Pressemitteilung der Kampagne Demokratie hinter Gittern zur Freilassung von Özlem Ağuş, 27.02.2013

Die junge kurdische Journalistin Özlem Ağuş wurde am Montag zusammen mit 8 weiteren AktivistInnen aus der Haft entlassen. [1]
Nach Massenverhaftungen von Mitarbeitern kurdischer Medien Ende 2011 hatte sich Özlem Ağuş dazu entschlossen, für die Dicle-Nachrichtenagentur (DIHA) zu arbeiten. Bereits im März 2012 wurde sie dann im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren (Union der Gemeinschaften Kurdistans) verhaftet, nachdem sie Folter und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Pozanti-Gefängnis [2] aufgedeckt hatte. Als "Beweis" hatte der Staatsanwalt ein Foto Özlems vorgelegt, auf dem sie mit ihrer Kamera zu sehen ist. In der Haft war die 21-Jährige besonderen Schikanen ausgesetzt: Mit der Begründung, sie gefährde die innere Sicherheit des Gefängnisses, wurde ihr im August ein sechsmonatiges Besuchsverbot und ein 45-tägiges Telefonier- und Briefkontaktverbot auferlegt. Durch ihre Briefkontakte habe sie "Propaganda" betrieben.

Wir halten es trotz der Freilassung einzelner Gefangener - wir sprechen von etwa 8500 im Zusammenhang mit den KCK-Verfahren inhaftierten Personen - für zu verfrüht, Entwarnung zu geben. Die Situation der Menschenrechte und der Pressefreiheit in der Türkei muss weiterhin genauestens verfolgt werden, denn die Verhaftungen halten an und die Türkei ist noch immer weltweiter Spitzenreiter, was die Zahl inhaftierter JournalistInnen angeht. [3]

Auch an der unerträglichen Situation von Kindern und Jugendlichen in türkischen Gefängnissen hat sich nicht geändert. Nach der ersten Welle der Empörung über den Mißbrauchsskandal im Pozanti-Gefängnis findet dieses Thema in den Medien kaum noch Beachtung. Die Opfer von Pozanti wurden trotz ihrer Traumatisierung weiter drangsaliert, ein Jugendlicher unternahm sogar einen Suizidversuch. [4]

Der Skandal nach dem Skandal besteht in diesem Zusammenhang nicht nur im Verhalten der türkischen Justiz, sondern auch in der Untätigkeit des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef, das sich mit keinem Wort zu den Vorfällen geäußert hat. Die Türkei ist Unterzeichnerin der UN-Kinderrechtskonvention [5] und obwohl es ist die Aufgabe von Unicef ist, auf deren Einhaltung zu achten und bei Verstößen aktiv zu werden, hat Unicef dies im Falle der Türkei bislang aus unerklärlichen Gründen unterlassen.
Nach Angaben des türkischen Justizministeriums vom November 2012 sitzen 1943 Kinder und Jugendliche wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in türkischen Gefängnissen. Meist wird dieser Vorwurf mit der Teilnahme an Demonstrationen oder mit Steinewerfen begründet.

Wir möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Freilassung von Özlem Ağuş die Möglichkeit besteht, sich persönlich mit ihr in Verbindung zu setzen, um sich beispielsweise über die Situation der inhaftierten Kinder und Jugendlichen zu informieren. Sollten Sie daran interessiert sein, vermitteln wir Ihnen gerne den Kontakt.

Kampagne Demokratie hinter Gittern, 27.02.2013
demokratiehintergittern@riseup.net

[1] http://demokratiehintergittern.blogsport.de/2013/02/27/neun-haftentlassungen-im-kck-verfahren-in-adana/
[2] http://demokratiehintergittern.blogsport.de/2012/02/27/sexueller-missbrauch-inhaftierter-kinder/#more-68
[3] http://demokratiehintergittern.blogsport.de/2013/02/18/74-der-inhaftierten-journalistinnen-sind-kurdinnen/
[4] http://demokratiehintergittern.blogsport.de/2012/09/18/durch-pozanti-in-den-selbstmord-getrieben-2/
http://demokratiehintergittern.blogsport.de/2012/08/30/insgesamt-34-jahre-haft-fuer-zwei-opfer-des-pozanti-skandals/
[5] http://www.nadir.org/nadir/periodika/kurdistan_report/2012/161/10.htm