Massive Angriffe auf Êzîden in Şengal - weiteres Massaker nur eine Frage von Stunden -Islamisten des IS auf dem Vormarsch - Zwangsislamisierung und Massaker an Êzîden und andere Glaubensgemeinschaften in Şengal

In der Nacht vom 02. auf den 03.08.2014 wurden die Gebiete in und um Şengal von den Islamisten der Terrororganisation IS (Islamischer Staat, ehemals ISIS), mit u.a. aus dem Irak erbeuteten Waffen, überfallen. Hierbei wurde unter anderem das Stadtzentrum von Şengal von den Islamisten eingenommen. Auch außerhalb des Stadtzentrums wurden vielerorts Fahnen des IS gehisst. Der größte Teil der êzîdisch-kurdischen Bevölkerung von Şengal befindet sich derzeit auf der Flucht. Es wird von bis 200.000 Menschen gesprochen, die aus Şengal und der Umgebung flüchten mussten, um ihr Leben zu retten. Wer über Fahrzeuge verfügt oder Platz in welchen fand, konnte in Richtung Dihok (Dohuk) im Norden fliehen. Die meisten Menschen schafften es allerdings nur zu Fuß in die umliegenden Şengalberge. Was sich allerdings auf diesen Bergen derzeit abspielt, kann nur als humanitäre Katastrophe bezeichnet werden. Den Menschen fehlt es an Wasser und Nahrung. Vor einigen Tagen war die Rede von 300 toten Kindern, die auf den Şengalbergen verdursteten. Mittlerweile dürfte die Zahl noch viel höher sein. Reporter, die über die Berge mit Helikoptern der irakischen Armee flogen, berichten von überall zerstreuten Leichnamen und den Geruch des Todes auf den Bergen

Was in Şengal selbst passiert, kann nur als Genozid bezeichnet werden. Bereits kurze Zeit nach der Einnahme der Stadt durch die Islamisten war von bis zu 3.000 getöteten Menschen die Rede. Davon berichteten Menschen, die in letzter Sekunde vor dem IS fliehen konnten. Auch wird von der Entführung von hunderten jungen Frauen berichtet, die als Sklavinnen der Islamisten gehalten oder auf Bazaren in anderen Städten des „Islamischen Staates“ verkauft werden. Aktuell kann niemand das ganze Ausmaß des Schreckens abschätzen, weil die Informationen aus der Stadt nur sehr langsam nach außen gelangen.

Die Bevölkerung von Şengal hatte vor den Angriffen des IS mehrfach die politischen Verantwortlichen dazu aufgerufen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Stadt zu verstärken, da die dort lebenden Êzîden erklärtes Ziel der Islamisten seien. Ein Angebot der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK aus den Kandilbergen, dass die Volksverteidigungskräfte HPG für den Schutz von Şengal sorgen könnten, wurde von der KDP unter der Führung von Barzani nicht gestattet. Doch als die Kämpfer des IS Şengal angriffen, flohen die Peshmergekräfte der KDP und überließen die Bevölkerung sich selbst. Allerdings kämpften sich die Mitglieder der Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) bis zu den Hängen der Şengalberge vor, und retteten mehrere zehntausend Menschen aus den Bergen. Derzeit werden sie auch von den HPG-Einheiten aus den Kandilbergen unterstützt, die gemeinsam gegen die Islamisten in Şengal kämpfen.

Die Stadt Şengal gilt als heilige Stätte für die Glaubensgemeinschaft der Êzîden. Sie war bereits im August 2007 Angriffsziel islamistischer Organisationen. Bei mehreren zeitgleichen Bombenanschlägen wurden damals über 700 Zivilisten ermordet. Die Bevölkerung von Şengal gehört der kurdischen Religionsgemeinschaft der Êzîden an. Die Tötung von Êzîden ist für die Islamisten ein legitimes Mittel dar, um die die sogenannten „Kafir“ (Gottlosen/Ungläubigen) aus der Region zu vertreiben und ihren eigenen „islamischen Staat“ auszuweiten. Außerdem beabsichtigen die Islamisten mit der Einnahme von Şengal für sich einen Korridor von Mosul über Tal Afar und Şengal in Richtung Westen nach Rojava (Nord-Syrien) zu errichten.

Wir befürchten nach der aktuellen Lage in Şengal eine noch größere Gefahr für die in Süd-Kurdistan/Nord-Irak sowie Irak lebenden Êzîden, da ähnliche Situationen immer wieder zu weiteren Übergriffen bis hin zu Massen-Lynchattacken geführt haben. Wir, als Föderation der Êzîdischen Vereine in Deutschland, verurteilen auf schärfste die Angriffe und Ermordungen durch die IS, welche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Diese müssen ein sofortiges Ende finden. Es droht ein neuer Genozid an der êzîdisch-kurdischen Bevölkerung. Aber auch alle anderen Bevölkerungsgruppen in der Region, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Islamisten passen, sind von Massakern bedroht. Der Schutz so wie die Verteidigung der Êzîden ist unabdingbar und muss sofort gewährt werden. Darüber hinaus fordern wir, dass sämtliche demokratisch-fortschrittliche Organisationen, Institutionen, Menschenrechtsorganisationen sowie und die internationale Staatengemeinschaft endlich handeln und diesen Unmenschlichkeiten Einhalt bieten. Vor allem die Bundesrepublik Deutschland steht hier in großer Verantwortung, da viele êzîdische Kurden deutsche Staatsbürger sind und den Schutz ihrer Glaubensgeschwister in der Heimat als ihren Schutz definieren. Des Weiteren verurteilen wir alle Mächte, die die Grausamkeiten des IS dulden und unterstützen! Wir rufen die internationale Öffentlichkeit dazu auf, das Schweigen sofort zu brechen und für die Menschlichkeit zu handeln!

Unsere gemeinsame Solidarität zum Widerstand in Şengal ist heute dringender denn je! Lasst uns weitere Genozide an der êzîdisch-kurdischen Bevölkerung und allen anderen Bevölkerungs- und Glaubensgemeinschaften durch das Erheben unserer Stimme für Frieden und Freiheit verhindern!

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Gemeinsam gegen Menschenverachtung und Massaker -
Zusammen für Frieden und Menschlichkeit!

weiterführende Informationen: www.civaka-azad.org, www.isku.org, www.tatortkurdistan.blogsport.de

Sulingen 13. August 2014

FKÊ - Föderation der Êzîdischen Vereine e.V.
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