Öcalans
Freiheit ist eine Notwendigkeit für die Lösung des Kurdistan-Konflikts
Analyse der YXK zur
Rolle Abdullah Öcalans im aktuellen İmralı-Prozess
Die Kurdische Frage ist eines
der gravierendsten gesellschaftlichen Probleme des Nahen und Mittleren
Ostens. Sie hält die Gesellschaften Syriens, Iraks, Irans und vor allem
der Türkei über die Grenzen der bestehenden Nationalstaaten hinweg in
Atem. Die kurdische Identität ist nach wie vor nicht akzeptiert, sodass
KurdInnen ihre kulturellen und politischen Rechte vorenthalten werden.
In der Vergangenheit wurde die kurdische Identität vollständig verleugnet
und verboten.
Dagegen richtet sich seit langem Widerstand, unter anderem der der 1978
gegründeten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitbegründer und damals
wie heute führender Theoretiker und Praktiker Abdullah Öcalan ist. Die
PKK wandte sich gegen die Verleugnung und Unterdrückung der KurdInnen;
zunächst durch die sozialwissenschaftliche Erforschung, Organisierung
und Aufklärung der Bevölkerung Kurdistans, nach dem Militärputsch in der
Türkei von 1980, der jegliche zivile Opposition unmöglich machte, aber
auch mit Waffengewalt. Der bewaffnete Konflikt zwischen der Freiheitsbewegung,
die sich rasch um die PKK bildete, und dem türkischen Staat kostete über
40.000 Menschenleben, etwa 4.500 Dörfer und Siedlungen wurden zerstört,
Millionen wurden zu Flüchtlingen.
Seit den frühen 90er Jahren sucht die PKK den Dialog mit den Staat, um
eine friedliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. Die mehrfachen Versuche
sich einander anzunähern – wie einseitige Waffenstillstände – gingen zumeist
auf die Initiative Öcalans zurück, der sich innerhalb der kurdischen Freiheitsbewegung,
aber auch gegenüber allen Konfliktparteien immer wieder für eine friedliche
Lösung der kurdischen Frage stark machte. In diesem Sinne verließ er 1998
Syrien, dem die Türkei mit Krieg drohte, würde es weiterhin Öcalan auf
dem eigenen Staatsterritorium dulden, Richtung Europa, um hier den Weg
für einen Frieden in Kurdistan zu ebnen. Seine Suche nach Unterstützung
unter den europäischen Staaten für eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts
blieb erfolglos. Stattdessen verweigerten die europäischen Regierungen
ihre Unterstützung und Öcalan einen Aufenthalt.
Auf diese Weise war Öcalan gezwungen, Europa zu verlassen. Mit dem Ziel
Südafrika, das ihm einen Aufenthalt angeboten hatte, bestieg er in Griechenland
ein Flugzeug, das in Kenia landete, wo er am 15. Februar 1999 von westlichen
Geheimdiensten entführt und dem türkischen Geheimdienst MIT übergeben
wurde. Dieser Akt stellt einen Verstoß gegen internationales Recht dar
und wird richtigerweise auch als „internationales Komplott“ bezeichnet.
Seit nunmehr 15 Jahren befindet sich Öcalan in türkischer Haft. Zunächst
wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt; gegen die Vollstreckung
intervenierten europäische Gerichtsinstanzen, das äußerst kurze Verfahren
bezeichneten sie als unfair. Inhaftiert ist Öcalan auf der Gefängnisinsel
İmralı; zehn Jahre als einziger Gefangener, ohne Zugang zu Fernsehen,
Telefon oder regelmäßige anwaltliche, familiäre oder andere Besuche. Das
Haftregime ist äußerst streng, so wurden willkürlich zahlreiche Haftverschärfungen
und Disziplinarstrafen verhängt. Seit knapp fünf Jahren sind zwar vier
weitere politische Gefangene auf İmralı inhaftiert, doch dieses Gefängnis
ist auf Isolation ausgerichtet. Der gezielte Entzug von äußeren Reizen,
die die Sinne der Gefangenen anregen könnten, ist als „weiße Folter“ anerkannt.
Auf İmralı kommt sie intensiv zum Einsatz. Mit diesem Gefängnis hat sich
das Anti-Folter Komitee des Europarats (CPT) bisher am häufigsten beschäftigt.
Zahlreiche Verfahren gegen die Türkische Republik sind aufgrund der Situation
Öcalans eingeleitet worden.
Diese Tatsachen lassen sich nur verstehen, wenn die Umstände des Kurdistan-Konflikts
Berücksichtigung finden.
Aufgrund seiner zentralen Rolle
innerhalb der PKK bezieht sich die kurdische Freiheitsbewegung und somit
ein Großteil der kurdischen Bevölkerung positiv auf Öcalan. 2006/ 2007
unterzeichneten 3,5 Millionen KurdInnen eine Erklärung, die Öcalan als
ihren Repräsentanten bezeichnete; diese Zahl ist von einem belgischen
Notar bestätigt. Angesichts der Repression gegen diese Unterschriftenaktion
ist die Zahl von 3,5 Millionen UnterzeichnerInnen – bei ca. 40 Millionen
KurdInnen – enorm. Auch über die politischen Lager innerhalb der kurdischen
Bevölkerung hinweg genießt Öcalan sehr hohes Ansehen, auch wenn seine
Person oft polarisieren mag.
Die kurdische Freiheitsbewegung, allen voran die PKK, hat immer wieder
betont, dass Öcalan für sie eine zentrale Rolle einnimmt. Auf theoretischer
und praktischer Ebene hat er wichtige politische Fortschritte initiiert
und ihnen oft genug den nötigen Nachdruck verliehen: die Geschlechterfrage
in den Vordergrund des Engagements zu stellen, einseitige Waffenruhen
auszurufen und Friedens-Delegationen zu entsenden, die eigenen Positionen
und Fehler selbstkritisch zu hinterfragen, auf die Konfliktpartei zuzugehen...
Diese Rolle wird von der kurdischen Seite stets betont und vom türkischen
Staat mittlerweile faktisch anerkannt. Öcalan legte 2009 die „Roadmap
zu Verhandlungen“ vor, auf deren Grundlage eine Reihe von Gesprächen zwischen
VertreterInnen der PKK und dem MIT in Oslo sowie Öcalan und dem MIT auf
İmralı stattfand. Somit wurde er auch von der AKP-Regierung – wie von
den Vorgängerregierungen auch – als Gesprächspartner akzeptiert und in
den Austausch zwischen den Konfliktparteien einbezogen. Dieser „Oslo-İmralı-Prozess“
wurde geheim geführt und im Sommer 2011, nach den Parlamentswahlen in
der Türkei vom Staat abgebrochen. Es folgte eine Totalisolation gegen
Öcalan, die ab Juli 2011 anderthalb Jahre andauern sollte. Wie die Erfahrung
bereits mehrmals gezeigt hat, nimmt Gewalt den Platz von Dialog ein, wenn
dieser abgebrochen wird, aber eigentlich notwendig wäre, um Konflikte
zu lösen. Während des Jahres 2012 eskalierte die Gewalt zwischen dem türkischen
Militär und der Guerilla der PKK wie seit den 90er Jahren nicht mehr –
regierungsnahe Kreise sprachen von einer „tamilischen Lösung“ der kurdischen
Frage, womit sie die militärische Zerschlagung der Bewegung unter Inkaufnahme
tausender ziviler Opfer und schwerster Menschenrechtsverletzungen meinten.
Dieser Versuch scheiterte (zum wiederholten Male). Die Guerilla ging stattdessen
in eine Offensive über und zwang das Militär in manchen Regionen Nordkurdistans
(Südosttürkei) zurück in seine Kasernen. In Kurdistan, der Türkei und
Europa protestierten KurdInnen in massenhaften Aktionen des zivilen Ungehorsams.
Im Herbst 2012 traten die politischen Gefangenen in den türkischen Gefängnissen
– seit 2009 durch Massenverfahren gegen zivile Strukturen bis zu 10.000
Personen – in einen unbefristeten Hungerstreik. Eine ihrer zentralen Forderungen
war, die Aufhebung der Totalisolation gegen Öcalan sowie seine Freiheit,
um Grundlagen für einen ernsthaften Friedensprozess zu schaffen. Der Druck
auf die Regierung war so stark, dass sie Ende 2012 erneut Gespräche mit
Öcalan suchte. Sie ließ ihn durch eine schriftliche Erklärung öffentlich
zu Wort kommen, woraufhin der Hungerstreik beendet wurde. Damit begann
ein Austausch, der bis heute andauert und konkrete Verhandlungen zwischen
den Konfliktparteien vorbereiten soll; der aktuelle „İmralı-Prozess“.
Im Zentrum des İmralı-Prozess
steht Öcalan: über den Geheimdienst führt er einen Dialog mit der Regierung
über Annäherungen der Konfliktparteien hin zu einem Prozess zur Lösung
des Kurdistan-Konflikts sowie der kurdischen Frage an sich. Er erhält
regelmäßig – etwa einmal im Monat – Besuch von Delegationen der prokurdischen
Partei für Frieden und Demokratie (BDP) sowie der Demokratische Partei
der Völker (HDP), die wiederum seine Einschätzungen und Vorstellungen
an die kurdische Bevölkerung sowie deren Freiheitsbewegung weitertragen
und zur Diskussion stellen. Öcalan erhält ab und zu die Möglichkeit, schriftliche
Erklärungen abzugeben oder (öffentliche) Briefe zu schicken, um verschiedene
gesellschaftliche AkteurInnen und Gruppen zu adressieren.
Die wohl wichtigste dieser Erklärungen war das zu Newroz 2013 veröffentlichte
„Manifest“, auch Newroz-Erklärung genannt. Diese richtete sich vor allem
an die türkische Gesellschaft, denn in ihr rief Öcalan alle Teile der
Gesellschaften in der Türkei dazu auf, aufeinander zuzugehen und ein gemeinsames
und friedliches Leben nach demokratischen und menschlichen Werten aufzubauen.
Öcalan erklärte, dass nunmehr die Zeit des bewaffneten Kampfs vorüber
sei und dieser durch einen rein politischen Kampf mit demokratischen Mitteln
ersetzt werden würde.
Als Antwort auf die Newroz-Erklärung rief die Dachorganisation der Freiheitsbewegung,
die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) einen dauerhaften
Waffenstillstand aus und kündigte einen schrittweisen Rückzug der Guerilla-Einheiten
nach eigenen Bedingungen vom türkischen Staatsgebiet an; dieser Rückzug
ist Anfang September zwar gestoppt worden, da die türkische Regierung
seit dem Frühjahr 2013 die militärische Infrastruktur in Nordkurdistan
massiv ausbaut, doch der Waffenstillstand wird sowohl von der Guerilla
als auch (weitestgehend) vom Militär eingehalten. Es kam das ganze Jahr
über zu nur vereinzelten Gefechten, was als großer Fortschritt und Erfolg
für beide Seiten gewertet werden kann. Nichtsdestotrotz werden weiterhin
polizeiliche und juristische Operationen gegen die zivilen Strukturen
der Freiheitsbewegung geführt, sodass von einer Entspannung der Lage nur
bedingt geredet werden kann.
Der militärische Rückzug der Guerilla wurde mit einer politischen Offensive
der Freiheitsbewegung begleitet. Der Journalist Tuncel Fikret beschreibt
diese Offensive wie folgt: „Die kurdische Bewegung verfolgt … parallel
eine Strategie von Druck und Überzeugung: Für ein Zusammenleben gilt es
die Türken von der Gleichberechtigung und die Kurden von einer Lösung
ohne eigenen Staat zu überzeugen.“ Durch die zögerliche bis ablehnende
Haltung des Staates ist die Freiheitsbewegung noch stärker darauf angewiesen,
breite gesellschaftliche Kreise von einer Lösung der kurdischen Frage
zu überzeugen und zivilgesellschaftliche Unterstützung eines darauf gerichteten
Prozesses zu organisieren. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Veranstaltungen,
Dialoge und Kampagnen gestartet. Dabei sollte sich die Bewegung vor allem
auf ihre eigene Stärke konzentrieren und vor allem die Gesellschaften
adressieren.
Dass ein solches Vorangehen noch enormes Potential birgt, dass die gesamte
Türkei in ihrer momentanen Ausgestaltung erschüttern kann, zeigten die
Gezi-Proteste Anfang Sommer 2013. Weite Teile der türkischen Bevölkerung
sind die Politik ihrer Regierungen und ein sich verschärfendes soziales,
religiöses und ökonomisches Klima ihrer Gesellschaft leid und bereit,
dagegen auf die Straße zu gehen. Die längst überfällige Demokratisierung
der Gesellschaft der Türkei wird vor allem durch die kurdische Freiheitsbewegung
und ihren Repräsentanten Abdullah Öcalan vorangetrieben. Ein Beispiel
für diese Behauptung ist die Demokratische Partei der Völker (HDP), die
aus dem Demokratischen Kongress der Völker (HDK) hervor gegangen ist und
eine breite Opposition der unterdrückten und ausgebeuteten Gruppen, Völker
und Religionsgemeinschaften werden soll. Im Grunde ist sie die einzige
demokratische Opposition der Westtürkei, da die BDP erklärt hat, sich
auf Nordkurdistan zu konzentrieren und mit der HDP gemeinsam zu arbeiten.
Solche Projekte zeigen, dass ein Ende des Kurdistan-Konflikts und eine
friedliche und gerechte Lösung der kurdischen Frage der gesamten Türkei
und dem gesamten Nahen und Mittleren Osten zugute kommen würden.
Vor dieser Erkenntnis scheint die Regierung nach wie vor ihre Augen verschließen
zu wollen. Ihre Versprechungen blieben bisher leere Worte oder lediglich
Politik für die eigenen Klientel, wie das im Vorfeld der Veröffentlichung
großgeredete „Demokratiepaket“ des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Dieses Reformpaket sollte kulturelle und politische Rechte stärken und
zur Demokratisierung der Türkei beitragen. Stattdessen war es inhaltlich
derart schwach, dass selbst europäische Medien es als Mogelpackung bewerteten.
Stattdessen wurde die militärische Infrastruktur in Nordkurdistan weiter
ausgebaut, polizeiliche Operationen gegen die linke und kurdische Opposition
und Zivilgesellschaft durchgeführt, die Lage im Syrien-Konflikt eskaliert;
also keine nachhaltigen Schritte für Veränderungen unternommen.
Trotzdem hält Öcalan am derzeitigen Prozess fest. Bedenken und wachsende
Unruhe in der kurdischen Bevölkerung sowie der Freiheitsbewegung macht
es den EntscheidungsträgerInnen innerhalb der Bewegung nicht einfach,
immer wieder auf den Dialog zu pochen; zu oft hat der Staat durch Gespräche
auf Zeit gespielt, um die eigene militärische Position zu verbessern und
dann den Plan der „tamilischen Lösung“ zu verfolgen. Dass dieser Prozess
trotz der realen Verweigerung der Regierung aufrecht erhalten wird, ist
zum bedeutenden Teil Öcalans Verdienst. Daher versuchen auch Kräfte innerhalb
und außerhalb des türkischen Staats, die vom Kurdistan-Konflikt profitieren
und deren Machtpositionen durch eine Demokratisierung der Türkei bedroht
sind, Öcalan als Person zu diskreditieren. Erst kürzlich wurde im Internet
ein Video veröffentlicht, das Öcalan kurz nach seiner Inhaftierung bei
einem Verhör durch den Geheimdienst zeigt. Das Video ist allerdings (sehr
dilettantisch) so zusammen geschnitten, dass die aneinandergereihten Worte
Öcalans einen anderen Sinn ergeben. Dieses Video ist vor allem ein Versuch,
einen Keil zwischen die kurdische Bevölkerung und Öcalan zu treiben und
ihn mit seinen Positionen für einen Dialog und Frieden zu isolieren.
Die MacherInnen des Videos wissen um die Bedeutung Öcalans für einen Frieden
und zielen ganz bewusst auf ihn ab. Ihnen ist klar, dass starke Persönlichkeiten
aus Politik und Gesellschaft in der Lage sind, die Gräben und Wunden,
die ein jahrzehntelanger Konflikt in eine Gesellschaft geschlagen hat,
zu überwinden und zu heilen. Solche Persönlichkeiten sind KatalysatorInnen
für die Versöhnung nach Konflikten und daher von großer Bedeutung für
einen dauerhaften und gerechten Frieden. Wenn wir etwas von Beispielen
wie Nelson Mandela in Südafrika, Gerry Adams in Nordirland oder Arnaldo
Otegi im Baskenland lernen wollen, dann, dass der Mut und die Beharrlichkeit
einzelner Persönlichkeiten große Dynamiken in gesellschaftlichen Konflikten
entfalten können. Sie gilt es nicht zu fürchten, sondern sie bei einer
friedlichen und gerechten Konfliktlösung zu unterstützen.
Diejenigen, die derzeit Öcalan angreifen, sind auch daran interessiert,
die AKP-Regierung zu schwächen. Sie diskreditieren die am İmralı-Prozess
beteiligten AkteurInnen, um den Prozess als solchen zu sabotieren. Diese
Kräfte gilt es zu entlarven und zu isolieren. Um ihnen etwas entgegen
zu setzen, dürfen sich alle Beteiligten nicht von einer ernsthaften Lösungsperspektive
abbringen lassen und müssen sich gerade jetzt für möglichst weitreichende
Fortschritte einsetzen. Meint es die AKP-Regierung ernst mit ihren Versprechen
an eine Konfliktlösung, ist es nun an ihr, die Vorleistungen der Freiheitsbewegung
mit tatsächlichen Veränderungen zu beantworten. Dazu bietet sich Öcalans
Situation geradezu an. Ihn in die Lage zu versetzen, seiner Verantwortungen
im İmralı-Prozess nachzukommen, wäre nicht nur ein starkes Zeichen der
Ernsthaftigkeit gegenüber der Freiheitsbewegung, der internationalen Öffentlichkeit
und der Gesellschaft der Türkei, sondern würde auch den Prozess als solchen
stabilisieren und neue Dynamiken verleihen.
Um dies zu tun, müssen einige
substantielle Veränderungen vorgenommen werden. Zunächst muss Öcalans
Sicherheit gewährleistet sein, dass heißt, seine Gesundheit und seine
Haftbedingungen müssen dahingehend gefördert werden, dass sie ihn nicht
behindern, am Prozess zu partizipieren. Unabhängige, internationale Stellen
wie das CPT könnten einen Beitrag dazu leisten.
Des Weiteren müssen Öcalan alle Rechte zustehen, die für Gefangene – auch
in türkischer Haft – selbstverständlich sind. Dazu zählt vor allem das
Recht auf juristische Verteidigung. Seit Juli 2011 wurde Öcalans AnwältInnen
jeglicher Besuch bei ihrem Mandanten untersagt, was einem eklatanten Verstoß
jeglicher rechtsstaatlicher Standards gleichkommt. Hingegen laufen Gerichtsverfahren
gegen Öcalans VerteidigerInnen. Solange diese Repression fortbesteht,
kann der Staat nicht das Prädikat eines Rechtsstaats für sich in Anspruch
nehmen, geschweige denn einen Prozess hin zu Verhandlungen führen.
Die Aufzählung solcher Selbstverständlichkeiten kann mit dem Zugang zu
Kommunikationsmitteln fortgesetzt werden. Öcalan ist es als einzigem Gefangenen
der Türkei nicht gestattet zu telefonieren. Bis auf die BDP-Delegationen
und wenige Familienbesuche sowie einzelne schriftliche Stellungnahmen
und Briefe ist es ihm nicht möglich, mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Selbst diese eingeschränkten Möglichkeiten finden momentan in einer rechtlichen
Grauzone statt und bedürfen dringend eines legalen und anerkannten Rahmens.
Zum einen sollten auch andere Teile der Zivilgesellschaft wie JournalistInnen,
AktivistInnen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder FreundInnen
und Familie Besuchsrecht auf İmralı erhalten, zum anderen sollte der Austausch
über Briefe, Telefon etc. Öcalan derart zur Verfügung stehen, dass er
mit den verschiedenen AkteurInnen des Konflikts frei kommunizieren kann.
Solche Veränderungen wären erste wichtige Schritte in einem Prozess, in
dessen Verlauf oder an dessen Ende ehrliche Verhandlungen über eine Konfliktlösung
stattfinden. Sie sollten unter anderem mit einer Einstellung der politischen,
polizeilichen und juristischen Operationen gegen die kurdische Bewegung
einhergehen sowie mit der Einführung des Kurdischen als offiziell anerkannte
Sprache des öffentlichen Lebens und ähnlichen kulturellen Rechten, dem
Herabsetzen der undemokratischen 10%-Wahlhürde für das Parlament der Türkei
und der Anerkennung kommunaler Selbstverwaltung oder der Freilassung der
tausenden politischen Gefangenen, zu denen gegen Ende eines Lösungsprozesses
auch Abdullah Öcalan gehören muss.
Vor dem Hintergrund dieser
Überlegungen solidarisieren wir uns mit Abdullah Öcalan und wünschen ihm
trotz des 15. Jahrestages seiner Verschleppung beste Gesundheit und baldige
Freiheit.
Wir versprechen ihm und der kurdischen Freiheitsbewegung weiterhin für
seine Freiheit und eine friedliche und gerechte Lösung der kurdischen
Frage zu kämpfen.
Daher fordern wir:
Freiheit für Abdullah Öcalan und die politischen Gefangenen in der Türkei!
Unterstützung des İmralı-Prozesses zu Verhandlungen über die Lösung der
kurdischen Frage!
Demokratie für die Türkei sowie Freiheit für Kurdistan!
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