Mord
an kurdischen Frauen in Paris
Erfolgreiche
Fehlinformation
Wir trauern um die
in Frankreich aufgewachsene Kurdin Rojbin' Fidan Dogan, die im Alter von
30 Jahren gemeinsam mit dem Sakine Cansiz und Leyla Söylemez am 9. Januar
2013 in Paris ermordet wurde. ,Rojbin' hatte ihren Anteil daran, dass
zwei große Hungerstreiks im letzten Jahr kein tragisches Ende genommen
haben, sondern eine Tür zu Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung
und der kurdischen PKK geöffnet haben. Rojbins Freunde und Kollegen, die
sich in der französischen Öffentlichkeit und bei den in Brüssel und Straßburg
ansässigen europäischen Institutionen auf die Menschenrechtslage der Kurden
in der Türkei aufmerksam machen, sind durch ihren Tod geschockt.
Die französischen Behörden haben inzwischen den oder einen der mutmaßlichen
Täter gefasst. Gerechtigkeit ist den drei ermordeten Frauen damit aber
noch nicht getan. Die Vertreter der türkischen Regierung haben es verstanden,
zu einem Zeitpunkt, an dem noch keinerlei Ermittlungsergebnisse vorliegen
konnten, die Berichterstattung in den französischen und deutschen Medien
durch Vermutungen, Gerüchte und Fehlinformationen zu leiten. Das berühmteste
der drei Opfer, Sakine Cansiz, genießt unter vielen Kurden großes Ansehen.
Als Mitgründerin der PKK war sie während ihrer 12-jährigen Inhaftierung
brutaler Folter ausgesetzt. In der Berichterstattung werden jedoch nicht
nur alle drei Frauen fälschlicherweise als PKK-Mitglieder bezeichnet.
Auch der nun mutmaßliche Mörder, Ömer Güney, wird als Kurde und PKK-Mitglied
dargestellt.
Der 30-jährige Güney stammt jedoch aus der zentralanatolischen Provinz
Sivas, eine Hochburg der rechtsradikalen und kurdenfeindlichen MHP-Partei.
Und obgleich inzwischen sowohl Führungspersonen der PKK als auch Güneys
Familienangehörige jegliche Verbindungen des Täters zur PKK bestritten
haben, begnügt sich die Mehrheit der mit dem Thema betrauten Journalisten
damit, die These der türkischen Regierung nach einer blutigen Abrechnung
oder eines Machtkampfs innerhalb der verbotenen Kurdenorganisation blind
zu übernehmen.
Man kann davon ausgehen, dass die weiteren Ermittlungen der französischen
Justiz für wenigstens teilweise Aufklärung sorgen werden. Den in Belgien
lebenden kurdischen Exilpolitikern, die dem mit dem Mord von Paris begründetes
Abkommen zur verstärkten polizeilichen Zusammenarbeit und vereinfachten
Auslieferung zum Opfer fallen werden, wird dies jedoch wenig nutzen.
Es wird viel Druck und Aufklärungsarbeit brauchen, um Rojbin Fidan Dogan,
Sakine Cansiz und Leyla Söylemez und ihren Freunden Gerechtigkeit teilwerden
zu lassen. Denn das Mindeste was die drei Frauen verdienen, ist dass die
Öffentlichkeit aufgeklärt wird - über das Leben, die Leistungen und die
Überzeugungen der Aktivistinnen. Und über die Mitwisser und Auftraggeber
des Mordes.
GUE/NGL, 24.01.2013
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