Erwägen deutsche Behörden eine Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots? Während am 5. Juni der §129b-Prozess gegen Abdullah S. eröffnet wurde, hatten wenige Tage zuvor Meldungen die Runde gemacht, wonach deutsche Behörden eine Aufhebung des vor 20 Jahren verfügten PKK-Betätigungsverbots prüfen würden. Der „Focus“ hatte dies unter Berufung auf Berliner Regierungskreise am 1. Juni veröffentlicht. So sei der zuständige Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Engelke, kürzlich mit leitenden Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes zur zentralen türkischen Generalsicherheitsdirektion nach Ankara gereist. Dabei habe ein hoher Staatsschutzbeamter gegenüber „Focus“ geäußert, dass die Türkei für ihren neuen Kurs gegenüber der PKK „von Deutschland flankierende Maßnahmen“ verlange und dass man mit der Gruppe „gnädiger“ umgehe. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies den „Focus“-Bericht „klar“ zurück. Zwar beobachte das Ministerium den Friedensprozess in der Türkei sehr genau, doch gebe es keine Überlegungen, das Verbot aufzuheben. Laut der „Huffington Post“ vom 21. Mai hat der ehemalige Berater der US-Regierung, David L. Philipps die Streichung der PKK von der Terror-Liste empfohlen. Mit Blick auf die Situation in Syrien könnten dadurch die Gespräche mit der PYD über einen Zusammenschluss mit der syrischen Opposition befördert werden. Ohne Zustimmung der Türkei allerdings können weder die USA noch die EU eine Streichung vornehmen. Dies sei vornehmlich eine politische Entscheidung. Die technischen Gründe als auch der politische Kontext für eine Listung der PKK als ausländische terroristische Organisation hätten sich geändert. Auf die Frage von Philipps nach einer möglichen Streichung, habe ein türkischer Beamte geantwortet: „Warum nicht?“ Die Abgeordneten der Linken, Ulla Jelpke, hat zu den vorstehenden Meldungen eine „schriftliche Frage“ an die Bundesregierung gerichtet. Sie möchte wissen, inwieweit der im Magazin „Focus“ geschilderte Sachverhalt zutrifft. Auf eine umfangreiche Kleine Anfrage mit dem Titel „Maßnahmen gegen die Betätigung der PKK“, die die Linksfraktion vor wenigen Monaten an die Bundesregierung gerichtet hatte, antwortete diese auf eine Frage bezüglich des Aufrufs von Abdullah Öcalan zur Waffenruhe vom 21. März, dass dieser ein „großer Schritt hin zu mehr gegenseitigem Vertrauen“ sei, auf dessen Umsetzung es jetzt ankomme. Zur Frage nach einer Aufhebung des PKK-Verbots meinte die Bundesregierung, dass die „friedliche Überwindung des Kurdenkonflikts auf politischem Wege eine innertürkische Angelegenheit“ sei, sich daraus aber keine „Analogien zur Situation in Deutschland“ ergäben. Es bestehe „kein Zusammenhang“ zwischen dem Verbot von 1993 und den Gesprächen der türkischen Regierung mit der PKK. Das PKK-Verbot diene „ausschließlich dem Schutz der hiesigen inneren Sicherheit.“ So ganz stimmt das allerdings nicht. Einige Zitate aus der Verbotsverfügung von 1993 mögen dies verdeutlichen: „Eine weitere Duldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland würde die deutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und das Vertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wert gelegt wird, untergraben. Darüber hinaus werden dadurch diejenigen Kräfte in der Türkei gestärkt, die die Bindung an Europa und an die westliche Welt lockern wollen.“ Und an anderer Stelle: „Diese Aktivitäten [z.B. „politische Agitation der PKK und ihr nahestehender Organisationen“] schädigen bereits heute Deutschlands Ansehen in der Türkei und die bilateralen Beziehungen erheblich.“ Wenn nun die türkische Regierung aufgrund ihrer Lösungsorientierung in dem Konflikt von Deutschland wiederum „flankierende Maßnahmen“ und einen „gnädigeren“ Umgang gegenüber der PKK erwartet, haben derartige Äußerungen ihre Logik, der sich die Bundesregierung eigentlich nicht verschließen kann. Denn – wie ebenfalls in der Verbotsverfügung ausgeführt – hat die damalige Regierung unter Ministerpräsidentin Ciller in Sachen PKK bereits massiven Einfluss auf die deutsche Politik genommen. So heißt es u.a.: „Der Grad der Beeinträchtigung der außenpolitischen Beziehungen ist durch zahlreiche Demarchen der türkischen Regierung sowie dadurch deutlich geworden, dass die türkische Seite bei allen politischen Spitzengesprächen der letzten Zeit (u. a. Bundeskanzler Kohl in Ankara, Mai 1993, Ministerpräsidentin Ciller in Bonn im September 1993) den Vorwurf erhoben hat, die Bundesregierung dulde PKK-Aktivitäten auf deutschem Boden und kontrolliere sie nicht oder nur mangelhaft.“ Das Ergebnis ist bekannt, das PKK-Betätigungsverbot wurde erlassen. Diese anklagende Strategie gegenüber ihren Bündnispartnern hat seitdem nicht ohne Erfolg jede nachfolgende türkische Regierung bis hin zur AKP des heutigen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan verfolgt. Deshalb wäre es verlogen, würde die Bundesregierung weiterhin darauf beharren, dass sie mit den aktuellen Entwicklungen im türkisch-kurdischen Konflikt nichts zu tun habe, es keinerlei „Analogien“ zu Deutschland gebe und das Verbot „ausschließlich“ dem Schutz der inneren Sicherheit diene. Denn: Die jahrzehntelange Erfahrung hat uns gelehrt, dass sowohl die hier lebenden Kurdinnen und Kurden als auch die deutsche Politik unmittelbar auf Ereignisse in der Türkei reagiert haben. Die eine Seite machte durch Protestaktionen auf brutale Unterdrückungsmethoden des türkischen Staates – auch mit deutschen Waffen und Polizeihilfe – aufmerksam, die andere zeichnete sich durch verschärftes polizeiliches und strafrechtliches Vorgehen gegen eine Vielzahl kurdischer Aktivistinnen und Aktivisten aus. Im Umkehrschluss könnte gesagt werden;: Wenn es die türkische Regierung tatsächlich ernst meinen sollte mit einem ehrlichen Friedensprozess, müsste dieser neue Weg durch die politisch Verantwortlichen in Deutschland „klar“ unterstützt werden. Die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots wäre die Umsetzung. AZADÎ e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln 4. Juni 2013 |