Ein Brief von Dr. Nikolaus Brauns zu der Razzia und der Beschlagnahme mehrer Publikationen an den Polizeichef von Hannover
Dr. Nikolaus Brauns Berlin
Polizeidirektion Hannover Polizeipräsident Axel Brockmann Waterloostraße 9 30169 Hannover per Fax (0511) 109-1030 Berlin, 11.März 2013
Beschlagnahme von Büchern im Kurdistan Volkshaus
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,
mit Empörung habe ich vernommen, dass die Polizei am Sonntag das Kurdistan Volkshaus in Hannover gestürmt und dabei zahlreiche Bücher beschlagnahmt hat. Beschlagnahmt wurde auch das von mir gemeinsam mit Rechtsanwältin Brigitte Kiechle verfasste Buch „PKK – Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes: Zwischen Selbstbestimmung, EU und Islam“. Die Beschlagnahmung dieses vor drei Jahren im Schmetterling Verlag Stuttgart erschienenen Buches wurde von der Polizei damit gerechtfertigt, es sei verboten. Diese Begründung ist mehr als verwunderlich. Es handelt sich hier um ein wissenschaftliches Fachbuch, dass bundesweit im Buchhandel erhältlich ist. Das WDR-Fernsehmagazin Planet Wissen empfahl am 11. Februar 2011 in der Sendung „Kurden – das verbotene Volk“ unser Buch mit den Worten: „Wer sich über die Hintergründe der kurdischen Nationalbewegung PKK informieren will, sollte zu diesem Buch greifen. Der Historiker Nikolaus Brauns und die Rechtsanwältin und Publizistin Brigitte Kiechle gehen ausführlich auf die Vorgeschichte, die Gründung der PKK und die aktuelle Situation ein.“ Ich fordere Sie daher auf, mir umgehend mittzuteilen, wann, von wem, mit welcher Begründung und auf welcher rechtlichen Grundlage das Buch „PKK – Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes“ verboten wurde. Oder gab es am Ende gar kein Verbot des Buches und die Beschlagnahme war ein Willkür- und Zensurakt der Polizei? Für diese Befürchtung spricht, dass auch die seit 30 Jahren erscheinende Zeitschrift „Kurdistan Report“ sowie das neue Buch „Widerstand und konkrete Utopie“ über die kurdische Frauenbewegung beschlagnahmt wurden. Soll hier eine kritische Auseinandersetzung mit der kurdischen Frage durch die Kriminalisierung von Publikationen verhindert werden, die die kurdische Freiheitsbewegung nicht von vorneherein als terroristisch verdammen, sondern die Akteure und Akteurinnen selber zu Wort kommen lassen? Die Polizei in Hannover ist ja dafür bekannt, bei den drei Buchstaben „PKK“ rot zu sehen. Der 16-jährige Halim Dener musste dies am 29.6.1994 in Hannover mit dem Leben bezahlen, als er von seinem SEK-Beamten beim Plakatieren in den Rücken geschossen wurde. Sollten Ihre Beamte bei der Razzia im Kurdistan Volkshaus wieder einmal rot gesehen haben und ohne Verbot der entsprechenden Publikationen gehandelt haben? Ich fordere Sie auf, die beschlagnahmten Bücher umgehend an das Kurdistan Volkshaus zurückzugeben und sich für das ruf- und geschäftsschädigende Verhalten der Polizei zu entschuldigen. Allerdings möchte ich Ihnen raten, sich bei dieser Gelegenheit unser Buch und die anderen beschlagnahmten Publikationen käuflich zu erwerben. Dann hätten Sie die Gelegenheit, sich einmal gründlich ohne die einengende Terrorismusbrille mit den Hintergründen der kurdischen Frage zu befassen. Vielleicht würden Sie dann zukünftig Ihr Verhalten gegenüber der kurdischen Migration und ihren Vereinen überdenken.
Mit besten Grüßen Nikolaus Brauns
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