Frauenprotest im Bundestag gegen Genozide und Feminizide

8. Mai: Prozess wegen „Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans“

Es war der 1. September 2014. Vor dem Hintergrund der Angriffe des „Islamischen Staates“ (IS), der seit Juni von Mossul bis Rojava schlimmste Massaker gegen die Bevölkerung anrichtete, hatte sich der Bundestag zum Thema „Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge im Irak und Kampf gegen die Terrororganisation IS“ zu einer Sondersitzung versammelt. Insbesondere die kurdischen yesidischen Frauen waren und sind bis heute größten Grausamkeiten ausgesetzt. Sie wurden und werden von IS-Banden verschleppt, vergewaltigt, sexuell belästigt und gefoltert.

Zwei Tage vor der Parlamentssitzung hatte das Kabinett unter Vorsitz von Bundeskanzlerin A. Merkel entschieden, Panzerabwehrraketen, Panzerfäuste und Gewehre aus Beständen der Bundeswehr an die Peschmerga der kurdischen Autonomieregierung im Nordirak zu liefern. Diese Entscheidung sollte – ausgerechnet am Antikriegs- bzw. Weltfriedenstag - vom Parlament bestätigt werden.

Während der laufenden Plenardebatte riefen mehrere Frauen von der Besucher*innen-Tribüne mehrmals „Nicht in unserem Namen“ und entrollten gleichzeitig ein Transparent mit dem Schriftzug „EURE WAFFEN sprengen nicht die IS-Fesseln, die unsere Frauen gefangen halten !“

Nach 23 Sekunden griffen Beamte der Bundestagspolizei ein und die Frauen wurden des Plenarsaales verwiesen. Wie bekannt, hat die parlamentarische Mehrheit den Waffenlieferungen an die Peschmerga zugestimmt – unter ausdrücklichem Ausschluss der Verteidigungskräfte von YPG /YPJ und PKK-Guerilla, obgleich sie es waren, die nicht nur schlimmere Massaker des IS an der Bevölkerung von Șengal verhindern konnten, sondern ihnen auch Fluchtwege nach Nordsyrien erkämpft hatten.

Nach dieser parlamentarischen „Kurzintervention“ leitete die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen die vier Aktivistinnen ein, denen sie „Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans“ (§ 106 b StGB) vorwirft. Aufgrund des Inhalts der Anklageschrift beantragten die Anwältinnen der betroffenen Frauen, die Strafverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.

Die Staatsanwaltschaft jedoch lehnte eine Einstellung vor Verfahrensbeginn ab.

So wird das Hauptverfahren eröffnet, und zwar

am Freitag, den 8. Mai 2015, um 9.oo Uhr,

Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Turmstraße 91, Raum 455

Wir meinen: Auf die Anklagebank gehören jene, die Kriege organisieren, sich durch Waffengeschäfte und Ausbeutung von Natur und Menschen bereichern, die für ihre zerstörerischen Interessen ganze Regionen destabilisieren und in ihrem Sinne neu ordnen (wollen). Angeklagt gehören IS-Mörder und ihre Gehilfen und nicht Frauen, die ihre Stimme erheben gegen Genozide und Feminizide !

AZADÎ e.V.

Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden

Köln

Mai 2015