Newroz
in Amed, 21.3.
Zentrale Losung der diesjährigen Newrozfeier in Amed war: Ein freier Vorsitzender,
ein freies Kurdistan!
Übereinstimmend berichten alle Medien in der Türkei von 3 Millionen Menschen.
Es gab, immerhin das erste mal, ein Grußwort der Guerilla aus den Kandilbergen,
Eine Frau aus Rojava ließ die Feiernden an ihrem Aufbruch unter der kurdischen
Sonne und dem Stern der YPJ teilhaben. Immer wieder wurden wir willkommen
geheißen, Hoffnung war spürbar, dass KurdInnen vielleicht irgendwann doch
nicht mehr völlig ohne Freunde in der Welt dastehen mögen, dass es auch
für sie auf der Welt einen Plätz gäbe, wo sie in Frieden ihr Leben mit
allen anderen leben können - in Würde nach ihrer Facon, selbstbestimmt,
respektiert und solidarisch.
Abdullah Öcalans Botschaft
wurde auf Kurdisch und Türkisch verlesen. Wie immer politisch, viel beachtet.
Die Welt täte gut daran, die Botschaft zu hören. In einer Zeit fortschreitenden
Wahnsinns in der Türkei und im gesamten Nahen Osten scheinen die von der
Welt alleine gelassenen KurdInnen die einzigen zu sein, die den Pfad der
Vernunft eingeschlagen haben und sich der Entwicklung eines Gesellschaftsmodells
verschrieben haben, das für sie und alle Menschen und Völker der Region
ein Licht in finsterer Zeit bedeuten kann.
Rojava zeigt, dass das real ist. Aber auch hier in Amed bei Newroz ist
spürbar: an uns kommt niemand mehr vorbei.
22.03.2014
Bei einem zufällig zustande gekommenen Gespräch in einem Wahlkampfbüro
der BDP im Stadtteil Sur betonen unsere GesprächspartnerInnen, wie wichtig
es für sie sei, Kontakt zu solidarischen Menschen in Europa zu bekommen,
um dort ihre Anliegen weiterzuverbreiten. An die Stelle einer vielleicht
einmal dagewesenen Hoffnung auf die Unterstützung durch Kooperation mit
irgendwelchen europäischen Staaten/staatlichen Stellen ist desillusionierter
Realismus getreten: Sie setzen auf die Menschen, auf die Bewegungen in
Europa.
Ihr eigenes Wirken (in Bezug auf die Demokratische Autonomie beschreiben
sie n bildhafter Sprache: Wir haben einen Baum gepflanzt, ihn bewässert,
lassen ihn wachsen, aber die Früchte, die er einmal tragen wird, werden
wir mit allen teilen.
Stolz sind sie auf die Doppelkandidaturen von einer Frau und einem Mann
auf ihren Wahllisten.
Wir möchten wissen, welche
Chancen der Hüda-Par eingeräumt werden. Diese Nachfolgeorganisation der
kurdischen Hisbollah, einer Killertruppe des tiefen Staates, die für tausende
Ermordete und Verschwundene in den 90-erjahren verantwortlich ist, erscheint
nun als legale Partei, als weitere Provokation des tiefen Staates, um
Unruhen, weiteres Leid und blutige Auseinandersetzungen auf die Straßen
Kurdistans zu bringen. Apo hat deshalb die Devise ausgegeben, dass es
in diesem Wahlkampf nicht eine einzige blutige Nase geben darf. Die BDP
hat entschieden, nicht auf sie zu reagieren. „Wenn wir auf die ständigen
Provokationen der Hüda-Par reagieren würden, wären die Straßen voller
Blut.“
Der Vorsitzende der Hüda-Par
ist ein verurteilter Massenmörder, der amnestiert wurde, um hier seinen
ihm zugedachten Job zu erledigen. Er hat seinerzeit seine Opfer in mit
Säure gefüllten Gräben ermordet. Auch einer unserer Gesprächspartner war
einige Monate in einer Höhle gefangen und wurde gegen ein Lösegeld freigelassen,
weil er einer einflussreichen Familie entstammt.
Auf Nachfrage hieß es, die
Hüda-Par sei auf dem Land nicht stark verankert, sie hätten nur in Städten
ein paar Büros, bis auf ihre Werbung seien sie nicht präsent.und sie können
ihren Wahlkampf nur unter Polizeischutz durchführen.
Auf dem diesjährigen Newrozfest
waren zum wiederholten Mal auch zahlreiche Regenbogenfahnen zu sehen,
die von Mitgliedern einer lokalen LGBT-Organisation getragen wurden:„Keskesor“
(Regenbogen) ist eine AktivistInnengruppe aus Amed. Eine ältere und bekanntere
kurdische LGBT-Organisation ist „Hebûn“, die landesweit organisiert ist.
Keskesor hatte für den 22.03. zu einer gut besuchten Diskussionsveranstaltung
zum Thema Transsexualität eingeladen, Veranstaltungsort war der städtische
Sümer-Park, Referentinnen waren zwei Aktivistinnen von Pembe Hayat (dt.
Rosa Leben) aus Ankara und Istanbul. Ihre Organisation bietet vor allem
rechtliche Beratung an und dokumentiert gewaltsame Angriffe auf die LGBT-Community.
Sie berichteten auch von ihren ganz persönlichen Erfahrungen und Problemen,
mit denen sie als Transsexuelle konfrontiert sind. Eine von ihnen ist
Kurdin und betonte, dass sie ihr Freiheitsverständnis von der kurdischen
Freiheitsbewegung gelernt hätte und dass es jetzt darum gehen müsse, sich
als LGBT-AktivistInnen in den gesellschaftlichen Prozess einzubringen:
„Es gibt in Kurdistan die Chance, ein neues System aufzubauen, da müssen
wir mit anpacken. Wenn wir diese Chance verpassen, werden wir uns in 10
Jahren ärgern.“
23.03.2014
Heute nahmen wir an einem von DTK und BDP organisierten internationalen
Panel über Modelle demokratischer Autonomie in der Stadtverwaltung von
Bağlar teil. Die Begrüßungsworte sprach Gültan Kisanak, Co-Vorsitzende
der BDP und Kandidatin für das BürgermeisterInnenamt in Amed. „Wenn die
Türkei nicht gespalten sein will, wenn wir in Freiheit und in Frieden
zusammen leben möchten und keinen autoritären Führungsstil einer Zentralregierung
wollen, führt kein Weg an der Demokratischen Autonomie vorbei.“
Weitere RednerInnen waren Flora Aguilar Fernandez, Abgeordnete aus Bolivien,
Jon Inarritu aus dem Baskenland, Demir Celik (DTK) und Asya Abdullah,
Co-Vorsitzende der PYD aus Rojava.
Asya Abdullah: „Im Geiste der Geschwisterlichkeit der Völker versuchen
wir, unsere Konflikte demokratisch zu lösen. Wir werden die Grenzen Syriens
bis zum Schluss verteidigen, aber auch unsere Gemeinschaften. Wir wollen
nicht die Spaltung Syriens. Diejenigen, die Waffen nach Syrien schicken,
spalten das Land, auch die syrische Regierung mit ihrem Herrschaftsverständnis.
Jede Kultur, jede Gemeinschaft soll sich vertreten fühlen, das versuchen
wir in unseren drei Kantonen, aber in Syrien könnten weitere Kantone entstehen,
die sich selbst verwalten. Syrische Intellektuelle und Akademiker diskutieren
unser Modell. Sie sollten es für sich entwickeln und einführen. Alle sollten
dafür arbeiten, auch auf internationaler Ebene!“
Ende Bericht, gute Nacht und
liebe Grüße
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