Die Morde von Paris müssen sofort aufgeklärt werden In Paris richteten unbekannte Täter am Abend des 9. Januar die kurdischen Exilpolitikerinnen, Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez mit Kopfschüssen kaltblütig hin. Nach einer Abschiedsfeier mit Hunderttausenden Teilnehmern in der kurdischen Metropole Diyarbakir wurden sie nun in ihren Geburtsstädten in der Türkei und Kurdistan beerdigt. Wir trauern mit den Familien und der kurdischen Bevölkerung um die drei Frauen, die sich intensiv für die Frauenbefreiung, den interkulturellen Dialog und eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage eingesetzt haben und deshalb zur Zielscheibe dieses gezielten politischen Mordes wurden. Anzunehmen ist, dass die Täter den derzeitigen Friedensdialog torpedieren wollten, der zwischen Vertretern der türkischen Regierung und Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali wieder aufgenommen wurde. Dieser Dialog sollte trotz des Anschlags auf jeden Fall fortgesetzt werden. Dass Vertreter der AKP Regierung und ein Teil der Medien des Landes die These einer parteiinternen Abrechnung innerhalb der PKK und einen Anti-Terrorismusdiskurs und nicht das Mitgefühl mit den Hinterbliebenen sowie eine schnelle Aufklärung des Verbrechens ins Zentrum ihrer Äußerungen stellen, ist verantwortungslos, zynisch und für eine Friedensperspektive kontraproduktiv. Auch die erneuten völkerrechtswidrigen Luftangriffe auf vermeintliche Guerillastellungen in den Kandilbergen verhindern die Erfolgsaussichten eines Dialogs. Die französische Regierung ist jetzt gefragt die gezielten politischen Morde sofort aufzuklären. Aus Gerichtsverfahren gegen kurdische AktivistInnen in Paris ist bekannt, dass das Kurdistan Informationszentrum, in dem die drei Frauen ermordet wurden, wie auch führende kurdische AktivistInnen in Paris, 24 Stunden am Tag observiert werden. Insofern ist naheliegend, dass die Täter im Tatzeitraum seitens französischer Sicherheitskräfte wahrgenommen oder dokumentiert worden sein müssen. Bereits 2011 wurden Berichten zufolge Hinrichtungskommandos aus türkischen Regierungskreisen nach Europa entsandt, um führende Exilpolitiker ermorden zu lassen. Remzi Kartal (Vorsitzender des Kontra-Gel), Haci Ehmedi (Vorsitzender der iranischen PJAK) und Zübeyir Aydar (Mitglied des KCK-Exekutivrates) waren deren Ziele. Die deutsche und die belgische Polizei hatten aufgrund der Ernsthaftigkeit der Bedrohung Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Polizeiangaben zufolge wurden folglich zwei Hinrichtungskommandos festgenommen. In Belgien teilte die Polizei kurdischen Exilpolitikern 2012 in Charleroi mit, dass ein Attentat auf sie vereitelt worden sei. In diesem Zusammenhang und im Bewusstsein der engen Zusammenarbeit des französischen und weiterer europäischer Geheimdienste mit dem türkischen Geheimdienst ist fraglich, ob und inwieweit ein unbemerktes Vorgehen der Mörder von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Frankreich überhaupt möglich war – und inwieweit die jeweiligen Geheimdienste von den Anschlagsplänen wussten oder in das Geschehen verstrickt sind. Nach Informationen des Spiegel ermittelte die deutsche Justiz gegen zwei der ermordeten Frauen nach dem berüchtigten Paragraph 129b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung). Dieser Paragraph besagt, dass die Beschuldigten sich im Inland keiner Straftat schuldig gemacht haben müssen. Sie werden vielmehr allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer aufgrund außenpolitischer Interessen der Bundesregierung als „terroristisch“ erklärten Gruppierung irgendwo auf der Welt verfolgt werden. Ein von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichtes Dokument der US-Botschaft in Ankara aus dem Jahr 2007 benennt die als „Finanzexpertin“ und „Strategin“ bezeichnete Sakine Cansız als „Topziel“, das es auszuschalten gilt. Europäische Behörden sollten demnach veranlasst werden, Cansız „einzukerkern“. Um derartige Morde zukünftig zu verhindern, muss seitens der Bundesregierung der Dialog mit kurdischen ExilpolitikerInnen und Migrantenselbstorganisationen gesucht werden, anstatt diese zu kriminalisieren. In einem solchen Dialog können u.a. Perspektiven des Lebens kurdischer MigrantInnen in der Bundesrepublik und Wege zur Unterstützung des erneut begonnenen Friedensdialogs Thema sein. In diesem Rahmen sollte aber auch der Schutz der kurdischen ExilpolitikerInnen in der Bundesrepublik diskutiert werden. „Der vor den Morden neu begonnene Dialog muss weiter gehen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass der türkisch-kurdische Konflikt nur friedlich und politisch und nicht in den Kategorien von Terrorismus und Anti-Terrorismus gelöst werden kann. Ein Dialog kann nur erfolgreich sein, wenn auf die Doppelstrategie von gleichzeitiger Repression und Eskalation der Gewalt verzichtet wird.“ fordert Andrej Hunko, MdB und Mitglied in der parlamentarischen Versammlung des Europarats. „Die Regierungen der Bundesrepublik und Frankreichs sind jetzt gefragt die Kriminalisierung der politisch Tätigen KurdInnen zu beenden, um ein positives Signal zu setzen. Die Terrorstigmatisierung gegenüber den KurdInnen hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass eine solche politische Hinrichtung geschehen konnte,“ bekräftigt Ingrid Remmers, MdB Die Linke. „Diese Morde an Sakine Cansız und ihren Freundinnen zielen auch auf die Einschücherung der mutigen kurdischen Frauen, die seit langem einen Zweifrontenkampf gegen Krieg und Kolonialismus einerseits und die patriarchalen und feudalen Strukturen der kurdischen Gesellschaft andererseits führen“, erklärt die innenpolitsche Sprecherin der Fraktion Die Linke, Ulla Jelpke. „Die machtvollen Trauerkundgebungen in Paris und Diyarbakir haben aber eindrucksvoll gezeigt, dass sich die kurdischen Frauen nicht entmutigen lassen. Ihnen gebührt höchster Respekt.“ „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung ihre Erkenntnisse über die Aktivitäten des tiefen Staates der Türkei in Europa unter Verschluss hält. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf meine diesbezügliche Frage geht zudem hervor, dass man nicht bereit ist für die Sicherheit kurdischer Politikerinnen und Politiker Sorge zu tragen. Statt dessen wird die Verantwortung hierfür fadenscheinig den Bundesländern zugewiesen," erklärt Sevim Dagdelen, MdB Die Linke. „Die Trauer der Verwandten ist unermesslich. Mit unseren Herzen sind wir bei Ihnen. Am Donnerstag haben auf einer Trauerfeier in Diyarbakir Hundertausende zum Ausdruck gebracht, dass sich die Idee des menschenwürdigen Zusammenlebens, der Geschwisterlichkeit und einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage, für die sich die drei ermordeten Frauen einsetzten, nicht hinrichten lässt,“ so Cansu Özdemir, Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, Die Linke, aus Diyarbakir. „Im Mittleren Osten werden zur Zeit Verteilungskriege um Ressourcen und Macht geführt. Einige Kräfte sind offensichtlich bereit die emanzipatorische und selbstbewusste kurdische Bewegung mit allen Mitteln zu bekämpfen, da sie nicht instrumentalisierbar ist, die Fähigkeit hat die Bevölkerung basisdemokratisch zu organisieren und in die Gestaltung der Gesellschaft einzubeziehen und die Frauengleichberechtigung zu verwirklichen,“ so der Soziologe Martin Dolzer. „Die Morde an den kurdischen Exilpolitikerinnen in Paris erinnern an extralegale Hinrichtungen zu Zeiten des Schmutzigen Krieges in der Türkei in den 1990er Jahren sowie die gezielte Tötung von OppositionspolitikerInnen, wie sie von militärischen und geheimdienstlichen Organen auch aus Staaten, die sich demokratisch definieren, ausgeführt werden. Ich fordere die sofortige Aufklärung der politischen Morde und eine Bestrafung der Täter,“ ergänzt Heidrun Dittrich, MdB Die Linke. Sevim Dagdelen, MdB Die Linke |