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Der Krieg in Syrien eskaliert weiter

Aziz Köylüoğlu, 06.05.2015

Sobald die Suche nach politischen Lösungen für die Krise in Syrien auf die Tagesordnung kommt, vertiefen sich die Auseinandersetzungen zwischen den Kräften und jeder versucht eine gestärkte Position am(Verhandlungs-)tisch zu erhalten. Dies endet natürlich mit der Vertreibung und dem Tod von tausenden Menschen. Jeder fragt sich, wie lange dies noch andauern wird. Jeden Tag wird die Bevölkerung mit neuen Entwicklungen im syrischen Bürgerkrieg konfrontiert.

Der UN-Sondergesandte für Syrien Staffan Domingo de Mistura hat eine neue Gesprächsrunde begonnen. Erstmals hat de Mistura in die Gespräche mit der syrischen Opposition auch die Kurden eingebunden. Die Einbindung der PYD wird ohne Zweifel die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang der Genf III Konferenz erhöhen. Es wird betont, dass es bei den Gesprächen um die Vorbereitungen für Genf III geht und nach Abschluss dieser Gespräche eine neue Phase beginnen werde. Trotz der noch geringen Vorbereitungen für Genf III haben die Auseinandersetzungen und Interventionen in das Gebiet parallel zu den politischen Gesprächen zugenommen. Der de-facto Waffenstillstand in der Stadt Aleppo ist auf einmal zusammengebrochen und die Fetih-Armee unterVorreiterrolle der Al-Nusra-Front hat Idlib angegriffen. Diesen Angriff hatte Assad als Bruch der Waffenruhe durch die Türkei bewertet. Diese Worte von Assad bringen die Übereinkunft der Türkei mit der Al-Nusra zum Ausdruck.

Der türkische Staat bzw. der AKP-Staat versucht seitBeginn der syrischen Krise im Jahr 2011 eine Pufferzone aufzubauen, die Rojava und nördliche Abschnitte von Syrien einschließt. Um dies zu verwirklichen wurden schon mehrere Versuche unternommen. Insbesondere bei Beginn der Krise wurde dies versucht indem die radikalislamistische Ahrar al-Scham vor die türkischen Grenzübergänge positioniert wurde. Als dies nicht erfolgreich war, wurde die Al-Nusra Front in Stellung gebracht und ihre Organisierungsstärkeunterstützt. Als auch dies nicht funktionierte wurde der IS in den Vordergrund gebracht.

Nachdem der IS zum Ziel der internationalen Kräfte wurde, ist erneut die Ahrar al-Scham und die Al-Nusra-Front zentral für die Politik geworden. Natürlich hält die Unterstützung für den IS weiterhin an. Insbesondere geschieht dies an den Grenzübergängen Akçakale und Girê Spî (Tal Abyad).

Diese Politik wird in Teilen auch von den USA und vo nSaudi-Arabien unterstützt. Der Grund für die begrenzte Unterstützung liegt darin, dass ihre Politik gegenüber Syrien sich von der, der türkischen unterscheidet. Während die USA scheinbar auf eine politische Lösung in Syrien drängt, beharrt die Türkei darauf, dass ein arabisch-sunnitischer Staat in Syrien errichtet wird. Die auf Idlib und Aleppo zentrierte Operation destürkischen Staates mit der Al-Nusra Front zielte auf die Errichtung einer Pufferzone in der Region. Interessanterweise haben sich der Iran und die libanesische Hisbollah zeitgleich aus der Region zurückgezogen, weswegen verschiedene Quellen von einer Absprache beider Parteien ausgehen. Das Syrische Regime verfolgt jedenfalls mit Unbehagen diese Entwicklung.

Es besteht kein Zweifel daran, dass mit den Bemühungen von de Mistura um eine politische Lösung auch die Auseinandersetzungen im Land sich vertiefen werden. Alle Parteien bereiten sich auf die Eventualität eines Waffenstillstands im Zuge der Genf III Konferenz vor und wollen bis dahinvollendete Tatsachen schaffen und die Gebiete unter ihrer Kontrolle vergrößern.

Der türkische Staat will durch die Hand von Al-Nusra und Ahrar al-Scham die Region um Idlib, Aleppo und Hama unter ihre Einflusssphäre bringen und dort eine Pufferzone errichten. Für die Umsetzung dieses Plans trifft sie ernsthafte Vorbereitungen. Zuletzt hat sie an der Grenze zum Kanton Afrin deutlich ihre Truppenanzahl erhöht und ihre Panzer an der Grenze stationiert. Verschiedene Quellen gehen deshalb davon aus, dass die Türkei ihre Bestrebungen in Syrien nicht nur mit politischen, sondern auch mitmilitärischen Mitteln versuchen wird in der Region umzusetzen.

Das Syrische Regime nimmt gegen diese Entwicklungen keine aktive Position ein. Vielleicht ist es dazu auch nicht in der Lage. Stattdessen versucht das Regime verzweifelt, die unter ihrer Kontrolle befindlichen Gebiete zu halten und die alevitischen Gebiete zu schützen. Die Aushändigung der Stadt Idlib durch das Regime an die Al-Nusra Front ohne großen Widerstand zu leisten, erinnert an den Verlust der Kontrolle des Regimes in der Stadt Raqqa. Damals hatte das Regime auch Raqqa der Al-Nusra Front überlassen und die Al-Nusra Front wiederum hat ohne große Gegenwehr die Stadt an den IS ausgehändigt. Vordiesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das “Spiel von Raqqa” sich in Idlib wiederholen wird.

Die Rolle des IS in dem ganzen Spiel ist ohnehin klar: Sie greifen die Kurden an. Es scheint fast, als sei das die Hauptaktivität des IS. Dass der IS aber auch regelmäßig die Kontrolle über Gebiete der Al-Nusra Front erringt, darf auch nicht außer Acht gelassen werden. Auch wenn es Machtkämpfe zwischen diesen beiden Organisationen gibt, sind ihr Ursprung undihr Verständnis dieselben.

Die Kurden sind mit ihrem Demokratischen Syrienprojekt, das auf der Geschwisterlichkeit der Völker beruht, ein wichtiger Akteur bei diesen Entwicklungen. Die Befreiungsoperationen der YPG gegen den IS in Kobanê und Cizîrê halten an.

Zusammengefasst: Die Vorgespräche von de Mistura für die Genf III Konferenz haben begonnen und zum ersten Mal sind die Kurden offiziell als eigenständiger Akteur zu dieser Konferenz eingeladen. Das deutet auf eine neue Situation hin. Die Kämpfe der verschiedenen Mächte werden allerdings weitergehen und das Zentrum dieser Kämpfe wird die Stadt Aleppo sein.

Die Analyse ist ursprünlich in türkischer Sprache auf kurdistan24.org erschienen.