Pressemitteilung OLG Stuttgart verhängt mehrjährige Freiheitsstrafen gegen kurdische Aktivisten Heute endete der am
13. September 2012 begonnene Prozess gegen zwei kurdische Aktivisten nach
§ 129b i.V.m. § 129a StGB („Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung“). Ridvan Ö. wurde am 17. Juli 2011 am Düsseldorfer Flughafen und Mehmet A. am gleichen Tag in Freiburg festgenommen. Seitdem befinden sie sich in Untersuchungshaft. Die Anklage Das Gericht sah es
als erwiesen an, dass sich die beiden Kurden als Führungskader der PKK-Jugendorganisation
„Komalen Ciwan“ (KC) insbesondere im Zeitraum von März 2010 bis Juli 2011
bzw. von Oktober 2009 bis Juli 2011 im Bundesgebiet und in Frankreich
betätigt hätten und sie die in dieser Funktion üblichen Tätigkeiten (Spendensammeln,
Demonstrationen und Schulungen organisieren sowie Rekrutierung von Nachwuchs
für die Guerilla) ausgeübt hätten. Verteidigung: § 129b StGB ist verfassungswidrig - Widerstand gegen Unterdrückung legitim Wie in den vorhergehenden
§ 129 b-Prozessen, war auch in diesem Verfahren die entscheidende Frage,
ob es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung oder um eine
legitime Befreiungsbewegung in einem bewaffneten Konflikt handelt. Für
die Verteidigung stand außer Zweifel, dass der bewaffnete Kampf der Guerilla
der PKK – Volksverteidigungskräfte HPG - hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts
des kurdischen Volkes im Sinne von Artikel 1 Abs. 4 Zusatzprotokoll I
der Genfer Abkommen legal sei. Gedeckt werde dies zudem durch die Charta
der Vereinten Nationen sowie durch die Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts.
Einer Bevölkerung, der regelmäßig schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen
zugefügt und die ihrer Kultur beraubt werde, sei unzweideutig in ihrem
Recht auf Selbstbestimmung verletzt. Hieraus ergebe sich das Recht auf
kollektiven bewaffneten Widerstand sowie ein Kombattantenprivileg des
humanitären Völkerrechts. Dies treffe auf die HPG zu. Die Verteidigung
hält es für unzulässig und unerträglich, die §§ 129 und 129a auf „Vereinigungen
irgendwo und überall im außereuropäischen Ausland“ pauschal und unverändert
zu übertragen. In § 129b fehle hingegen ein vergleichbares Äquivalent
vollkommen. Weitere Anträge der Verteidigung In ausführlichen Darlegungen hat die Verteidigung zu weiteren Aspekten des türkisch-kurdischen Konflikts die Ladung sachverständiger Zeugen und die Erstellung von Gutachten beantragt, so zur Praxis der türkischen Sicherheitskräfte gegen die kurdische Bevölkerung, insbesondere gegen kurdische Jugendliche, zur Zerstörung von nahezu 4 000 kurdischen Dörfern und der massenhaften Vertreibung der BewohnerInnen, zur Geschichte des Verbots der kurdischen Muttersprache sowie zur systematischen Anwendung von Folter und unmenschlicher Behandlung. Mit einem weiteren Gutachten sollte bewiesen werden, dass seit dem Jahre 1984 bis zum in der Anklageschrift genannten Tatzeitraum zwischen der kurdischen Guerilla einerseits und der türkischen Armee, Gendarmerie und den Polizeikräften andererseits Kampfhandlungen organisierter Verbände auf beiden Seiten auf dem Territorium der Türkei und des Nordiraks stattgefunden haben, bei denen Kriegswaffen zum Einsatz gekommen sind. Damit seien die Voraussetzungen eines bewaffneten Konflikts im Sinne des humanitären Völkerrechts gegeben. Teilweise hat der Senat die Anträge der Verteidigung abgewiesen und zum Teil auch als wahr unterstellt. Erklärung von Ridvan Ö. Im Laufe des Prozesses
sagte Ridvan Ö. u.a., dass er seine politische Haltung nicht von den „historischen
Realitäten“ trennen könne: „Dort, wo Krieg ist, hat man nicht den Luxus,
unabhängig von den hierdurch gegebenen Bedingungen zu leben. Man ist unmittelbarer
Teil, man ist Partei und muss Partei ergreifen.“ Er schilderte seine Kindheit,
die geprägt war von den Grausamkeiten eines Krieges. Er berichtete, dass
er als Jugendlicher zur „Zielscheibe paramilitärischer Einheiten und der
Conterguerilla“ wurde und als 13-Jähriger erstmals gefoltert worden ist
und dass nach seiner Flucht nach Europa sein Freund und sein Onkel auf
einer Polizeistation des Dorfes umgebracht worden sind. Seine Traumatisierungen
habe er während einer Theaterausbildung in Italien verarbeiten können,
wohin er nach seiner Entlassung gerne zurückkehren wolle. Mit zweierlei Maß AZADÎ kritisiert,
dass das Gericht, auch wenn es unter dem von der BAW geforderten Strafmaß
geblieben ist, die beiden kurdischen Aktivisten verurteilt hat und auf
eine objektive Beurteilung des türkisch-kurdischen Konflikts mit Blick
auf sein historisch-politisches und völkerrechtliches Ausmaß verzichtet
hat, was angesichts der weitreichenden Anklage nach § 129b unerlässlich
wäre. Während die Bundesregierung direkt oder indirekt unter Einschluss
von Menschenrechtsverbrechen militärisch agierende Aufstandsbewegungen
im arabischen Raum unterstützt, die nicht unbedingt eine freiheitliche
und menschenwürdige Ordnung anstreben, setzt sie die Stigmatisierung der
kurdischen Befreiungsbewegung PKK fort. Und dies ungeachtet der Tatsache,
dass in der Türkei seit längerem Friedensverhandlungen zwischen der türkischen
Regierung und der PKK stattfinden. Für die politisch Verantwortlichen
liegt die alleinige Unterscheidung darin, ob ihnen die politischen Ziele
von Organisa Kriminalisierung beenden ! Vor dem Hintergrund dieser politisch motivierten Verfahren, der ausufernden und mehr als fragwürdigen Verfolgungskriterien staatlicher Institutionen gegen kurdische Politiker und Aktivisten können die Forderungen nur lauten, den § 129a/b ersatzlos zu streichen, das nunmehr seit 20 Jahren bestehende PKK-Betätigungsverbot aufzuheben, die Verfahren einzustellen und die Gefangenen freizulassen. AZADÎ e.V.,
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