RSB
(Revolutionär Sozialistischer Bund/IV. Internationale)
Erklärung des RSB zur Solidarität
mit dem Kampf der Kurdinnen und Kurden
Wir haben Respekt
vor den Anstrengungen, mit denen in Rojava eine andere Gesellschaftsordnung
aufgebaut wird:
- Eine Gesellschaftsform, die
auf Gleichberechtigung und Beteiligung von Frauen und Männern aller so
genannten "Volksgruppen" setzt.
- Eine Gesellschaft, die sich
nicht auf eine Religion, sondern auf den universalen Humanismus gründet.
- Eine Gesellschaft, die sich
aufmachte, das Land auf der Grundlage demokratischer Selbstbestimmung
und Gleichberechtigung der Menschen neu aufzubauen.
In Rojava entwickelte sich
inmitten der Kriege und des Elends in der Region ein großer Hoffnungsschimmer.
Es wurde damit ein sicherer Fluchtpunkt für Abertausende Menschen aus
den umkämpften Gebieten. Die Flüchtenden wurden von der kurdischen Bevölkerung
solidarisch aufgenommen.
Wir konnten Anfang August sehen,
dass die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten von YPG und YPJ tausende
flüchtende Jesiden und Christen vor Massakern retteten, dass sie diese
Menschen beschützten, begleiteten und ihnen den Weg aus dem Nordirak freikämpften.
Wir bezeugen unseren tiefen
Respekt und unsere Hochachtung vor diesen Männern und Frauen.
Seit Wochen nun verfolgen wir die Angriffe des IS auf Kobane, seit Monaten
verfolgen wir, wie der IS in den eroberten Gebieten ein menschenverachtendes
religiös verbrämtes Regime des verallgemeinerten Terrors errichtet.
Seit Jahren sehen wir, wie das Spiel der Großmächte in Syrien und dem
Irak die Entstehung von Gruppen wie dem IS fördert.
Aus Angst vor der sozialen Revolution in der Region werden die reaktionärsten
Teile der Gesellschaft aufgerüstet und gegen all jene eingesetzt, die
sich aus dem Elend erlösen und ihre Selbstbestimmung erkämpfen wollen.
Mit dem Ziel der „Aufstandsbekämpfung“ sollen Mörderbanden gegen beginnende
sozialrevolutionäre Umwälzungen eingesetzt werden und es wird das allseits
bekannte „doppelte Spiel“ getrieben: Wenn es nicht opportun ist, eine
ungeliebte Gruppe direkt anzugreifen, werden Paramilitärs aufgebaut, die
diese Gruppe auf die grausamste Art angreifen und niedermachen sollen.
Anschließend inszeniert sich dann der Staatsapparat selbst als Friedensstifter
und besetzt das betreffende Gebiet militärisch. Das nennen sie dann eine
"Schutzzone". Genau das ist zurzeit das Ziel der Türkei in Nordsyrien,
tatkräftig unterstützt von den westlichen Imperialismen und ihrem Militärbündnis
NATO.
Es sei daran erinnert: Im Kampf gegen die 35 Millionen staatenlosen Kurden
ist auch Deutschland seit Jahrzehnten ein Komplize der Mächtigen: Nach
dem Militärputsch der türkischen Generäle 1980 war der damalige Bundespräsident
von Weizsäcker als erstes westliches Staatsoberhaupt in der Türkei zu
Gast.
Die Bundeswehr führte 1983 und 1986 in den Kurdengebieten mehrere Manöver
mit der türkischen Armee durch, um die „Geschlossenheit und Solidarität
der Nato-Länder zu demonstrieren“ – während in Deutschland die PKK als
Terrororganisation verboten wurde. Anfang der 1990er Jahre erfreute sich
die türkische Armee dann der massiven deutschen Waffenhilfe zu Dumpingpreisen
aus ehemaligen NVA-Beständen, die sofort in den Kurdengebieten zum Einsatz
kamen.
Ebenso offensichtlich und
unerträglich ist das Verhalten der deutschen Regierung und des so genannten
westlichen Bündnisses auch heute wieder: An der türkisch-syrischen Grenze
bewachen Bundeswehreinheiten mit Patriot-Stellungen die Rückzugsräume
des IS auf türkischem Gebiet. Die Türkei ist noch immer bester Abnehmer
deutscher Rüstungsgüter, ebenso wie Qatar. Wenn die Türkei Waffen an den
IS liefert, so können dies durchaus auch deutsche Waffen sein, oder sie
können durch deutsche Waffen ersetzt werden. In beiden Fällen steht die
Bundesregierung in der Mitverantwortung.
Während Luftangriffe im Hinterland
des IS stattfinden und Waffenlieferungen an die Peshmerga im Irak inszeniert
werden, schaut die Welt zu, wie Kobane, ein Zentrum der emanzipatorischen
sozialen Bewegung erdrosselt wird.
Wir können ein weiteres Mal erleben, wie egal unseren Regierenden die
Menschen sind.
Sie denken in Einflusssphären, in wirtschaftlichen Kategorien und in Regeln
der Machtpolitik. Menschenrechte, Demokratie oder Menschenwürde sind für
sie nichts als schöne Worte, schmückendes Beiwerk, das bei Bedarf hervorgeholt
wird, um eigene Regierungsräume zu dekorieren.
Anstatt politischen Druck auf die türkische Regierung auszuüben, beschließt
Deutschland erneut Waffenexporte in die Region an Staaten, die den IS
lange Zeit unterstützten und das offenbar noch immer, zumindest indirekt,
tun.
Die heutige Situation erinnert fatal an die vergleichbare Lage in Spanien
in den 30er Jahren. Die VerteidigerInnen der Republik – wie heute in Rojava
auch – wurden aus geopolitischen Überlegungen geopfert. Damals bildeten
Madrid und Barcelona das Bollwerk, heute ist es Kobané
Der Faschismus konnte damals nach seinem Sieg über die soziale Revolution
Spaniens wesentlich leichter seine Massenmorde in Europa durchführen.
Wir sind sicher, dass auch der IS-Sieg weitere und größere Massaker erleichtert.
Deswegen muss alles getan werden, um die soziale Emanzipationsbewegung
in Rojava zu unterstützen. Eine breite Solidaritätsbewegung ist gefordert.
Wir fordern:
Aufhebung des PKK-Verbots in
den europäischen Ländern.
Der türkische Staat soll die Grenze nach Syrien uneingeschränkt für Flüchtlinge
und humanitäre Hilfen öffnen.
Der türkische Staat soll in ernsthafte Friedensverhandlungen mit der PKK
eintreten, die von weiten Teilen der kurdischen Bevölkerung in der Türkei
als legitime Vertretung betrachtet wird.
Die Staaten müssen sofort jegliche Unterstützung für den IS einstellen
und Unterstützungshandlungen für diese Terrorgruppe auf ihrem Territorium
unterbinden.
Wir rufen auf zum Aufbau einer breiten politischen und humanitären Solidaritätsbewegung.
Politisches Sekretariat des
RSB, 14.10.2014
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