Der Angriff auf Şengal ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit

- Jeder Mensch steht hier in der Pflicht und Verantwortung, die Menschlichkeit zu verteidigen und zu schützen -

Islamisten der IS auf dem Vormarsch – Zwangsislamisierung, Genozide und Massaker an Eziden und andere Glaubensgemeinschaften

Seit Monaten terrorisiert die menschenverachtende Organisation Islamischer Staat (IS) Kurdistan und den Mittleren Osten. Mit äußerster Härte greift sie vor allem Rojava (Westkurdistan/ Nordsyrien) an. Rojava gliedert sich in drei Kantone und wird von der Bevölkerung selbst verwaltet. Vor allem der Kanton Kobanê muss sich seit dem Frühjahr verstärkt gegen die Angriffe des IS verteidigen, welcher nach der Übernahme von Mossul und Tikrit Mitte Juni des Jahres seine Angriffe auf Kobanê ab dem 2. Juli mit den von der irakischen Armee erbeuteten schweren Waffen gestärkt und mit neuer Härte und Brutalität fortgesetzt hat.

Doch der IS greift KurdInnen nicht nur in Rojava an, sondern hat seine Offensive auf Südkurdistan/Nordirak ausgeweitet. Binnen weniger Tage brachte er große Gebiete in Südkurdistan unter seine Kontrolle. Wenige Wochen nachdem der IS die Stadt Mossul eingenommen hatte, eroberte er die Region Şengal/Sinjar. Dies ist das Hauptsiedlungsgebiet der ÊzîdInnen, einer 4000 Jahre alten, nur unter KurdInnen anzutreffenden monotheistischen Religionsgemeinschaft.

In der Nacht vom 02. auf den 03. August 2014 begannen die brutalsten Verfolgungen der Eziden in Şengal durch die Terrororganisation IS. Nach örtlichen Einschätzungen wurden seither mehr als 5.000 Menschen hingerichtet - über 300.000 Eziden sind auf der Flucht und nun im kurdischen Kanton Cizire in Rojava (West-Kurdistan/Nord-Syrien) (25.000), in der Region Kurdistan/ Nord-Irak (ca. 170.000) oder in der Ost-Türkei (6.000). Des Weiteren befinden sich noch immer Tausende Flüchtlinge auf den Şengalbergen – jedoch auch unzählige Leichen von Verdursteten und Verhungerten. Die humanitäre Situation vor Ort ist katastrophal. Viele der Familien schafften es, nach Rojava zu flüchten, wo sie von der PKK-Guerilla und der YPG (Volksverteidigungseinheiten in Rojava) beschützt werden. Auch das UN-Flüchtlingscamp Maxmur wurde aufgrund der Angriffe des IS evakuiert.

Die menschenverachtenden Taten der IS haben keine Grenzen – der Unmenschlichkeit. Diese reichen von Entführungen, Folterungen, Vergewaltigungen bis hin zu gezielten Ermordungen – auch der Menschenhandel ist keine Seltenheit mehr – insbesondere Frauen und Kleinkinder sind betroffen.. Tausende Mädchen und Frauen werden vergewaltigt, verschleppt und als Slavinnen verkauft. Als wäre diese Brutalität nicht genug, werden die Hinrichtungen gefilmt und Kämpfer posieren vor den Kameras mit den Köpfen ihrer Opfer. Jeder Mensch ist gefährdet, der nicht in das salafistische Weltbild der Organisation passt, politische GegnerInnen, Frauen generell, andere Ethnien, „Andersgläubige“ – vor allem ÊzîdInnen und ChristInnen sind einer großen Gefahr des Genozides ausgesetzt, der in Teilen bereits stattgefunden hat. Neuesten Berichten von drei geretteten Augenzeugen aus der Region zufolge wurden 600 Menschen am Sonntag, dem 17. August in einer Schule massakriert, weil sie sich geweigert hatten, bis zur vom IS gesetzten Frist zu konvertieren.

Es sind vor allem die organisierten Verteidigungskräfte der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans, die HPG Guerilla der PKK und die Volksverteidigungseinheiten YPG aus Rojava, die zehntausenden ÊzîdInnen, AssyrerInnen, TurkmenInnen, ChristInnen und SchiitInnen gegen den IS Schutz boten und bieten.

Şengal gilt als heilige Stätte für die Glaubensgemeinschaft der Êzîden. Sie war bereits im August 2007 Angriffsziel islamistischer Organisationen. Bei zeitgleichen Bombenanschlägen wurden damals über 700 Zivilisten ermordet. Die Tötung von Êzîden ist für die Islamisten ein legitimes Mittel, um die die sogenannten „Kafir“ (Gottlosen/Ungläubigen) aus der Region zu vertreiben und ihren eigenen „islamischen Staat“ auszuweiten. Außerdem beabsichtigen die Islamisten mit der Einnahme von Şengal für sich einen Korridor von Mosul über Tal Afar und Şengal in Richtung Westen zu errichten, um Rojava auch vom Irak aus anzugreifen.

Wir als Föderation der Êzîdischen Vereine in Deutschland, verurteilen auf schärfste die Angriffe und Ermordungen durch die IS, welche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Diese müssen ein sofortiges Ende finden. Der Schutz so wie die Verteidigung der Êzîden muss sofort gewährt werden. Darüber hinaus fordern wir, dass sämtliche demokratisch-fortschrittliche Organisationen, Institutionen, Menschenrechtsorganisationen und die internationale Staatengemeinschaft endlich handeln und diesen Unmenschlichkeiten Einhalt bieten. Die Flüchtlinge brauchen dringend humanitäre Hilfe. Das Embargo der Türkei gegen Rojava muss endlich aufgehoben werden, um der dortigen Bevölkerung und den Hunderttausenden Flüchtlingen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.

Die Hintermänner, Finanziers, Waffenlieferanten und logistischen Unterstützer des IS-Terrorismus - die Türkei, Saudi-Arabien und Kathar - müssen durch politischen Druck daran gehindert werden, diese Terrorbanden weiter zu fördern. Wir rufen die internationale Öffentlichkeit dazu auf, das Schweigen sofort zu brechen und für die Menschlichkeit zu handeln!

Unsere gemeinsame Solidarität mit dem Widerstand in Şengal und Rojava ist heute dringender denn je! Lasst uns weitere Genozide an der êzîdisch-kurdischen Bevölkerung und allen anderen Bevölkerungs- und Glaubensgemeinschaften durch das Erheben unserer Stimme für Frieden und Freiheit verhindern.

Bei allen Diskussionen und Vorhaben, muss vor allem sichergestellt sein, dass alle beteiligten demokratischen AkteurInnen anerkannt und in den politischen Prozess einbezogen werden. Die internationale Verfolgung, Kriminalisierung und Isolierung der PKK, deren Kämpferinnen und Kämpfer zehntausenden Menschen das Leben gerettet haben und die heute gemeinsam mit den YPG aus Rojava die Hauptlast im Kampf gegen den IS tragen muss endlich beendet werden. Es kann nicht angehen, dass eine Organisation, die ein wichtiger Partner in der Bekämpfung des Terrors ist, selber auf der EU-Terrorliste geführt wird.

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Gemeinsam gegen Menschenverachtung und Massaker - Zusammen für Frieden und Menschlichkeit!

Sulingen, September 2014

FKÊ - Federasyona Komeleyên Êzîdîyan - Föderation der Ezidischen Vereine e.V.

Nienburger Straße 23, 27232 Sulingen / Germany- E-Mail: fke.ezdi@gmail.com / www.dergush.com