Brief der PKK-
und der PAJK-Gefangenen aus der Türkei anlässlich des 18. März, dem Tag
der politischen Gefangenen
Die größte Tragödie
der Menschheit, die vor 5000 Jahren begann, ist die Entfremdung der Gesellschaft
von der Natur und in der Folge die Institutionalisierung der Klassen,
der Macht und des Staates. Indem sie die von der Frau geschaffene Ordnung
zunächst in ein Gefängnis für Frauen umfunktionierten, verdammten sie
die Gesellschaft nach und nach zur Gefangenschaft. Das beste Beispiel
hierfür ist die Realität des versklavten Menschen, die ideologisch konstruiert
wurde. Den Beginn der Versklavung bildet die Spaltung der Gesellschaft
auf kommunaler Ebene. Die Versklavung der Nomaden als billige Arbeitskraft
durch die Zivilisation und der gegen diese Versklavung geleistete Widerstand
ist das Produkt derselben historischen Dialektik. Immer dort, wo sich
eine Zivilisation entwickelte, kam es zu Unterdrückung, Versklavung und
Ermordung. Aber dort wo unterdrückt wurde, kam es gleichzeitig zu Widerstand
für die Freiheit der Menschen. Sumerer, Ägypter, Babylonier, Assyrer,
Perser, Griechen, Römer, Byzantiner, Osmanen und vielen weitere Zivilisationen
gingen in die Geschichtsbücher ein mit erbarmungslosesten Versklavungen,
Gefangenschaften und Widerständen. Die Genozide an verschiedenen Gemeinschaften
durch die Zivilisationen, die Zwangsumsiedelungen, die Kolonialisierungen,
die Einsperrung der Frau in den Käfig namens „Familie“ sind die schwersten
Formen der Gefangenschaften, die erlebt wurden.
Die bedeutendste Realität des Menschen ist die Gemeinschaft, die er freiwillig
lebt. Die Herrschaft wurde immer durch die Durchdringung aller Poren der
Gesellschaft erlangt. Jedoch gab es noch keine Epoche, die so sehr mit
der Gesellschaft gespielt hat, wie die kapitalistische Moderne. Die kapitalistische
Moderne bedeutet die Homogenisierung aller Ebenen der sozialen und gesellschaftlichen
Strukturen (Geschlecht, Klasse, Nation, religiöse und philosophische Strömungen
usw.) unter dem Deckmantel des Nationalstaates. In der Vergangenheit waren
Vertreibung und Versklavung Mittel der Unterdrückung. Die kapitalistische
Moderne wendet heute Inhaftierungen als Methode der „Erziehung“ an. Als
Abschreckung für das Volk wurden Feministinnen, AnarchistInnen, ProletarierInnen
gefangen genommen, gefoltert und zu horrenden Strafen verurteilt. Trotz
dieser Repression haben sich die politischen Gefangenen nicht ergeben
und haben ihren Widerstand auch in Gefangenschaft weitergeführt, so dass
der Widerstand in den Gefängnissen zu einem Hoffnungsträger innerhalb
der revolutionären Bewegung wurde. Die politischen Gefangenen hielten
trotz unmenschlichen Verhältnissen in den Gefängnissen durch psychische
und körperliche Folter stand und wurden zu einem wichtigen Symbol des
revolutionären Kampfes.
Das 20. Jahrhundert, welches das längste der Menschheit darstellt, zeichnet
sich dadurch aus, dass all die genannten Methoden am intensivsten praktiziert
wurden. Die von der kapitalistischen Moderne zwecks Krisen geschaffenen
Vernichtungscamps und die geführten Kriege werden niemals vergessen werden.
Nelson Mandela und seine GenossInnen in Afrika, die KämpferInnen der RAF
in Deutschland, der Hungerstreik des B. Sands und seiner Genossen in Irland,
der Widerstand der palästinensischen Gefangenen in den zionistischen Kerkern
und viele weitere mehr sind nur einige der Inhaftierten, die in die Geschichtsbücher
eingegangen sind. Überall auf der Welt, wo es Kapitalismus und Ausbeutung
gibt, gibt es den ehrenhaften Kampf der Unterdrückten.
Wir verbeugen uns vor der heldenhaften Standhaftigkeit der freiheitsliebenden
Gefangenen.
Auch unser Land Kurdistan kann nicht unabhängig von dieser Realität betrachtet
werden. Natürlich ist unser Freiheitskampf, der in den 1970er Jahren begonnen
hat, der Unterdrückung durch den türkischen Staat und deren Kriegskonzepten
ausgesetzt gewesen. Eine der ersten Methoden, zu denen der türkische Staat
griff, war die Inhaftierung der kurdischen Revolutionäre in den Kerkern
mit dem Ziel sie vom Kampf abzubringen. Es ist schlimmer als in der Hölle,
Gefangener in einem Land zu sein, welches bekannt für seine blutigen Massaker
ist. Mit dem Militärputsch vom 12. September 1980 fanden alle möglichen
Methoden Anwendung, um die Entmenschlichung der revolutionären Gefangenen
herbeizuführen. Die menschliche Willenskraft hat das Unmögliche durch
den Widerstandes möglich gemacht, angeführt von der PKK und den gefangenen
GenossInnen und trotz aller Versuche des Verrats und der Entmenschlichung.
Im Kampf für den Sozialismus und für die nationale Identität haben unsere
GenossInnen großen Widerstand geleistet und sich nicht vom Weg abbringen
lassen. Indem am 21. März 1982 im Kerker in Amed Mazlum Dogan, am 18.
Mai 1982 Ferhat Kurtay, Necmi Öner, Esref Anyik, Mahmut Zengin ihre Körper
in Brand setzten; am 14. Juli 1982 M. Hayri Durmus, Kemal Pir, Akif Yilmaz
und Ali Cicek den großen Hungerstreik antraten, zeigten sie, dass „Widerstand
gleich Leben“ ist. Sie fielen als Märtyrer und gingen in die Geschichte
ein. In diesem Widerstand beteiligten sich viele politische Gefangene,
die starben, oder bis heute Behinderungen und Krankheiten ertragen müssen.
Der türkische Staat begnügte sich nicht mit der Folter und verurteilte
deshalb tausende Gefangene zum Tode.
Unser Kampf, deren Teil der 35 Jahre währende Widerstand in den Gefängnissen
ist, hat das freie Leben zum Ziel und versteht sich als Plattform für
all diejenigen, die diesen Kampf führen. Die Kerker sind in jeder Hinsicht
die zentralen Schauplätze des Kampfes und des Widerstandes. Von 1980 bis
heute befinden sich in den Kerkern tausende kurdische und türkische Gefangene,
die ihr Leben diesem Kampf gewidmet haben. In der Türkei gibt es gar mehr
als 5000 revolutionäre Gefangene von denen 5000 Frauen und Männer der
PKK angehören. Viele sind verurteilt zu lebenslanger Haft. Während ein
Teil aufgrund von Folter und harten Bedingungen schweren Krankheiten zum
Opfer fiel, führten Hunderte ohne die Hoffnung auf Freiheit aufzugeben
ihr Leben weiter. Sie erschaffen Werke im Bereich der Politik, der Ideologie,
der Literatur und der Kunst. Kurz gefasst, die Freiheit wird im Wesen
des Menschen geschützt, weiterentwickelt und in einem freien Leben verwirklicht.
Ebenfalls trägt unser Repräsentant Abdullah Öcalan, der mithilfe eines
internationalen Komplotts festgenommen wurde und seit seiner Verhaftung
in Imrali in Isolationshaft untergebracht ist, eine besondere Bedeutung
im Widerstand in den Gefängnissen in der Türkei und in Kurdistan. In der
Geschichte gehörten Inhaftierungen von politischen Führern immer zum Plan
der Herrschenden, jedoch ist die internationale Repression und in deren
Konsequenz die Inhaftierung von Abdullah Öcalan besonders schwerwiegend.
Die Inhaftierung eines politischen Führers unterscheidet sich von den
alltäglichen Inhaftierungen. Trotz der schlechten Verhältnisse im Gefängnis
hat es APO geschafft, seine Gefangenschaft im Namen der Unterdrückten
zu einem Ort der Solidarität und somit seine Gefangenschaft politisch
unwirksam zu machen.
Eine Gefangenschaft ist eine körperliche Gefangenschaft. Für die Revolution
hat auch Abdullah Öcalan sich der Gefangenschaft ausgesetzt. Die 16-jährige
Gefangenschaft in einer kleinen Zelle und abgeschottet von der Außenwelt
haben ihn zu einer bedeutenden Persönlichkeit gemacht. Auch wenn Imrali
mit seinen Foltergefängnissen das Gesicht der kapitalistischen Moderne
demaskiert, solidarisieren sich Millionen von KurdInnen mit Imrali, weil
dort der politische Repräsentant eines Volkes vertreten ist. Der Widerstand
in Imrali für Freiheit und Menschlichkeit wird mit großer Sicherheit einen
Platz in der Geschichte einnehmen.
Der Nahe Osten erlebt eine Phase der Katastrophen. Die Politik der imperialistischen
Mächte mit ihren lokalen Verbündeten hat das Gebiet unbewohnbar gemacht.
Die kapitalistische Moderne versucht unter dem Vorwand, die Versklavung
der Völker überwinden zu wollen, ihre Macht dort zu sichern. Die kapitalistische
Moderne kommt nicht von außen, sondern hat sich in der Krise selbst geschaffen.
Ein Beispiel dafür ist der iranische Staat, der Oppositionelle verfolgt,
einsperrt und zu Tode verurteilt. Es gibt keinen Tag, an dem nicht neue
Hinrichtungen gegen das kurdische Volk, welches einen Kampf um Befreiung
führt, vollzogen werden. Obwohl die Hinrichtungen, welche beabsichtigen,
die Gefangenen und durch die Gefangenen das kurdische Volk zu unterdrücken,
durch den ehrenvollen Widerstand der Gefangenen wirkungslos werden, stellen
sie eine bedeutende Bedrohung dar. Aber auch hier werden die Sieger das
kurdische Volk, die Völker vor Ort und die Menschheit, verkörpert durch
die GenossInnen der PJAK sein.
Auf dieser Basis möchten wir erklären, dass wir als Gefangene in den Kerkern
Kurdistans und der Türkei den Werten der Menschheit verbunden bleiben
und zum Anlass des 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen, zunächst
den auf Imrali einen legendären Widerstand leistenden Serok APO, die in
den iranischen Kerkern Widerstand leistenden GenossInnen der PJAK, die
sich in den zionistischen Kerkern befindenden palästinensischen Gefangenen,
die in den Kerkern von Bolivien, Peru, Spanien, Irland und des mittleren
Ostens Widerstand leistenden und freiheitsliebenden Gefangenen und auch
die in den europäischen Ländern gefangengehaltenen GenossInnen grüßen
und an unsere GenossInnen, die für die Freiheit ihr Leben geben mussten
gedenken.
• Siegen wird der
Kampf um die Freiheit der Menschheit, verlieren werden die Kolonialisten!
• Es lebe die demokratische Einheit aller Völker!
• Es lebe eine Welt ohne Kerker und Ausbeutung!
• Es lebe die Solidarität aller politischen Gefangenen!
• BIJI PKK; BIJI PAJK!
• BIJI REBER APO!
Mit revolutionären Grüßen,
Gefangene der PKK und der PAJK
|