Verhaftungen, Razzien,
Ausgangssperren, extralegale Hinrichtungen und Bombardierungen …
Blickt man der Tage nach Nordkurdistan,
so werden immer wieder Assoziationen mit den 1990er Jahren geweckt. Ausgangssperren,
Ausnahmezustände, Panzer, Helikopter, Bomben, Verhaftungen, Tote und so
weiter.
Was im Sommer als
ein Schlag gegen die totalitären Ideen eines machtsüchtigen Erdoğans begann,
ist nun die brutale und mörderische Rache eben jenes Mannes geworden.
Und was sich in sämtlichen
nordkurdischen Gebieten abspielt zeigt sich auch noch einmal im Kleinen,
in der kurdischen Stadt Amed (Diyarbakır). Die Stadt umfasst etwa eine
Millionen Menschen und ist damit einer europäischen Metropole gleich,
dabei spielt das Altstadtviertel Sûr eine besondere Rolle, da gerade auch
hier die kurdische Freiheitsbewegung äußerst Stark ist. Bei den Parlamentswahlen
im November diesen Jahres bekam die pro-kurdische HDP in Sûr 75,7% und
in gesamt Amed 71,2%.
In Amed gab und gibt
es seit August insgesamt 31 unbefristete Ausgangssperren, davon waren
alleine in Sûr 6. Das Altstadtviertel befindet sich seit Beginn der Ausgangssperren
im Belagerungszustand.
Bereits im Frühjahr,
also in einer Phase, in der der Friedensprozess und die Verhandlungen
und Gespräche mit Apo noch liefen, war sowohl Amed als auch besonders
Sûr von gepanzerten Fahrzeugen, Wasserwerfern, Überwachungskameras und
schwer bewaffneten Sicherheitskräfte geprägt.
Nun hat sich die Lage
extrem verschärft, zur Zeit bestehen in acht Stadtteilen Ameds Ausgangssperren,
dabei ist die Altstadt mitunter am härtesten betroffen, hier herrscht
innerhalb von vier Monaten die sechste unbefristete und vor allem ganztägige
Ausgangssperre. Die Menschen sind faktisch in ihren Häusern eingesperrt.
Jedoch lassen sich
weder die Bevölkerung Ameds, noch die Bewohner_innen in Sûr diese Gewaltherrschaft
gefallen. In den letzten Wochen kam es zu Protesten, Demonstrationen und
Straßenkämpfen. Die Polizei reagierte mit Razzien, der Zerstörung von
Geschäften und Wohnungen, bis hin zur Inbrandsetzung von Häusern.
Die Antwort der Menschen
waren mehrere Demonstrationen in die Altstadt, um die Menschen im Kampf
gegen die brutale Staatsgewalt nicht alleine zu lassen. Die Reaktion des
Staates und seiner Handlager waren Angriffe auf die Demonstrationen mit
Tränengas und Wasserwerfern.
Die Menschen in Sûr
errichteten Barrikaden, um sich vor der brutalen Gewalt der Sicherheitskräfte
zu schützen. Darauf hin breiteten sich die Auseinandersetzungen und der
Widerstand der Menschen gegen die Staatsmacht in ganz Amed aus. Die türkischen
Sicherheitskräfte reagierten darauf mit scharfer Munition und ermordeten
dabei zuletzt zwei junge Männer, die sich am Protest gegen die Staatsgewalt
beteiligt haben, ein weiter schwebt immer noch in Lebensgefahr.
Während der Staat
weiterhin mit allen Mitteln versucht die Menschen und ihr bestreben nach
Unabhängigkeit und Freiheit zu unterdrücken und zu vernichten, treten
die Menschen Ameds und vor allem Sûrs in Aktion und stärken ihre Autonomie
immer weiter.
Die in der Altstadt
lebenden Frauen haben mittlerweile die YPJ-S, die Yekîneyên Parastina
Jin – Sûr / Frauenverteidigungseinheiten – Sûr gegründet, um dem Staat
organisiert begegnen zu können.
Wenn also gefragt
wird, was ist los in Nordkurdistan? Dann muss geantwortet werden, dass
dort ein Bürger_innenkrieg, ein Krieg der Türkei gegen das kurdische Volk
herrscht. Und das zum wiederholten Male sämtliche offiziellen internationalen
Stellen schweigen und weiter an der Kooperation mit dem Despoten Erdoğan
festhalten.
Was wir in Amed sehen
können passiert wie gesagt nicht nur dort, sondern stellt im Kleinen dar,
was in ganz Nordkurdistan passiert.
Verhaftungen, Razzien,
Ausgangssperren, extralegale Hinrichtungen und Bombardierungen finden
zeitgleich im gesamten kurdischen Gebiet statt, in Şirnex, Nisêbîn, Urfa,
Gever, ….
Jedoch wird auch deutlich,
dass das kurdische Volk sich nicht mehr unterdrücken lässt und dass die
Gesellschaft sich auf hohem Maße organisiert hat. Sie tritt dem türkischen
Staat entschlossen und kollektiv entgegen und lässt sich in ihrem Bestreben
um Unabhängigkeit und Freiheit nicht einschüchtern.
Florian Holz
Hamburg, den 14.12.2015
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