Es ist die Zeit der internationalen Solidarität, des Widerstands – überallVom Kanton Kobanê ist nur noch ein kleiner Punkt übriggeblieben, der entschlossen von den Verteidigungskräften YPJ/YPG und der Zivilbevölkerung verteidigt wird. Der größte Teil wurde von der Terrorbande Islamischer Stadt eingenommen. Die Stadt Kobanê ist umzingelt, von allen Seiten. Vom Osten über den Süden bis zum Westen von der Bande des Islamischen Staates mit modernsten schweren zum größten Teil westlichen Kriegsgerät und im Norden vom türkischen Militär, von türkischen „Sicherheitskräften“. Vom Wasserwerfer bis zum Panzer, vom Tränengas- bis zum Maschinengewehr … alles vor Ort. Doch gegen wen werden diese Waffen eingesetzt? Gegen die Terroristen des Islamischen Staates oder gegen die Bevölkerung in der Türkei, die den VerteidigerInnen des ersten demokratischen autonomen Kantons in Rojava zu Tausenden zu Hilfe eilen, gegen die Flüchtlinge aus Rojava und die, die bei der Verteidigung der Stadt verletzt worden sind und dringend ärztliche Versorgung benötigen? Erst heute Nachmittag wieder erreichte uns die Meldung, dass Flüchtlinge an der Grenze festgenommen worden sind. Etwa 250 werden in einer Schule in Suruç festgehalten, ihnen wird vom türkischen Generalstab vorgeworfen, die Volksverteidigungskräfte YPG unterstützt zu haben. Nur zwei Stunden später kam die Nachricht, dass sieben verletzte Flüchtlinge beim Grenzübergang Mürşitpinar die Einreise von türkischen Soldaten verweigert worden ist, nach sechs Stunden ausharren an der Grenze verblutete der erste, erst dann wurde den anderen sechs der Weg ins Krankenhaus freigegeben. Anders ist der Umgang mit Verletzten IS-Terroristen, immer wieder berichten Augenzeugen, wie Krankentransporte die Grenze überqueren und die Verletzten Kämpfer des IS in Staatskrankenhäusern der Türkei behandelt werden, erst heute Nachmittag wieder ... Ausgangssperre
in Nordkurdistan Zigtausende sind nun auf den Straßen, denn der Krieg, der gegen Kobanê geführt wird, ist ein Krieg gegen die Errungenschaften der kurdischen Revolution nicht nur in Rojava. Die Auseinandersetzungen sind strategisch geführt, um die Friedensbemühungen der kurdischen Freiheitsbewegung, die im Besonderen von Abdullah Öcalan geführt werden, zu Nichte zu machen. Auf den jetzigen Zeitpunkt wurde lange von der Regierung hingearbeitet z. B. mit dem Ausbau weiterer Militärposten, dem Aufstocken von „Sicherheitskräften“ in der Region und der Konterguerilla Hüda-Par, eine radikalislamische kurdische Hizbullah-Organisation. Ihr Ursprung liegt in den 1990er Jahren, und sie ist für hunderte Morde kurdischer AktivistInnen verantwortlich. Jetzt tritt sie wieder offen in den Städten in Nordkurdistan auf und geht mit brutaler Gewalt und Entführungen gegen die Menschen vor, die in Solidarität mit Rojava auf der Straße sind. Mehrere Menschen sind in Amed (Diyarbakir), Merdîn (Mardin), Elih (Batman) und anderen Städten von ihnen getötet worden, in Wan gingen sie gestern bewaffnet mit Maschinengewehren durch die Straßen und eröffneten immer wieder das Feuer auf die DemonstrantInnen. Die türkischen „Sicherheitskräften“ sahen dabei zu. Wegen des anhaltenden Widerstands der Bevölkerung wurde in mehreren Bezirken in Nordkurdistan eine Ausgangssperre verhängt, und mit ihr wurden auch die „Sicherheitskräfte“ verstärkt. Bis heute Morgen sind 14 Menschen von türkischen „Sicherheitskräften“ und Hüda-Par getötet worden, Hunderte wurden festgenommen, wie viele verletzt worden sind ist nicht bekannt. Doch das Morden in den Straßen von den staatlichen Terrorbanden ging auch heute weiter, genauere Zahlen liegen noch nicht vor. Der Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Völker Figen Yüksekdağ erklärte am heutigen Abend, „dass eine Regierung, die gegen die Bevölkerung Ausgangssperren verhängt und den Ausnahmezustand ausruft, über keinerlei politische Legitimation mehr verfügt. Für die aktuelle Situation sei allein die AKP verantwortlich …“ Bisher hatte sie jegliche Warnungen der HDP, dass die Politik der Regierung gegenüber Rojava auf die Türkei zurückfallen würde, in den Wind geschlagen. Der Aufstand der kurdischen Bevölkerung jetzt ist die Antwort auf diese Politik und auf die Unterstützung des Islamischen Staates gegen Rojava und die Friedensbemühungen der kurdischen Freiheitsorganisation. Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK rief heute die Bevölkerung auf, die Ausganssperre nicht anzuerkennen und den Widerstand verstärken: „Unsere Bevölkerung muss ihren gerechten und legitimen Widerstand mit Entschlossenheit fortführen. ‚Überall ist Kobanê, überall ist Widerstand!‘ – mit diesem Verständnis muss der Widerstand bis zum Sieg geführt werden“, so die KCK. Aufgerufen sind alle, die Errungenschaften der kurdischen Revolution zu verteidigen. Denn Vernichtet werden soll eine Perspektive, die nicht nur in Kurdistan die Menschen begeistert –, das gesellschaftliche Modell einer demokratischen autonomen Selbstverwaltung hat längst alle Grenzen Kurdistans überwunden. Halt Stand Kobanê! Wolfgang Struwe, ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V., 8.10.2014 |