Pressemitteilung

Das "Demokratisierungspaket" der Regierung Erdogan - "Repression ist Demokratie - Krieg ist Frieden"

Das "Demokratisierungspaket" der Regierung Erdogan ist nicht auf eine ernsthafte Demokratisierung der Türkei ausgerichtet. Seit gut 14 Tagen hatte die AKP-Regierung die Veröffentlichung des Paketes als historischen Schritt angekündigt. Nun wird es von Oppositionellen sowie kulturellen und religiösen Minderheiten in der Türkei zu Recht scharf kritisiert, da es kaum Verbesserungen ermöglicht. Unisono wird es von Aleviten, Kurden, Yeziden und linken Oppositionellen als lediglich symbolisch kritisiert und als leicht zu durchschauender Versuch gewertet, die Situation vor den Kommunalwahlen und Präsidentschaftswahlen 2014 im Sinne der AKP positiv zu beeinflussen.

Mit den angekündigten "Reformen" wird weder die Situation der Minderheiten und der Opposition, wie z.B. der im Rahmen der Gezi-Park-Proteste entstandenen Protestbewegung, verbessert, noch berücksichtigen sie die Vorschläge der Kommission der Weisen, die Ministerpräsident Erdogan im Rahmen des Friedensprozesses zwischen der Regierung und der PKK im Frühjahr 2013 eingesetzt hatte.

Die Kommission legte bereits im Juni 2013 ihren Abschlussbericht vor. Die AKP hatte diesen als unverbindlich abgetan und bis heute geheim gehalten. Nun veröffentlichte die Kommission aus Intellektuellen, Künstlern und Persönlichkeiten aus der türkischen und kurdischen Gesellschaft ihren Bericht, u.a. um weitere willkürliche Schritte der Regierung transparent zu machen. Die Forderungen der Weisen sind u.a. die Aufarbeitung der Traumata aus dem 30-jährigen Bürgerkrieg samt Einrichtung einer Wahrheitskommission, der Baustopp von Staudämmen in den kurdischen Provinzen, transparente Verhandlungen im Friedensprozess, eine Generalamnestie für politische Gefangene, die Abschaffung der Anti-Terror-Gesetzgebung, tiefgreifende Gesetzesreformen, Rückkehrmöglichkeiten für Flüchtlinge u.a. aus dem im Nordirak gelegenen Mahmur-Flüchtlingscamp, die Wiedereingliederung der Guerilla in die Gesellschaft, die Rückgabe des annektierten Landes der Yeziden, muttersprachlicher und selbstbestimmter Unterricht - auch für assyrische Christen - sowie kulturelle Rechte für sämtliche Minderheiten.

Statt auf die Vorschläge der von ihr selbst einberufenen "Kommission der Weisen" einzugehen, will die AKP Regierung mit minimalen Zugeständnissen, die großteils schon jetzt praktiziert werden, wie z.B. der Erlaubnis von privatem Unterricht und Wahlkundgebungen in anderen Sprachen als Türkisch, der Aufhebung des Verbotes der Buchstaben X, Y und W, sowie einer Diskussion über die 10% Wahlhürde, von den wirklichen gesellschaftlichen Problemen ablenken.

"Die Vorgehensweise der Regierung Erdogan ist zynisch. Reformen, die faktisch bereits umgesetzt werden, als historische Demokratisierung zu inszenieren und im gleichen Moment entgegen den Vorschlägen einer von ihr selbst eingesetzten Kommission erneut den Krieg gegen die KurdInnen zu eskalieren, erinnert an die Orwellsche Losung `Krieg ist Frieden´. Es ist an der Zeit, dass die Regierung für die Missachtung der Menschenrechte sowie des Vereinigungs- und Versammlungsrechts endlich politisch unter Druck gesetzt wird. U.a. die im Rahmen der KCK-Verfahren und der Gezi-Park-Proteste Inhaftierten müssen sofort frei gelassen werden. Auch die einseitigen Schritte der PKK zum Frieden, wie der Rückzug von Guerillas aus der Türkei, müssen positiv beantwortet werden," kommentiert die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, DIE LINKE.

"Statt einen ernsthaften Weg zum Frieden zu gehen, werden erneut in der gesamten Türkei PolitikerInnen und AktivistInnen festgenommen, in den Regionen, aus denen sich die Guerilla der PKK zurückgezogen hat, Staudämme und neue Militärposten gebaut, 10000 neue Dorfschützer eingestellt, Militäroperationen in den kurdischen Provinzen durchgeführt und Al-Qaida-Gruppen aufgerüstet und unterstützt, die die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen in Syrien angreifen. Wir kritisieren das aufs Schärfste," betont Martin Dolzer, Mitglied des SprecherInnenrates des Bundesarbeitskreises Demokratie in der Türkei - Frieden in Kurdistan (BAK-DTFK).

"Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, von der Türkei ernsthafte Schritte zu einer Legalisierung der kurdischen Opposition zu verlangen. Dies schließt die Beendigung der Kriminalisierung der PKK und anderer kurdischer Organisationen in unserem Land ein. Überfällig ist auch ein Stopp der Lieferung von Waffen an Ankara, die im Kampf gegen die Kurden eingesetzt werden können," ergänzt der Friedensforscher Dr. Peter Strutynski.

Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags (MdB), DIE LINKE
Harald Weinberg, MdB, DIE LINKE
Barbara Cárdenas, MdL Hessen, DIE LINKE
Cansu Özdemir, MdHB, DIE LINKE
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Dr. Peter Strutynski, Friedensforscher
Werner Ruf, Friedensforscher
Yilmaz Kaba, Mitglied im Landesvorstand Niedersachsen DIE LINKE
Bundesarbeitskreises Demokratie in der Türkei - Frieden in Kurdistan / BAK-DTFK DIE LINKE