu schlichten, wollte der kurdische Volksratsvorsitzende von Serêkanîyê, Abid Xelîl, am 19. November mit den Gruppen Gespräche führen. Doch diese eröffneten das Feuer, wodurch Xelîl und eine weitere Person ums Leben kamen sowie drei Menschen verletzt wurden. Infolgedessen kam es zwischen den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und den dschihadistischen Gruppen zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Als Letztere während der Gefechte in Schwierigkeiten gerieten, erhielten sie von der türkischen Seite Unterstützung durch Beschuss mit Kurzstreckenraketen. Sie wurden die gesamte Zeit über von der Türkei in jeglicher Form unterstützt; ihre Verletzten brachten sie über die Grenze in die Türkei. Trotz allem sind die Mitglieder dieser Gruppen aus weiten Teilen der Stadt vertrieben worden, allein in einigen Stadtvierteln in unmittelbarer Nähe zur türkischen Grenze sind einige verblieben. Durch Vermittlung arabischer Clan-Führer herrscht aktuell Waffenstillstand. Doch sollten die Gruppen erneut personellen Nachschub aus der Türkei erhalten, könnten die Auseinandersetzungen jederzeit wieder losbrechen. Die türkische Syrienpolitik beruht ausschließlich auf einer antikurdischen Haltung. Bis vor zwei Jahren gingen die Türkei und Syrien dabei noch zusammen und verfolgten die Kurden gar mit gemeinsamen Operationen. Tayyip Erdoğan und Baschar al-Assad spazierten Arm in Arm und ihre Familien flogen gemeinsam in Urlaub. Gemeinsamer Nenner war ihre antikurdische Position. Als jedoch in Syrien die Proteste aufflammten, spekulierte die Türkei auf einen frühzeitigen Fall des Regimes und nahm Partei für die Opposition. Ihr Ziel dabei war, die möglichen neuen Machthaber auf eine gemeinsame antikurdische Politik einzustimmen. Allerdings ist das Regime in Syrien immer noch nicht gefallen. Und die Kurden haben ihre eigene Machtposition ausgebaut und damit begonnen, ihre eigenen Gebiete selbst zu verwalten. Auch aufgrund dessen sind die kurdischen Gebiete in Syrien bisher weitgehend ruhig. Viele Menschen aus Syrien, die vor den Auseinandersetzungen geflohen sind, haben Zuflucht in den kurdischen Gebieten des Landes gefunden. Die Türkei fühlt sich dadurch gestört. Sie will am liebsten Unruhe stiften in den kurdischen Gebieten und die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung eliminieren. Dafür sammelt sie salafistische und andere islamistische Gruppen, die mit Al-Qaida in Verbindung stehen, aus dem Ausland, bewaffnet sie und schickt sie in die kurdischen Gebiete. Hinter den Entwicklungen in Serêkanîyê steckt ausschließlich die Türkei. Dasselbe versuchte sie in der kurdischen Stadt Kobanî (Ayn El-Arab), ist jedoch gescheitert. Aber die Türkei und die dschihadistischen Gruppen haben nicht von ihrem Vorhaben abgelassen. Die Türkei betreibt inner- wie außerhalb ihrer Grenzen eine antikurdische Politik. Das ist die Ursache der vorliegenden Problemsituation. Eine der Hauptsorgen der Türkei, die ihre Syrienpolitik maßgeblich beeinflusst, sind die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung. Gleichzeitig darf in der Politik der Türkei aber auch nicht die sunnitisch ausgerichtete religiöse Annäherungsweise außer Acht gelassen werden. Auch wenn die Ansichten der AKP nicht mit denen der islamistischen und dschihadistischen Gruppen gleichgesetzt werden können, weisen doch beide Lager gewisse Ähnlichkeiten auf. Deshalb hat die Türkei auch von Anfang an mit der Gruppe Ihvan El Muslimun (Muslimbrüder) gearbeitet, sie innerhalb der syrischen Opposition stark gemacht, war ihr dabei behilflich, ihr Zentrum in die Türkei zu verlagern, und hat ihr auch sonst jedwede Unterstützung gewährt. Nun will die Türkei das Patriot-Raketenabwehrsystem der NATO. Diese hat darauf positiv reagiert. Das Raketenabwehrsystem soll an der syrisch-türkischen Grenze errichtet werden. Dabei vermag die syrische Armee weder die Türkei anzugreifen, noch stellt sie eine Gefahr dar. Daher entspricht es nicht der Realität, wenn behauptet wird, dieses Abwehrsystem sei zur Verteidigung der Türkei gedacht. Es dient allein dem Zweck, eine Pufferzone zwischen der Türkei und Syrien zu schaffen. Bekanntlich leben im Norden Syriens die Kurden. Die Türkei will nun eine von ihr kontrollierte Pufferzone, um dort die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung zunichtemachen zu können. Das Gebiet, in dem das Patriot-Raketenabwehrsystem errichtet werden soll, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Orten der Auseinandersetzungen. Nach dem Aufbau des Raketenabwehrsystems wird die Türkei den Luftraum über den Gebieten der Aufständischen und der Kurden weitgehend kontrollieren. Mit den Patriot-Raketen können die Aufständischen gegen syrische Kampfflugzeuge geschützt werden, was die Vorbedingungen für eine allgemeine Flugverbotszone schafft. Dadurch werden für die Türkei zugleich auch die Bedingungen für eine eigene Intervention in der Region oder für eine effektivere Unterstützung der islamistischen Gruppen geschaffen, damit diese die Kontrolle über die kurdischen Gebiete erlangen können. Dafür wird die Türkei alles in ihrer Macht Stehende in Bewegung setzen. Das ist die Annäherungsweise der Türkei und deshalb hat sie von der NATO das Patriot-Raketenabwehrsystem verlangt. Wie man es auch dreht und wendet, die Syrienpolitik der Türkei sorgt in der Region für neue Probleme. Sollte sie damit erfolgreich sein, wird das zu einem langjährigen Bürgerkrieg in Syrien, zu einem zweiten Libanon für die Region und zu einem neuen Afghanistan für die Dschihadisten führen. Das ist offensichtlich für niemanden hilfreich und verkompliziert die Probleme nur noch. Doch eine einfache Akzeptanz des aktuellen Regimes, des Status quo, um ein solches Szenario zu unterbinden, ist genauso wenig richtig und sinnvoll. Wir halten daher eine Lösung für angebracht, bei der auf der Grundlage einer klaren Distanzierung von einer militärischen Intervention ein politischer Dialog für den Aufbau eines demokratischen Syriens begonnen werden sollte, der keine politische, religiöse oder ethnische Gruppe ausschließt. Ein solcher Dialog sollte von allen Kreisen unterstützt werden. In diesem Rahmen rufen wir alle Kräfte und die aufgeklärte Öffentlichkeit dazu auf, der aggressiven, antikurdischen und religiös motivierten Haltung der Türkei gewahr zu werden und sich ihr entgegenzustellen und stattdessen für eine politische Lösung einzutreten. Nationalkongress Kurdistan
(KNK), Exekutivrat
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