Frauen aus Syrien und Rojava sind in Südkurdistan sexuellen Angriffen ausgesetzt

MERAL ÇİÇEK – HEWLÊR 30.04.2014

Die Frauenorganisation UN WOMAN der Vereinten Nationen hat die Gewalt gegen die weiblichen Flüchtlinge aus Syrien und Rojava in Südkurdistan untersucht. Sie unterstrich, dass die Frauen im Alltag ständigen Angriffen und Gewalt ausgesetzt sind und rief jeden dazu auf, die politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die syrischen Flüchtlinge nach Hause zurück können.

UN WOMAN hat die Gewalt, die Frauen aus Syrien und Rojava in Südkurdistan erleiden, untersucht. Die Frauenorganisation der UN stellte die Ergebnisse der Untersuchung mit der Veröffentlichung des 90seitigen Berichts – „We just keep silent (Wir schweigen)“ – Sexuelle Gewalt gegen syrische Flüchtlinge in Irak-Kurdistan“ der Öffentlichkeit vor.

In dem Bericht über die Flüchtlinge aus Syrien und Rojava im Irak und Südkurdistan stellte sie fest, dass „nach offiziellen Zahlen 2 450 513 Syrier seit Februar 2014 ihr Land verlassen haben und 224 356 syrische Flüchtlinge in den Irak geflohen sind“.

Es wird im Bericht darauf aufmerksam gemacht, dass 97 % davon im Gebiet Kurdistans leben und sich die Zahl der syrischen Flüchtlinge in Südkurdistan seit Februar 2013 verdoppelt hat.

Zudem wird im Bericht erklärt, dass 43 % dieser Flüchtlinge in Südkurdistan in Lagern leben und die restlichen sich versuchen in den Städten über Wasser zu halten. Es wird außerdem festgestellt, dass „47,5 % der in Irak gemeldeten Flüchtlinge aus Syrien Frauen“ sind.

Für die Untersuchung wurden zwischen August und Dezember 2013 sowohl in den Lagern als auch in den Städten 1660 Familien befragt. Zudem wurden 19 Gruppendiskussionen mit Frauen, Männern und Jugendlichen geführt und mit 27 Fachleuten gesprochen. Zusammengefasst wird im Bericht darauf hingewiesen, dass das Risiko für männliche Gewalt gegen die Flüchtlingsfrauen in Südkurdistan gestiegen ist.

Im Bericht werden folgende Ergebnisse dargestellt:

„Verheiratete Frauen sind mit der Flucht einer stärkeren Gewalt durch ihre Ehemänner ausgesetzt. Insbesondere arbeitslose Männer neigen stark dazu, gewalttätig zu werden.

Junge Frauen haben Angst vor Zwangsverheiratung.

Frauen, die außerhalb der Auffanglager arbeiten, sind sexuellen Angriffen durch ihre Arbeitgeber oder den Taxifahrern, die sie zur Arbeit fahren, ausgesetzt.

Sowohl in den Lagern als auch außerhalb davon arbeiten Flüchtlingsfrauen als Sexarbeiterinnen.

Die Männer, mit denen geredet wurde, machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Frauen und Töchter.

Sowohl innerhalb der Familie (Ehemänner, Väter und sogar Brüder) als auch außerhalb (Arbeitgeber, Taxifahrer, staatl. Bedienstete, andere Arbeiter oder Flüchtlingsmänner) gibt es sexuelle Angreifer.“

Im Bericht werden Zahlen zu unterschiedlichen Arten von Gewalt, denen die Frauen aus Syrien und Rojava ausgesetzt dargestellt. 82 % der Frauen, mit denen im Rahmen der Untersuchung gesprochen wurde, erklärten, dass sie tagtäglich Angst vor männlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen haben. 35 % erklärten, dass sie aus diesem Grund ihre Häuser nicht verlassen. Am häufigsten sind Frauen sexuellen Angriffen ausgesetzt. Die Flüchtlingsfrauen erklärten, dass sie am häufigsten auf öffentlichem Gelände, in Taxis oder am Arbeitsplatz Angriffen ausgesetzt sind. Eine hohe Zahl von Frauen erklärte, dass sie angesprochen würden – „Ich weiß, dass ihr aus Syrien seid und ich habe Geld.“ – und dass in ihre Zelte in den Lagern eingedrungen werde und sie dort angegriffen werden. Dies alles führt dazu, dass die Frauen in ihrem alltäglichen Leben stark eingeschränkt sind.

Einige der Frauen, mit denen im Rahmen der Untersuchung Gespräche geführt wurden, erklärten, dass ihre Väter, Ehemänner oder Brüder sie beschuldigen, wenn sie von den Übergriffen erfahren. 7 der Frauen gaben an, dass sie nach dem Bekanntwerden der Angriffe gegen sie auch ihre Familie Gewalt gegen sie ausübte.

Auffällig war der Punkt, dass auch Männer von Hilfsorganisationen manchmal ihre Stellung ausnutzen und die Frauen auszubeuten versuchen. Nach Aussagen des Berichts erzählten Frauen aus einem Auffanglager, dass Männer von Hilfsorganisationen mit den ausgeteilten Hilfen Frauen „Du bist jung und schön, werde meine Freundin und du bekommst alles was du willst“, belästigen.

Auch Zwangsverheiratungen sind laut Bericht stark angestiegen. Es wird festgestellt, dass dies mit der wirtschaftlichen Lage der Flüchtlinge zusammenhängt. Familien aus Rojava werde in Südkurdistan 10 000 Dollar Brautgeld gezahlt. In zwei der vier Auffanglager wurde erzählt, dass nichtsyrische Männer sich dort Bräute kaufen würden. Es wird auch ausgesagt, dass gegen Geld kurzfristige Ehen eingegangen werden, die zur Prostitution führen.

Die UN WOMAN kritisiert in ihrem Bericht die Regierung der Föderation Kurdistans damit, dass sie den Gewalt erleidenden Frauen keine genügende Unterstützung anbietet und keine Hilfen entwickelt. Auch im gesamten werden den Flüchtlingen aus Rojava und Syrien nicht genügend Hilfen angeboten, unterstreicht der Bericht der UN WOMAN und ruft die Regierung zu folgenden auf:

„Unterstützungs- und Unterkunfsthilfen für Flüchtlinge, die nicht in den Lagern leben und im Zusammenhang damit auch die Sicherstellung der Sicherheit der Frauen und Mädchen.

Um die Gewalt gegen Frauen zu unterbinden, müssen die Gesetze verstärkt werden und Täter müssen bestraft werden.

Entwicklung neuer Programme bzw. Verstärkung vorhandener, um die Beschäftigten in Sicherheit und Justiz gegenüber Themen wie männlicher Gewalt zu sensibilisieren.

Den Dialog und die gemeinsame Arbeit zwischen südkurdischen Frauen, Nichtregierungsorganisationen und Frauengruppen aus Rojava aktiv stärken und erleichtern.“