Das Twitter-Verbot – eine Sabotage des Friedensprozesses in Türkei

Der Ministerpräsident der Türkei Recep Tayyip Erdoğan bezweckt durch das Verbot von Twitter die Erklärung Abdullah Öcalans zum ins Stocken geratenen Friedensprozess in der Türkei zu sabotieren.
Ziel ist es, durch eine sensationelle Aktion die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der Erklärung Öcalans abzulenken, so dass die Auseinandersetzung mit ihr auf türkischer Seite deutlich weniger intensiv geführt wird und somit deren Wirkung größtenteils verpufft.
Erdoğan und seine AKP sind im Zuge des Gezi-Aufstands, des Machtkampfes mit der Gülen-Sekte und des massiven Korruptionsskandals in die Enge geraten. Im Grunde genommen hat die AKP-Regierung nach den Mindeststandards für eine demokratische Gesellschaft längst ihre Legitimation verloren. Die türkische Regierung und seine Elite haben einen allumfassenden Mafiastaat aufgebaut, der nun im Zuge des Machtkampfes mit der ehemals verbündeten Gülen-Sekte mit all seinen Facetten aufgedeckt wird.
Nun versuchen Erdoğan und seine AKP, die allmählich auch bei den Wählern ihre Gunst einbüßen, zu retten was noch zu retten ist. Dabei spielen die Gedanken um die Zukunft der Gesellschaft in der Türkei keinerlei Rolle. Den Akteuren ist klar, dass sie bis vors Gericht gezerrt werden könnten. Daher liegt es nicht im Interesse der AKP die Türkei, ihre Politik und Gesellschaft zu demokratisieren. Dies würde bedeuten, dass Verbrechen objektiv geahndet werden müssten. Man kann im Moment beobachten, wie die AKP versucht, alte faschistoide Kreise zu reaktivieren, die sie selbst Jahre zuvor als Gegner im Machtkampf neutralisiert hatte.
Kurz gesagt, es gilt zu verhindern, dass die Gespräche mit Öcalan in Friedensverhandlungen münden. Denn dann könnte niemand mehr die sich entwickelnde Dynamik – und damit eine Demokratisierung der Türkei – stoppen. Dies würde zugleich auch ein schnelles Ende der AKP bedeuten.
Daher ist es für die AKP von enormer Bedeutung die Entwicklungen zu bremsen, wenn möglich gar zu sabotieren. Das Verbot von Twitter wurde über zwei AKP-Minister initiiert und von Erdoğan bereits mehrmals, im Besonderen gestern in aller Öffentlichkeit mit Vehemenz, gefordert. Nun zielt das Verbot auf eine Sabotage der Erklärung Öcalans in Bezug auf den Friedensprozess ab. Es gilt zu verhindern, dass bereite Schichten außerhalb der kurdischen Gesellschaft sich mit der Erklärung Öcalans, wie bereits im letzten Jahr, auseinander setzen.
Auf den ersten Blick scheint das der AKP und Erdoğan bestens zu gelingen, denn kaum ein nennenswertes Medium befasst sich ernsthaft aktuell mit den Neujahrsfeierlichkeiten in Amed (Diyarbakir) wo die Erklärung Öcalans verlesen werden soll. Diese gilt als Perspektive für den weiteren Verlauf der Friedensbemühungen in der Türkei. Hätte die AKP die Erklärung Öcalans behindert, so wäre sie der aktiven Sabotage beschuldigt worden. In der aktuellen Phase ist die AKP so stark geschwächt, so dass sie sich eine offene Sabotage nicht leisten kann.
Man sollte auch stark berücksichtigen, dass die Erklärung Öcalans einen enormen Einfluss auf den Wahlausgang zur Kommunalwahl am 30. März ausüben kann. Die Frage ist nur, ob diese prinzipienlose Politik und Strategie der AKP auch Erfolg haben wird?!
Hierauf wird die Gesellschaft in der Türkei und Kurdistan am 30. März mit ihrer Wahl gegen die AKP reagieren. Denn Fakt ist, dass der Fall der AKP tiefer sein wird, als in den von ihnen selbst erstellten und lancierten Umfragen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass in der Türkei, ähnlich wie in Kurdistan, die demokratischen Kräfte deutlich zunehmen. Hierbei bietet sich die Demokratische Partei der Völker (HDP), deren Abgeordneter Sirri Süreyya Önder als einer der ersten und wenigen Abgeordneten den Gezi-Widerstand gegen die ignorante und gierige Politik der AKP geführt hat, als echte Alternative an.


Sores Kendal, 21. März 2014