Bündnis Freiheit für Ali Ihsan und Azadî e.V. Urteil im § 129b Prozess gegen Ali Ihsan Kitay: 2 Jahre und 6 Monate HaftAli Ihsan Kitay wurde gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen
In dem im August 2012 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg begonnenen Prozess gegen den kurdischen Politiker Ali Ihsan Kitay wurde am Mittwoch, den 13. Februar, das Urteil gesprochen. Die RichterInnen befanden den 47-jährigen Kurden schuldig, in den Jahren 2007 und 2008 die kurdische Arbeiterpartei PKK in Norddeutschland geleitet zu haben. Gegen Kaution wird Kitay bis zur Entscheidung über die Revision aus der Untersuchungshaft entlassen. Straftaten in Deutschland werden dem nach Paragraph 129b Strafgesetzbuch (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) Angeklagten nicht vorgeworfen. Bei diesem Prozess handelt es sich eindeutig um ein politisch motiviertes Pilotverfahren. Vier weitere Kurden stehen in Stuttgart, Düsseldorf und Berlin ebenfalls gemäß §129b vor Gericht, in zwei weiteren „Fällen“ wurde bereits Anklage erhoben. Erste Grundsatzentscheidungen wurden heute getroffen – in einigen der Verfahren drohen weit höhere Strafen. Gericht sieht Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen als erwiesen an Das zunächst milde wirkende Zeitmaß des Urteils begründeten die fünf RichterInnen des OLG Hamburg mit der persönlichen Lebensgeschichte Ali Ihsan Kitays. Insbesondere die in 20 Jahren Haft in der Türkei erlittene Folter und seine persönliche Motivation, gegen kontinuierliche Unterdrückung Widerstand leisten zu müssen, um Überleben zu können, wären dafür maßgeblich gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung. Auch die im Verfahren von der Verteidigung und Kitay selbst geschilderte Assimilationspolitik, die anhaltende Folterpraxis, Kriegsverbrechen, Fälle von Verschwindenlassen sowie die anhaltende systematische Unterdrückung der kurdischen Kultur in der Türkei, die die RichterInnen als erwiesen ansehen, hätten sich strafmildernd ausgewirkt. „Zum Teil hatten wir den Eindruck die Türkei sitzt hier vor Gericht“, bemerkte der Vorsitzende Richter diesbezüglich. Das OLG zog daraus nicht die notwendigen Schlussfolgerungen. Widerstand der PKK und das Völkerrecht Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche hatten die AnwältInnen Kitays ihr Plädoyer gehalten. Sie forderten Freispruch für ihren Mandanten. Anwältin Cornelia Ganten Lange erklärte, die Verteidigung habe belegt, dass der türkische Staat seit seiner Gründung eine systematische, rassistische Unterdrückungs- und Kolonialpolitik gegenüber den Kurden umsetze. „Dadurch wird ihnen das Selbstbestimmungsrecht vorenthalten. Man kann von Staatsterrorismus sprechen.“ Um Widerstand gegen dieses gravierende Unrecht zu leisten, sei der Widerstand der PKK nach völkerrechtlichen Gesichtspunkten legitimiert. Unter anderem in Artikel 1. Absatz 4 Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen sei geregelt, dass die HPG (Volksverteidigungskräfte – die Guerilla der PKK) in einem solchen Fall das Kombatantenprivileg genieße und legitimiert sei, sich auch bewaffnet zu wehren. Dieser Argumentation wollte das Gericht nicht folgen. Ohne es hinreichend begründen zu können, sprachen die RichterInnen der kurdischen Bevölkerung das Recht sich gegen kontinuierliche Unterdrückung zu wehren ab. Artikel 1. Absatz 4 Zusatzprotokoll gelte in einigen Ländern Afrikas, nicht jedoch in Kurdistan. Hier würde keine rassistische Unterdrückung stattfinden. Die RichterInnen hatten im Verfahren keine Sachverständigen zu den völkerrechtlichen Aspekten oder der Situation in der Türkei geladen. Dementsprechend konnten sie ihre diesbezügliche Einschätzung auch nicht hinreichend begründen. TAK gleich PKK – Äpfel gleich Birnen – Terrorbild in Aktenzeichen XY Manier Die Bundesanwaltschaft hatte ihr Plädoyer am Dienstag, den 29. Januar gehalten. Die PKK sei eine terroristische Organisation im Ausland und habe hauptsächlich Mord und Totschlag als Ziel. Kitay habe als leitender Kader Demonstrationen organisiert, Spenden gesammelt, Treffen einberufen und einen Grillwagen von Kiel nach Hamburg beordert. Auf dieser Grundlage forderte die Bundesanwaltschaft (BAW) drei Jahre und sechs Monate Haft. Um eine tiefer gehende Beschäftigung mit der politischen Entwicklung und den inhaltlichen Zielen der PKK zu umgehen, bezeichnete das OLG die Stadtguerillaorganisation TAK (Freiheitsfalken Kurdistans) als Unterorganisation der PKK. Die Distanzierungen der PKK von der Politik und den Anschlägen der Stadtguerillaorganisation TAK, bei denen auch immer wieder ZivilistInnen getötet werden, seien zumindest bis 2010 nur taktisch gewesen, so die Argumentation der RichterInnen. Selbst der für die TAK zuständige Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) wollte im Verfahren nicht so weit gehen: „Es gibt Indizien, dass die TAK eine Unterorganisation der PKK sein könnte,“ so seine Aussage. Gut eine Stunde verlasen die RichterInnen Berichte von Anschlägen der TAK – die hauptsächlich die städtische Front der PKK im Westen der Türkei sei. In diesem längsten Abschnitt der Urteilsbegründung sollte offenbar nach bester Aktenzeichen XY Manier die Orientierung der PKK auf Mord und Totschlag festgeschrieben werden. Europäische Türkeiexperten sowie der Berater des ehemaligen türkischen Regierungschefs Turgut Özal, Cengiz Candar, betonen dagegen die unterschiedlichen politischen Ziele von TAK und PKK. Die Verteidigung zitierte im Prozess Dokumente, die die organisatorische Unabhängigkeit der TAK belegen. Auch Wikileaks veröffentlichte in den „Global Intelligence Files“ eine E-Mail der oft als Privatableger der CIA bezeichneten Agentur Stratfor, in der eine Quelle aus dem Nordirak diese Einschätzung bestätigt. Deren Vorgehen erinnere von der Rhetorik und der Anschlagspraxis eher an die Methoden des „Tiefen Staates“, heißt es dort. Der Grill des Terrors Das OLG sieht als erwiesen an, dass Ali Ihsan Kitay eine leitende Funktion für die Region Hamburg und Nord in der PKK einnahm, da er Demonstrationen (darunter das zum Weltkulturerbe gehörende Newrozfest) organisiert, Spenden gesammelt und immer wieder Streit geschlichtet habe. Telefonüberwachungen hätten gezeigt, dass er dies in leitender Funktion getan hätte. Den Grillwagen, den Kitay von Kiel nach Hamburg „bestellt“ hatte, der beim Anhören der Telefonüberwachung im Prozess lange Zeit eine Rolle spielte, sparte das Gericht aus. In einem Artikel der taz mit dem Titel „Grill des Terrors“ war die Absurdität des Anklagekonstruktes ohne realen Vorwurf treffend beschrieben worden. Ali Ihsan Kitay ist in einem Schauprozess zum Objekt politisch motivierter Interessen geworden, da gerade jetzt eine derartige Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden mit der Möglichkeit eines höheren Strafmaßes gewünscht ist, erklärt das Bündnis Freiheit für Ali Ihsan. Wir freuen uns mit Ali Ihsan, dass er vorerst „freigelassen“ wurde und fordern weiterhin – „Freiheit für alle politischen Gefangenen.“ Dass die RichterInnen das Verständnis gegenüber Ali Ihsan Kitay, der sehr eindrücklich die Unterdrückung der gesamten kurdischen Bevölkerung und die Dialogorientierung der kurdischen Bewegung sowie der PKK an seinem Schicksal verdeutlichte, nicht auf die völkerrechtliche Ebene anwenden ist außenpolitischen sowie geostrategischen Interessen in der Türkei und Kurdistan geschuldet. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne auch telefonisch unter 0176 - 20705646 zur Verfügung Im Folgenden finden sie eine Dokumentation des Redebeitrags des Bündnisses „Freiheit für Ali Ihsan“ auf der Kundgebung vor Beginn des Prozesses mit einer Skizze der juristischen und politischen Hintergründe des Verfahrens
Im Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ihsan Kitay wegen des Vorwurfs „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ gemäß § 129b wird heute nach sechs Monaten Verfahrensdauer das Urteil gesprochen. Kitay soll 2007–2008 in der nördlichen Region der BRD „verantwortlicher Kader der PKK“ gewesen sein. Ali Ihsan saß bereits 20 Jahre in der Türkei im Gefängnis und wurde dort mehrfach gefoltert. Mit der Kriminalisierung von Kurd_innen nach dem § 129b verfolgt die Bundesregierung wirtschaftliche und strategische Ziele. Konkrete Straftaten oder Anschläge in der BRD werden ihm, wie weiteren sechs Kurden, die ebenfalls mit Verfahren gemäß § 129b konfrontiert sind, nicht vorgeworfen. Entscheidend ist bei den Verfahren nach § 129b die Frage, ob es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung oder eine legitime Befreiungsbewegung handelt. Dieser Prozess muss als ein Pilotverfahren gesehen werden. Das heißt, dass hier viele Grundlagen für weitere § 129b-Verfahren gegen kurdische Aktivist_innen gelegt werden. §129 b gegen kurdische Exilpolitiker_innen – Was bedeutet das konkret? Durch den § 129b wird die Gewaltenteilung zwischen Regierung/Exekutive und Justiz/Judikative aufgehoben. Normalerweise entscheidet ein Gericht darüber, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht – im Fall des § 129 b entscheidet das jedoch das Bundesministerium für Justiz (BMJ). Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung entscheidet, ob eine ausländische Organisation als terroristisch oder als „legitime Befreiungsbewegung“ eingestuft wird, und dann entweder die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt oder nicht. Gleichzeitig sieht das Gesetz vor, dass kein Gericht die Möglichkeit haben soll, diese Entscheidung der Regierung/Exekutive zu überprüfen oder zu revidieren. Die Gerichte sollen diese Einschätzung einfach hinnehmen. Außenpolitische Interessen entscheiden also über einen etwaige Strafverfolgung. Dadurch ist politischer Willkür Tür und Tor geöffnet. Das ist schlicht und einfach verfassungswidrig. In Bezug auf kurdische Exilpolitiker_innen entschied das Bundesjustizministerium zunächst, dass Personen, denen bestimmte Funktionen innerhalb der PKK zugeordnet werden (z. B Gebietsverantwortliche), verfolgt werden können. Diese Ermächtigung kann jedoch je nach politischem Willen erweitert werden. Bei den Prozessen gemäß den §§ 129 und 129a StGB war es für die Gerichte stets erforderlich zu beweisen, dass die Ziele der PKK auch in Deutschland entweder auf die Begehung von Straftaten oder aber sogar sog. terroristische Taten (§ 129a) gerichtet waren. Das ist bei Prozessen gemäß § 129b belanglos. Deshalb hat das Gericht nicht mehr die Frage zu beantworten, ob die PKK in Deutschland Straftaten begeht. Die entscheidende Voraussetzung für die Strafbarkeit ist die Frage, ob die PKK in der Türkei bzw. überall dort, wo sie bewaffnet kämpft, eine terroristische Vereinigung ist oder nicht. Die Gerichte in Deutschland sollen also über Vorgänge in der Türkei oder anderswo entscheiden, obwohl sie kaum Kenntnisse über die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und etwaige Konflikte sowie deren historischen Entwicklungslinien und Hintergründe haben. Wie verheerend das ist, wurde in dem Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay deutlich. Die Zeugen des Bundeskriminalamtes (BKA) und die Vertreter_innen der Bundesanwaltschaft (BAW) gründeten die Anklage auf einseitige Ermittlungen, Vorurteile und laienhaftes und zumeist veraltetes Halbwissen. Die Richter_innen mussten ein ums andere Mal seitens des Angeklagten und der Verteidigung über die Lage in der Türkei und Kurdistan aufgeklärt werden. (weitere Informationen dazu finden sich in den Prozessberichten auf http://freiheitfueraliihsan.noblogs.org) Im § 129b ist geregelt, dass eine Vereinigung im Ausland dann als terroristisch gilt, wenn ihr Handeln auf Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) gerichtet ist. Das ist der Aspekt, über den das OLG Hamburg im Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay und alle Gerichte in den weiteren Verfahren § 129b entscheiden müssen. Entscheidend bei den Verfahren gegen Kurd_innen ist, ob es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung oder eine legitime Befreiungsbewegung handelt, die in einem bewaffneten Konflikt agiert. Von der kurdischen Bewegung, Völkerrechtler_innen und der Linken sowie von den von § 129 b betroffenen Kurd_innen und deren Verteidigungen wird die PKK als eine Konfliktpartei in einem bewaffneten Konflikt mit dem türkischen Staat und Militär, in dem beide Parteien Gewalt anwenden dürfen, gesehen. In einem solchen Konflikt – also in einem Krieg – sind Tötungen (Mord und Totschlag) erlaubt, wenn sie sich im Rahmen des humanitären Kriegsvölkerrechts bewegen – also keine Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (siehe letzter Abschnitt) begangen werden. Auch Widerstand, wenn nötig auch bewaffnet, gegen anhaltendes Unrecht und Tyrannei wird in der UN-Charta der Menschenrechte, als legitim betrachtet. Die kurdische Bewegung leistet seit mehr als 30 Jahren derartigen Widerstand. Der Prozess vor dem OLG Hamburg Interessanterweise haben die Richter_innen des OLG Hamburg in einer Stellungnahme im Verlauf des Prozesses anerkannt, dass in der Türkei das Selbstbestimmungsrecht der Kurd_innen verletzt wird. Zudem haben sie die systematische erneut zunehmende Anwendung von Folter und Begehung von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte, die seitens der Verteidigung im Prozess ausführlich geschildert wurde, als erwiesen angesehen. Auch Kriegsverbrechen, wie einen Chemiewaffeneinsatz im Mai 1999, bei dem 19 Guerillas der PKK starben, von dem im Prozess Videoaufzeichnungen aus Armeekreisen gezeigt wurden, sahen die Richter_innen als erwiesen an. Anhand von Video- und Funkaufzeichnungen wurde deutlich, dass der heutige Generalstabschef Necdet Özel selbst den Befehl zum Einsatz des Giftgases gab und Soldaten noch einen Tag später ihm gegenüber per Funk bei der Bergung der Leichen von Resten des Gases und eigenen Vergiftungserscheinungen sprachen. Eigentlich müssten also die dafür verantwortlichen Politiker_innen, der Generalstabschef und diejenigen, die mit systematischer Folter Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, in Deutschland vor Gericht stehen. Hier wird deutlich, dass es sich bei den § 129b Verfahren nicht um Menschenrechte, Recht oder die Verfolgung von etwaigen Straftaten, sondern um politische motivierte Verfolgung (wie im ersten Spiegelstrich beschrieben) handelt. Trotz alledem ist nach dem bisherigen Prozessverlauf davon auszugehen, dass nicht nur die BAW in ihrem Plädoyer, sondern auch das Gericht, die PKK nicht als Kriegspartei anerkennen wollen. So werden militärische Aktionen der Guerilla im Rahmen von Gefechten als terroristisch betrachtet. Gleiches gilt für Angriffe der Guerilla auf Einrichtungen militärischer und polizeilicher Einheiten und Gebäude, die im Rahmen der Selbstverteidigung, zum Schutz der Bevölkerung oder als Reaktion auf Angriffe von Polizei oder Militär auf die Zivilbevölkerung erfolgen. Gleichzeitig hat die BAW an Hand von mehr als vagen Quellen versucht, in ihrem Plädoyer die Stadtguerillaorganisation Freiheitsfalken (TAK) als eine Unterorganisation der PKK darzustellen. Dass die PKK sich seit Jahren von der Politik und den Anschlägen der TAK, bei denen immer wieder Zivilist_innen zu Schaden kommen, entschieden distanziert und die TAK ihrerseits die PKK als zu friedlich bezeichnet, sei lediglich Taktik. In der Äußerung mit freudschem Versprecher „Es ist unbestreitbar, dass die TAK eine organisatorische Anbindung an die KPD hat,“ zeigte sich das ganze Dilemma der vorurteilsbeladenen und absurden Argumentation der BAW, wobei jedoch durchaus damit gerechnet werden muss, dass sich das Gericht dem anschließen wird. Eigentlich erwartet man bei einem derartigen Anklagekonstrukt – bei dem es zum größten Teil um Ereignisse in einer dem Gericht nicht ausreichend bekannten Region geht – dass in einer umfangreichen Beweisaufnahme sachverständige Expert_innen sowie Zeugen aus der betroffenen Region gehört werden. Als Zeugen lud das Gericht allerdings lediglich vier Beamte des BKA, die ihre am Schreibtisch erworbenen Rechercheergebnisse präsentierten. Deren Aussagen basierten im Wesentlichen auf einseitiger Ermittlung, veralteter Recherche weiterer Beamten, unhinterfragbaren Internetquellen, Vorurteilen sowie laienhaftem Halbwissen. Der Ermittlungsführer B., der die Struktur und politische Entwicklung der PKK schildern sollte und deren Handeln bewertete, sagte z. B., dass ihm die Texte der PKK zu ideologisch wären und er diese nicht verstanden habe. Über die Verhältnisse vor Ort, über die kurdischen Autonomieregionen im Nordirak oder die im türkischen Parlament vertretene pro kurdische BDP (Partei für Frieden und Demokratie) wusste er ebenfalls nichts zu berichten. Die weiteren BKA-Zeugen waren ähnlich einseitig und unwissend. Mit den entscheidenden völkerrechtlichen Aspekten und den Hintergründen des Konflikts, die für ein § 129b Verfahren grundlegend sein sollten, hat sich das Gericht nur dann beschäftigt, wenn es durch Anträge der Verteidigung dazu gezwungen wurde. Das Hauptziel der Richter_innen war offensichtlich die Einbindung Ali Ihsans in die Strukturen der PKK in Deutschland nachzuweisen. Dazu wurden mit großem Eifer und sehr theatralisch alte Urteile nach § 129 verlesen, stundenlang Telefonüberwachung angehört und das Unwissen der BKA-Beamten als Expertenwissen deklariert. Die dabei erlangten Erkenntnisse, wie z. B. das Organisieren von Demonstrationen (wie z. B. das Newrozfest, dass Weltkulturerbe ist) durch Ali Ihsan, das Bestellen eines Grills von Kiel nach Hamburg und das häufigere Schlichten von Streitigkeiten, dienen schließlich dazu, seine Einbindung in die PKK-Struktur zu beweisen. Es wurde wie in Aktenzeichen XY ein Bild von einem Täter heraufbeschworen, der in die wohl geordnete bundesdeutsche Welt einbricht. Nur, dass ihm keine Straftaten vorgeworfen werden und selbst Schüler_innen und Lehrer_innen einer das Plädoyer der BAW beobachtenden Schulklasse sich wunderten, wofür er eigentlich bestraft werden soll. Insgesamt ist deutlich geworden, dass ganz normales Verhalten – oder auch gewünschtes Sozialverhalten wie Streit zu schlichten, in dem Moment als eine Straftat gewertet werden, wenn sie ein/e Kurd_in ausführt, die/der der PKK zugeordnet wird. Texte der BDP, der kurdischen Organisationen, der PKK, von Amnesty International und dem Europäischen Parlament, die sich mit der Menschenrechtslage in der Türkei beschäftigen, wurden aus dem öffentlichen Prozess ins Selbstleseverfahren ausgelagert. (weitere Informationen dazu finden sich in den Prozessberichten auf http://freiheitfueraliihsan.noblogs.org) Die Anträge der Verteidigung auf Anhörung von Sachverständigen zu den Verhältnissen in den kurdischen Regionen wurden sämtlich abgelehnt. Das Bündnis Freiheit für Ali Ihsan fordert die sofortige Freilassung von Ali Ihsan Kitay und sämtlichen politischen Gefangenen. Die Kriminalisierung der kurdischen ExilpolitikerInnen und die unverantwortliche Herangehensweise der Bundesanwaltschaft in diesem Prozess tragen dazu bei, dass politische Hinrichtungen, wie die Morde an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar in Paris, durchgeführt werden können. Wir trauern mit den Familien und der kurdischen Bevölkerung um die in Paris ermordeten revolutionären Frauen. Diese standen für ein respektvolles bewusstes Zusammenleben, Bildung, die Befreiung der Frau und einen Friedensdialog. Sie wurden im Rahmen der Verteilungskriege im Mittleren Osten und einer Vernichtungsstrategie der aktuellen türkischen Regierungspartei AKP gegenüber den KurdInnen gezielt hingerichtet. Deshalb fordern wir jetzt erst recht: Weg mit dem PKK Verbot! Freiheit für alle politischen Gefangenen! Freispruch für Ali Ihsan! Freiheit für Öcalan – Frieden in Kurdistan!
|