Eine CHANCE zum DIALOG

Cemil Bayik, Co-Vorsitzender des Exekutivrates der Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans (KCK), sprach in der vergangenen Woche in einem Interview mit dem NDR / WDR sein Bedauern über die Eskalationen im Rahmen der Protestaktionen von KurdInnen in den 90iger Jahren in Deutschland aus.

Die 90iger Jahre in Nordkurdistan/Türkei:

In diesen Jahren erreichte der in der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung geführte Krieg seinen Höhepunkt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und den bewaffneten Einheiten der PKK kamen mehr als 30.000 Menschen ums Leben, darunter tausende kurdische Zivilisten, die von paramilitärischen Organisationen des türkischen Staates ermordet wurden. Zudem wurden in jener Zeit 3000 Dörfer zerstört und entvölkert, über eine Million Menschen mussten fliehen. Viele von ihnen kamen nach Deutschland. Auch deutsche Panzer – die Türkei war und ist eine der Hauptabnehmer für Rüstungsgüter aus Deutschland – sind in diesem Krieg nachweislich im Einsatz gewesen.

Das PKK Verbot und seine Auswirkungen

Geprägt von den täglichen Schreckensmeldungen aus der Heimat versuchten die KurdInnen hier, zusätzlich zu den Schwierigkeiten der Integration, stets die Öffentlichkeit im Hinblick auf die Ereignisse in der Heimat zu sensibilisieren. Nachdem im November 1993 durch das Innenministerium ein Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und den Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland mitsamt der Mitgliedsvereine verhängt wurde, begann eine Welle der Kriminalisierung gegen KurdInnen in Deutschland. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt, ebenso die freie Informationsgewinnung (Verbot von kurdischen Publikationen und Medienorganen). Es folgten hunderte Gerichtsverfahren, u.a. nach Paragraph 129a.

Heute in Nordkurdistan/Türkei

Seit Ende 2012 finden für eine politische Lösung der kurdischen Frage Gespräche zwischen dem PKK Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung 1999 in die Türkei auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist, und Vertretern der türkischen Regierung statt. Die kurdische Seite hat zum wiederholten Male einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen und große Teile ihrer Kämpfer aus den Grenzen der Türkei abgezogen.

Die kurdische Frage, das Verbot und Deutschland heute

Die eingangs erwähnte Entschuldigung des KCK Co-Vorsitzenden Cemil Bayik bietet eine Chance des Dialogs auch für und in Deutschland. Die kurdische Seite hat in den letzten Jahren einen grundlegenden Paradigmenwechsel mit Schwerpunkt auf eine demokratische, ökologische und geschlechterbefreite Gesellschaft vollzogen und ist ein determinierender Faktor für Stabilität, Frauenrechte, Vielfalt und Demokratie im Pulverfass Nah-Ost. Diese grundlegenden Aspekte wurden bisher weitgehend ignoriert. Vor allem vor dem Hintergrund des aktiven Kampfes der kurdischen Seite gegen den barbarischen IS ist eine Neubewertung der kurdischen Freiheitsbewegung dringend erforderlich. Entsprechende Äußerungen und Forderungen seitens der Politik nehmen zu. Zuletzt hatte Dr. Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher und SPD Fraktionsvize, eine Neubewertung der PKK gefordert.

Deeskalation und Dialog sollten im Fokus stehen und Verbote und Kriminalisierung ablösen. Dies wird nicht nur das friedliche Miteinander aller Menschen in Deutschland fördern, sondern auch den Friedensprozess in der Türkei stärken.

Lassen Sie uns also gemeinsam die Chance nutzen. Es ist Zeit für Dialog statt Verbote.

NAV-DEM Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.


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