Ohne
Gerechtigkeit – kein Frieden
Die Erinnerung an Euch begleitet uns
auf dem gemeinsamen Weg in die Zukunft
Internationalistische FreundInnen Andrea Wolf/Ronahi
Bê edalet - Aşitî
nabe
Bîranîn a we, herdem di têkoşîna me ya ji bo jiyanek azad da dijî
Rehevalên Andrea Wolf/Ronahi
Erklärung zur Bombardierung
von ZivilistInnen und PKK-Friedhöfen in Kurdistan: Stoppen wir gemeinsam
die Kriegsverbrechen von Erdoğan und der türkischen Armee in Kurdistan
Im Rahmen des Krieges der AKP
gegen die HDP, die kurdische Zivilbevölkerung und die PKK hat am 17.09.2015
der türkische Innenminister Sebahattin Öztürk die Zerstörung von 14 Gedenkstätten
und Märtyrerfriedhöfen der kurdischen Guerilla PKK in Nordkurdistan angeordnet
und die jeweiligen Gouverneure zur Umsetzung verpflichtet. Am Morgen des
18. Septembers hat die türkische Luftwaffe erneut den Friedhof in
Varto bombardiert und seit Mittag desselben Tages startete eine Operation
des türkischen Militärs zur Zerstörung der Gedenkstätte und Märtyrerfriedhofs
in Keleh in den Bergen von Catak in der Provinz Wan (türkisch Van).*²/³
Mit diesem Befehl offenbart
sich der türkische Innenmister nach internationalem Völkerrecht als Kriegsverbrecher*
- ebenso wie Präsident Erdoğan, der für die völkerrechtswidrigen Angriffe
des türkischen Militärs auf kurdische Dörfer und Städte in Süd- und Nordkurdistan,
die gezielte Tötung von ZivilistInnen sowie die Bombardierung von Wäldern
und landwirtschaftlichen Nutzflächen politisch verantwortlich ist. Auch
die Generäle, Offiziere und Soldaten des Nato-Staates Türkei machen sich
schuldig, solange sie diese völkerrechtswidrigen Befehle befolgen. Aber
auch die Regierungen aller Nato-Partner der Türkei sind zumindest moralisch
und politisch verantwortlich für diese Verbrechen, solange sie aus eigenen
wirtschaftlichen und militärischen Interessen Erdogan und das türkische
Regime mit Waffen logistisch und politisch unterstützen.
Wie viel Angst müssen Erdoğan
und die herrschende Machtelite der AKP vor der Kraft der Freiheit und
internationalen Solidarität haben, wenn sie die eigene Bevölkerung in
Nordkurdistan und in Südkurdistan (Irak) vom türkischen Militär bombardieren
lassen? Wie viel patriarchale, faschistische und rassistische Menschenverachtung
und Unmenschlichkeit steckt in ihren Herzen und Köpfen, wenn sie ermordete
Guerillakämpferinnen der PKK nackt ausziehen und durch die Straßen schleifen
und unter Missachtung des Völkerrechts und aller internationalen Gesetze
Friedhöfe zerstören und bombardieren lassen. Sie wollen die Erinnerung
an die Toten und damit auch ihre Idee einer gesellschaftlichen Alternative
für eine gerechteren Welt, für die die Getöteten und Gefolterten gekämpft
haben, auslöschen. Und sie wollen aus eigenem Interesse die Erinnerung
an ihre Kriegsverbrechen vergessen machen, für die sie früher oder später
zur Rechenschaft gezogen werden.
Spätestens nach dem Einzug
der prokurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker) in das türkische
Parlament am 7. Juni 2015 hat Recep Tayyip Erdoğan für seinen persönlichen
Machterhalt und den der AKP der gesamten kurdischen Bewegung und Bevölkerung
den Krieg erklärt. Mit der Aggression der türkischen Regierung gegen die
kurdische Autonomiebewegung und die türkische linke Opposition dehnt sich
der
Krieg – nach vier Jahren Bürgerkrieg in Syrien sowie der erneuten Eskalation
im Irak – im Nahen Osten weiter aus. Nach ihrer jahrelangen Unterstützung
des IS gegen die befreiten Gebiete in Rojava erschwert die Türkei nun
mit ihrem Krieg im eigenen Land eine politische Beilegung aller Kriegshandlungen
in der Region. Sie wollen damit Rojava und die kurdische Bewegung mit
ihrem Modell einer gerechteren Gesellschaft für alle Menschen – egal welchen
Glaubens und welcher Ethnie - zerstören.
Wir sind mit unseren Herzen
deshalb besonders bei den Menschen, die die Gedenkstätten, Friedhöfe und
Dokumentationsorte der Erinnerung und Begegnung in den Bergen und Städten
Kurdistans in den letzten beiden Jahren aufgebaut, gepflegt und durch
Schutz- und Mahnwachen immer wieder vor Bedrohungen geschützt haben. Einige
von ihnen haben wir in Zeiten des Waffenstillstands besucht und kennen
gelernt.
Deshalb lasst uns gemeinsam
kämpfen für:
• den sofortigen Stopp der
Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Kurdistan
• den sofortigen Stopp der völkerrechtswidrigen Bombardierungen durch
die türkische Armee im Irak sowie von Wäldern, Dörfern, Stadtteilen und
Friedhöfen in der Türkei/Nordkurdistan
• für einen allgemeinen Waffenstillstand und die sofortige Wiederaufnahme
der Friedensverhandlung zwischen der PKK/KCK und der türkischen Regierung
mit dem Ziel eines gerechten Friedens mit unabhängigen internationalen
Beobachtern auf neutralem Gebiet
• die Freilassung aller politischen Gefangenen
• die Aufklärung der Kriegsverbrechen und die Bestrafung der Täter
• den sofortigen Stopp der Unterstützung der Deutschen Bundesregierung
von Erdogan, der AKP und ihrem Krieg gegen die kurdische Bewegung
• die internationale Anerkennung von Rojava und einen humanitären Korridor
• die sofortige Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland
Es mag wie in Argentinien,
Guatemala oder Chile auch in Kurdistan Jahrzehnte dauern, aber eines Tages
werden die Mörder und Folterer, die für die Kriegsverbrechen verantwortlich
sind – ob für die vielen Massaker 1998 oder die Massaker an ZivilistInnenen,
die extralegalen Hinrichtungen und Folterungen von Guerillas und die völkerrechtswidrigen
Bombardierungen von Stadtteilen, Dörfern, Wäldern und Friedhöfen - zur
Rechenschaft gezogen werden; ebenso ihre Helfer und Unterstützer. Denn
ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden geben: Die Angst der Mächtigen
wird auf Dauer nicht die Freiheitsliebe der Menschen unterdrücken können.
No justice – no peace! Hoch
die internationale Solidarität! No pasaran!
Internationalistische FreundInnen
Andrea Wolf/Ronahi
18. September 2015
*1 Kriegsverbrechen
gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 VstGB: Die Gefallenen sind eine
nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person. Das Recht auf Achtung
der Gefallenen findet sich auch in Art. 34 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls
zum Genfer Abkommen. Anerkanntes Schutzgut von § 8 Abs. 1 Nr. 9 ist auch
die Totenehre (MüKo zu § 8 VStGB, Anm. 194). Geschützt ist das Pietätsgefühl
der Angehörigen und eine würdige Totenruhe. Vgl.: http://kriegsverbrechen-tuerkei.info/?page_id=116.
*² 1998 waren nach bisherigen
Erkenntnissen in diesem Gebiet nach einem Gefecht die deutsche Internationalistin
in der kurdischen Frauenarmee Yajk, Andrea Wolf zusammen mit kurdischen
Genossinnen vom türkischen Militär gefangen genommen worden. Laut Zeugenaussagen
wurde sie als unbewaffnete Gefangene so wie mindestens zwei weitere Kämpfer
gefoltert und extralegal hingerichtet – anschließend wurden die Leichen
weiter misshandelt und verstümmelt. Am 23. Oktober wurden insgesamt 24
KämpferInnen der PKK beim Gefecht und dem anschließenden Massaker ermordet.
Aus der Pressemitteilung des FreundInnenkreises Andrea Wolf vom 8. September
2010: In seiner Entscheidung vom 8.6.2010, verurteilte der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) deshalb die Türkei wegen eines Verstoßes
gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), weil „die nationalen
Behörden entgegen den Forderungen von Artikel 2 der Konvention keine adäquate
und effektive Untersuchung in Bezug auf das Schicksal der Tochter der
Klägerin (Anmerkung: die Mutter von Andrea Wolf) geführt haben“. Die Mutter
von Andrea Wolf hat daraufhin im September 2011 erneut Mordanzeige gegen
die Mörder ihrer Tochter bei der Staatsanwaltschaft Catak eingereicht.
Bis heute wurde der mutmaßliche Folterer und Mörder von Andrea Wolf, der
bis heute als Offizier in der Stadt Batman tätig ist, weder offiziell
vernommen noch verhaftet oder vor Gericht gestellt.
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