Erklärung der YXK zum Weltfriedentag

''Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen...''

Der Weltfriedenstag steht für eine Welt ohne Kriege und Unterdrückung. Für eine Welt der Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Geschwisterlichkeit. Doch wird weiterhin der Alltag der Menschen in vielen Ländern dieser Welt von Kriegen, Gewalt, Tränen und Schmerz bestimmt.

Das kapitalistische System kennt für die Aufrechterhaltung seiner Herrschaft keine Grenzen und macht keinen Halt vor dem Verlust unzähliger Menschenleben, wie die Interventionen im Irak, Libyen, Afghanistan und in Mali zeigen. All diese Interventionen folgten und folgen hierbei ein und derselben Verwertungslogik.

Dem steht das Aufbegehren der benachteiligten und unterdrückten gesellschaftlichen Gruppen gegenüber. Weltweit gleichen sich die Bilder. Ob Blockupy in Frankfurt, die Studierendenproteste in Chile, die Massenproteste in Brasilien, die Jugendrevolte in den Vororten Stockholms, die Proteste der "Empörten" in Spanien, die Taksim-Bewegung in der Türkei oder auch der anfängliche Charakter des "Arabischen Frühlings". All diese Massenbewegungen zeigen die Unzufriedenheit der Menschen mit dem gegenwärtigem System und ihre Sehnsucht nach einem demokratischen und freiheitlichen Gesellschaftssystem.
Die Doppelmoral der kapitalistischen Staaten, geführt von der Hegemonialmacht USA, zeigt sich gegenwärtig auch in Ägypten. Die USA und Europa unterstützten die ägyptische Opposition zum Sturz des Mubarak-Regimes und verhalfen den Muslimbrüdern an die Macht, die im Zuge der Neustrukturierung der arabischen Länder den politischen Islam mit neoliberaler Wirtschaftspolitik verbanden und dadurch an die Macht kamen. Nun passen auch die Muslimbrüder in Ägypten nicht mehr ins Konzept. Mithilfe des von den USA kontrollierten Militärs wurden zur "Wiederherstellung der Demokratie", wie es der amerikanische Außenminister Kerry formulierte, auch sie gestürzt. Welche Konsequenzen dieser Militärputsch mit sich brachte, konnten wir alle in den letzten Wochen selbst in den Nachrichten betrachten.

Insbesondere das Leben der Gesellschaften des Mittleren Ostens ist von Krisen und Konflikten geprägt, und steht infolge des Kriegs in Syrien, welcher internationale Ausmaße angenommen hat, erneut im Fokus der Weltöffentlichkeit. Nach Jahrzehntelanger Friedhofsruhe begehrten die Menschen in Syrien gegen die diktatorischen Machenschaften von Assad auf und erhoben sich zum Aufstand. Die Antwort des Regimes ist ein bestialischer Angriff auf die eigene Bevölkerung. Befeuert wird der Bürgerkrieg durch die militärische und finanzielle Unterstützung von Aufständischen, die inzwischen fast vollständig in islamistischer Hand sind, durch die westliche Staatengemeinschaft, allen voran der Türkei. Das Ergebnis ist die totale Abhängigkeit der Aufständischen von den Interessen der Westmächte, über 100000 getötete Menschen und Millionen von Flüchtlingen.

Einen Ausweg aus diesem Chaos und Perspektiven für die gesamte Region zeigt uns gegenwärtig die kurdische Bevölkerung im Nordosten Syriens (Westkurdistan/Rojava) auf, die sich weder auf die Seite einer vermeintlichen Opposition, die entweder für die Interessen des Westens agiert oder für einen islamistischen Gottesstaat in Syrien kämpft, noch auf die Seite des autoritären Baath-Regimes stellt. Die Menschen in Westkurdistan stützen sich auf ihre gesellschaftliche Eigendynamik und organisieren sich in befreiten Städten, auf der Grundlage der Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung. Sie bilden basisdemokratische Rätestrukturen und verwalten sich selbst. Insbesondere Frauen spielen dabei eine tragende Rolle.

Auch dieser Konflikt in Syrien zeigt die Doppelzüngigkeit des Westens. Für die Durchsetzung seiner eigenen Machtinteressen in der Region bietet er logistische und militärische Unterstützung für al-Qaida-nahe Gruppen, die immer wieder Kriegsverbrechen wie Entführungen und Tötungen von ZivilistInnen, Bombardierung von Stadtteilen, ethnisch bedingte Vertreibung sowie Folter verüben. Auf der anderen Seite zieht er, wie in Mali, aufgrund genau dieser radikal-islamistischen Gruppierungen, im Namen der Terrorismusbekämpfung in den Krieg.

Im Jahr 2013 hat es auch in der Türkei und in Nordkurdistan, Entwicklungen historischer Tragweite gegeben. Nach einem 30-jährigen Krieg begann Anfang dieses Jahres nun ein drei-stufiger Lösungsprozess der kurdischen Frage. Nach dem Aufruf von Abdullah Öcalan am 21. März, dem kurdischen Neujahrsfest Newroz, hat die Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begonnen sich aus türkischem Staatsgebiet zurückzuziehen und damit nun die Chance auf eine lang anhaltende politisch-friedliche Auseinandersetzung geboten. Die erste Phase des Lösungsprozesses gilt seit dem 1. Juni als abgeschlossen und die türkische Regierung bzw. der türkische Staat ist nun am Zug. Zwar hat er gleich mehrfach öffentlich erklärt, dass er sich ernsthaft der Lösung der kurdischen Frage annehmen will und dadurch große Erwartungen in der kurdischen und internationalen Öffentlichkeit geweckt. Doch in der Praxis lassen die notwendigen Schritte noch auf sich warten.

Der Friedensprozess zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Freiheitsbewegung hat den Raum für gesellschaftlichen Widerstand in der Türkei geebnet. So entwickelte sich aus dem Konflikt um den Erhalt des Gezi-Parks nahe des Taksim-Platzes in Istanbul eine rießen Protestwellen. Der Protest hat sich schnell auf die gesamte Türkei ausgedehnt und unerwartete Dynamiken angenommen. Der türkische Staat zeigte dieselben antidemokratischen Maßnahmen gegen diese Proteste im Westen der Türkei, die sie seit Jahrzehnten im Osten gegen die KurdInnen anwendete. Die Erfahrungen dieser neuen Bewegung, die KurdInnen, TürkInnen, LazInnen, AraberInnen, AlevitInnen, SunnitInnen, YezidInnen, ChristInnen und Orthodoxe aller Geschlechter vereint, lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Dieser Zusammenschluss kurdischer und türkischer Linker auf dem Taksim-Platz kann eine neue politische Kraft, eine neue Linke hervorbringen.

Unbeachtet der Umbrüche in der arabischen Welt sowie in der Türkei baut die deutsche Bundesregierung, als drittgrößter Waffenexporteur der Welt, ihre Rüstungsexporte aus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden bereits Waffen im Wert von mehr als 800 Millionen Euro verkauft. Hauptabnehmer waren die Golfstaaten. Dazu zählen die autoritärsten Regimes im arabischem Raum wie Saudi Arabien, Katar, Kuwait, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. Alles Länder ohne demokratisch legitimierte Regierungen. Ebenso wird Ägypten, dass sich am Rande eines Bürgerkrieges befindet, mit deutschen Waffen beliefert.

Daneben kann auch die Türkei auf eine lange Waffenbruderschaft mit Deutschland zurückblicken. Im Vernichtungskrieg der türkischen Armee in Nordkurdistan wurden tausende Dörfer mit deutschen Panzern zerstört und tausende Menschen mit deutschen Waffen ermordet. Und auch die türkische Polizei konnte bei ihren Gewaltexzessen, während der Gezi-Proteste, bei denen es laut türkischer Ärztevereinigung vier Tote und über 8100 Verletzt gab, auf Ausrüstung und Erfahrung aus Deutschland zurückgreifen. Seit 2003 unterstützt Deutschland die türkische Polizei ausgiebig mit Lehrgängen und Austauschprogrammen, seit 2009 auch mithilfe des Exports von Pfefferspray und zugehörigen Abschussgeräten im Wert von rund 140 000 Euro jährlich.

"Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen. Einfach den Nachschub kappen,'' sagte die deutsche Internationalistin Andrea Wolf. Mitten im Zentrum der kapitalistischen Moderne sollten wir dies als Ziel unserer Arbeiten ansehen. Wir halten am demokratischen Widerstand aller Unterdrückten aus der ganzen Welt fest. Wir halten am Widerstand gegen das kapitalistische System fest. Wir halten an uns als Menschen fest und lassen uns von diesem System nicht auseinanderdividieren, länger unterdrücken und ausbeuten.
Das effektivste Mittel, das wir gegen Kapitalismus und Kriege richten können, ist Solidarität - über alle Grenzen hinweg.

Hoch die internationale Solidarität

YXK – Verband der Studierenden aus Kurdistan

http://yxkonline.de/index.php/yxk-verein/322-erklaerung-der-yxk-zum-weltfriedentag