Erklärung der YXK zu
den Pariser Morden - Aufruf zur europaweiten Demonstration in Paris am
10.01.15
Am 9. Januar 2013
wurden Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Saylemez im Kurdistan Informationszentrum
in Paris heimtückisch ermordet. Der Tathergang zeigt, dass die Morde geplant
und professionell ausgeführt wurden, was den Rückschluss nahe legt, dass
dies ein politischer Anschlag auf die kurdische Gemeinschaft in der Diaspora
und ihre Aktivitäten in Europa war. Auch zwei Jahre nach der Tat, wurde
dieses grausame Verbrechen nicht aufgeklärt.
Alle drei Frauen waren politische
Aktivistinnen. Sakine Cansiz gehört zu den Gründungsmitgliedern der PKK
(Arbeiterpartei Kurdistans). Sie hat in ihrer 12-jährigen Haftzeit, gegen
die unmenschliche Folterpolitik der Türkei entschlossen Widerstand geleistet
und wurde so zu einer Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampfes.
Sie widmete ausnahmslos ihr Leben für die Freiheit des kurdischen Volkes
und der Freiheit der Frau. Fidan Dogan kam als Flüchtlingskind nach Frankreich
und war aktiv in mehreren Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Sie
galt als eine junge und über große Erfahrung verfügende Diplomatin. Leyla
Saylemez war eine junge Aktivistin, die ihr bürgerliches Leben, geprägt
durch die Verfolgungspolitik der Türkei in der Vergangenheit, aufgab und
sich voll und ganz der politischen Tätigkeit widmete. Jahrelang war Leyla
Saylemez in Europa als Jungaktivistin tätig und wurde so für viele kurdische
Jugendliche zum Vorbild.
Die kurdische Gemeinschaft
in der Diaspora und ihre Aktivitäten in Europa werden seit Jahrzehnten
kriminalisiert. Vereine werden geschlossen, Aktivisten/Innen werden verhaftet
und hier in Deutschland z.B. nach § 129 b angeklagt, wie zuletzt Mehmet
Demir, der seit August 2014 in Untersuchungshaft sitzt oder Adem Uzun
– ein Mitglied des Kurdischen Nationalkongress (KNK) – der in Frankreich
verhaftet wurde. Seit 2007 wurden in Frankreich über 200 kurdische Aktivisten/innen
festgenommen und viele davon verurteilt. Kurdische Einrichtungen und Aktivisten/Innen
werden rund um die Uhr überwacht, wodurch die verstärkte Repression des
Staates zum Ausdruck kommt. Auch das Kurdistan Informationsbüro in Paris
stand unter strenger Beobachtung durch französische Behörden. Trotz strenger
Überwachung konnten an einem belebten Ort an einem frühen Abend, drei
Personen unbemerkt in diese Einrichtung eindringen und die drei Frauen
umbringen. Deshalb stellt sich die sehr starke Vermutung auf, ob nicht
der französische Staat ebenfalls in dieses Massaker involviert ist.
Seit Jahren arbeitet der türkische
Staat mit den europäischen Staaten zusammen und versucht mit allen Mitteln,
die kurdische Freiheitsbewegung zu bekämpfen. Auch Frankreich ist ein
enger verbündeter der Türkei, stattet sie regelmäßig mit geheimdienstlichen
Informationen aus und führt Repressionen gegen jegliche kurdische Strukturen
im Lande durch, worauf nicht zufällig oft Rüstungsaufträge in Milliardenhöhe
von der Türkei an französische Großunternehmen folgen. Auch das PKK-Verbot
in Europa ist eine Folge der Zusammenarbeit mit internationalen Mächten,
allen voran der Türkei.
Es gibt zahlreiche Indizien,
die zeigen, dass der türkische Geheimdienst hinter den Morden in Paris
steckt. Der kurze Zeit später festgenommene mutmaßliche Täter Ömer Güney
hatte sich in die Strukturen der kurdischen Bewegung in Paris eingeschleust
und die Morde geplant. Am 12. Januar 2014 tauchten Tonaufnahmen von Güney
mit 2 Angehörigen des türkischen Geheimdienstes (MIT) im Internet auf,
in der sie die Morde gründlich planten. Sakine Cansiz, Leyla Saylemez
und Fidan Dogan waren nicht die einzigen, die ermordet werden sollten.
Auch andere Namen fielen bei den Gesprächen. Die Festnahme von drei mutmaßlich
Geheimdienstmitarbeitern in der BRD vor einigen Wochen zeigen, dass der
türkische Staat intensiv kurdische und andere oppositionelle linke Strukturen
in Europa beobachtet.
Das Gerichtsverfahren hat nach
2 Jahren immer noch nicht begonnen. Nicht nur die türkischen Behörden
dementieren jegliche Beteiligung an den Morden - sie erklären, dass die
Gülen-Sekte hinter diesem Mord stecke. Auch der französische Geheimdienst
weigert sich Informationen über die Tat herauszugeben und lässt die Anwälte
vor geschlossenen Türen stehen.
Gestern, am 7. Januar 2015,
ereignete sich ein weiteres Massaker in Paris. Zwei islamistisch motivierte
Männer stürmten maskiert die Büroräume der Satire-Zeitschrift "Charlie
Hebdo" und töteten dabei 12 Menschen, davon 10 MitarbeiterInnen der
Zeitschrift. Dieser Anschlag ist der Gipfel des islamistischen Terrors
in Europa der letzten Jahre und ein Ergebniss des Erstarkens jener Kräfte
im Mittleren Osten. Sie sind vor allem aufgrund der Unterstützung durch
die Machthaber aus der Türkei, Saudi-Arabien und Katar so erstarkt. Diese
Staaten verfolgen geopolitische, militärische und wirtschaftliche Interessen,
indem sie die Terrororganisation IS in der Region zu einer starken Macht
fördern, deren Ideologie gestern in Paris 12 Menschen tötete.
Zur Türkei, Saudi-Arabien und
Katar haben sowohl Frankreich als auch die BRD schon seit je her sehr
gute Beziehungen. Die Türkei und Saudi-Arabien sind Hauptabnehmer der
deutschen Waffenindustrie. Sowohl die BRD als auch Frankreich unterstützen
den türkischen Staat seit Jahrzehnten in seinem Kampf gegen die PKK, die
heute am entschiedensten gegen den IS und seiner mittelalterlichen, sexistischen
und antidemokratischen Ideologie im Mittleren Osten kämpft. Wenn gestern
islamistische Kräfte einen Anschlag in Paris durchführen konnten, dann
ist das auch ein Ergebnis der jahrzehntelangen Politik des französischen
und deutschen Staates im Mittleren Osten, die zu Armut, Flucht, Vertreibung,
Krieg und Perspektivlosigkeit - Ein starker Nährboden für islamistische
Kräfte - in der Region führten. Nicht die flüchtenden Menschen aus der
Region und anderen Orten der Welt sind das Problem, sondern die Politik
des Westens.
Die Morde an Sakine Cansiz,
Fidan Dogan und Leyla Saylemez, der Anschlag gestern gegen das Büro von
"Charlie Hebdo", sowie die Politik des Westens im Mittleren
Osten, sind die selbe Seite der Medaille. Unsere Antwort dagegen ist es
einen gesellschaftlichen Widerstand und Gegenwehr aufzubauen - Sowohl
gegen diese imperialistische Politik, als auch gegen alle Kräfte, wie
Pegida, Hogesa, Front National, Lega Nord, etc., die die Folgen dieser
imperialistischen Politik für ihre rassistischen und faschistischen Vorstellungen
instrumentalisieren wollen. Sara, Rojbîn und Ronahî sind Symbolfiguren
des Kampfes gegen diese Rückständigkeiten.
Um ihrem Kampf zu gedenken
und ihn zu vergrößern, um gegen jegliche Rückständigkeit - religiös-fundamentalistische,
rassistische, faschistische, sexistische - zu protestieren und die Aufklärung
der Morde vom 9. Januar 2013 zu fordern rufen wir deshalb zur europaweiten
Demonstration am Samstag, den 10.01.2015 in Paris auf.
DATUM: 10. Januar, 2015
BEGINN: 11:00 UHR
ORT: Gare du Norde ; Paris
BUSANREISEN: Aus vielen verschiedenen
Städten der BRD,
siehe: https://www.facebook.com/pages/Verband-der-Studierenden-aus-Kurdistan-eV-YXK/233404133346306
YXK - Verband der Studierenden
aus Kurdistan, 8. Januar 2015 |