Der Anschlag auf die Stadtverwaltung von QamisloAm 10.05.14 besuchten wir die Stadtverwaltung von Qamislo. Qamislo ist eine mehrfach geteilte Stadt. Auf der anderen Seite der türkischen Grenze liegt die Stadt Nusaybin, ursprünglich eins mit Qamislo. Die Stadtverwaltung liegt im Zentrum der Stadt Qamislo zwischen Straßen, die teilweise vom syrischen Regime kontrolliert werden, teilweise von der Rätebewegung. Schon vor der Stadtverwaltung fallen die Panzersperren und die Wachen auf. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden nach einem Anschlag Ende April verschärft. Im Eingang hängt ein Bild von zehn BesucherInnen und MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung, die zwei Wochen zuvor durch einen Selbstmordanschlag der Organisation ISIS (Islamischer Staat Irak und Syrien) ermordet wurden. Am Gebäude selbst sind noch immer massive Schäden zu sehen, Teile sind sogar eingestürzt. Die beiden Selbstmordattentäter erschossen die Wachen vor der Tür, drangen in das Gebäude ein, warfen Handgranaten in jeden einzelnen Raum. Auch der Bürgermeister wurde verletzt und geht noch immer an Krücken. Auch seine Kollegin, die Bürgermeisterin Ruken, war am Tag des Anschlags in der Stadtverwaltung. Sie überlebte mit neun Frauen, die sich im Badezimmer versteckt hatten. Einer der Terroristen lief auf den Raum zu, ein zufällig im Gebäude anwesender junger Mann aus der Verteilstelle für Lebensmittel der Stadtverwaltung erkannte die Absicht des Attentäters. Er warf sich auf ihn, hielt ihn fest bis die schon entsicherten Handgranaten explodierten. „Er hätte sich über den Balkon retten können, aber als er gesehen hat, dass wir Frauen dort im Badezimmer waren, hat er unser Leben gerettet und sich selbst geopfert“, berichtet Ruken. Acht Mitglieder der Stadtverwaltung und zwei Zivilisten wurden ermordet, unter ihnen der junge Awaz, der gerade in der Stadtverwaltung war, um das Aufgebot für seine Hochzeit zu bestellen. Die Frauenvertreterin von Qamislo, heval Helepce, war auch unter den Ermordeten, sie war im sechsten Monat schwanger. Einige Tage zuvor waren wir in der Verwaltung des Stadtteils Kornish. Hemrin Xelil, einer der drei Frauen in der Stadteilverwaltung, die für die Sauberkeit des Stadtteils, für die Verteilung von Wasser, Brot und Elektrizität zuständig sind, erzählte von Helepce, die hier gearbeitet hat: „Sie wollte den Stadtteil begrünen, damit die Kinder Platz zum Spielen haben. Wir haben hier in der Nähe einen Park eröffnet, im Gedenken an die Freundin Helepce.“ Sie zeigt uns das Büro der ermordeten Freundin. Hier sind noch überall ihre Einträge und ihre Unterschriften, jeden Tag, wenn ich hierherkomme, sehe ich das.“ Helepce war zur Ausbildung in Amed (tr. Diyarbakir), in Nordkurdistan. „Sie war hier diejenige, die sich am besten auskannte, die am besten wusste, wie was zu tun ist. Wir haben viel von ihr gelernt.“ Ruken erzählt uns ihre Eindrücke: „Überall war Blut, Fleischfetzen, Patronen. Zehn FreundInnen sind gefallen. Dreizehn Minuten hat der Anschlag gedauert. In jedes Zimmer wurden Handgranaten geworfen, nur die im Badezimmer haben überlebt. Es kommt mir vor, als hätte das zehn Jahre gedauert. Nach drei Tagen haben wir geöffnet und alles sauber gemacht. Am Anfang sind wir fast vor Angst gestorben, wenn auch nur ein Kugelschreiber heruntergefallen ist. Einmal ist eine Glühbirne geplatzt, ich bin vor Angst weggerannt.“ Die Gefallenen: Die Stadtverwaltung von Qamislo ist ein herausragendes Beispiel für den Widerstand der Bevölkerung von Rojava. Trotz des Terrors von ISIS und anderen, lassen sich die MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung nicht einschüchtern und versuchten so schnell wie möglich wieder ihre Dienste der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Delegation der Kampagne
TATORT Kurdistan, 20.05.2014 |