Licht am Horizont
Annäherungen an die PKK
IV. Werte, Prinzipien und Methoden der PKK
IV.6.6. Ausbildung - Egitim
IV.6.7. Kritik und Selbstkritik
IV.6.8. Organisationsprinzipien

IV.6.7. Kritik und Selbstkritik

Kritik und Selbstkritik ist eine der wichtigsten und zentralsten Methoden der PKK, mit der ein Erneuerungsprozeß der Persönlichkeit angestrengt wird. Alle Organisationsmitglieder sind zur Selbstkritik verpflichtet, von der Kämpferin bis zum ZK-Mitglied. Diese findet in verschiedenen organisatorischen Rahmen und zeitlichen Abständen statt. So wird z.B. nach einem abgeschlossenen Lehrgang oder einer Ausbildung dieser Zeitraum selbstkritisch bewertet. Selbstkritik heißt Eingeständnis und soll es ermöglichen, sich selbst zu sehen und sich der Probleme bewußt zu werden.

Als Hintergrund für die Selbstkritik werden die eigene Klassenherkunft und Sozialisation sowie die sich daraus entwickelnden Eigenschaften vor der Plattform dargestellt. Die eigene Praxis seit dem Eintritt in die Partei und alle Bereiche des eigenen Lebens innerhalb der Partei sollen offen dargelegt werden. Die zu bewertenden Fragestellungen sind sehr vielschichtig: z.B. die Bewertung von übernommenen Aufgaben und ihrer Ausführung, als Kommandanten der Verantwortung gerecht geworden, Lösungskraft gewesen zu sein. Wie wurde die Parteilinie angewendet bzw. weiterentwickelt? Wurden genossenschaftliche Beziehungen aufgebaut? Was ist von den Unterrichten verstanden worden? Wo hat es Entwicklungen gegeben, wo Stillstand? Auch die Bewertung konkreter Fehler im Kampf, sowie im Alltag sind Teil der Selbstkritik. Sind die Fehler darauf zurückzuführen, daß es Mängel in der Persönlichkeit gibt, welche sind es und wo wurde sich gegen eine Veränderung der Persönlichkeit gesperrt? Das eigene Verhältnis zur Geschlechterfrage gehört seit dem V. Parteikongreß als unbedingter Teil zur Selbstkritik.

Dieser Ausschnitt von Fragen soll in der Selbstkritik in der Regel mündlich vorgetragen und beantwortet werden. Im Anschluß daran hat die Plattform Gelegenheit, Fragen zu stellen und die Genossin zu kritisieren. Dies wird in sehr grundsätzlicher und radikaler Weise praktiziert. Je nach Dauer der Parteimitgliedschaft bzw. der Verantwortung, die getragen wurde, richtet sich die Dauer und Tiefe der Kritik. Die Kritik muß grundsätzlich objektiv und frei von jeglicher Emotionalität sein. Anschuldigungen sind genausowenig erlaubt wie das Verfolgen eigener Interessen. Sie muß vor dem Hintergrund der Klassenzugehörigkeit angebracht werden, denn kritisiert wird nicht die jeweilige Person als Individuum, sondern die Charaktereigenschaften der Klasse und des 'alten Lebens', die sich in ihr darstellen. Kritik zu formulieren ist auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Genossinnen. Der positive Sinn der Kritik als Chance zur Weiterentwicklung wird hervorgehoben, indem u.a. die guten Eigenschaften von den schlechten getrennt werden. Es gilt aber auch die Pflicht, Mängel und Fehler, die gesehen werden, zu kritisieren.

Es folgt eine Zusammenfassung der Kritik seitens der Leitung, die in der Regel aus drei Genossinnen besteht, und das Herausstellen der wichtigsten Punkte mit Ansätzen zur Lösung. Die kritisierte Genossin beantwortet eventuell gestellt Fragen und äußert sich zu ihrer Haltung der Kritik gegenüber. Dabei muß gesagt werden, daß geübte Kritik nicht grundsätzlich abgelehnt werden soll, sondern vielmehr die Phase des darüber Nachdenkens noch aussteht und davon ausgegangen werden muß, daß die Kritik objektiv geübt worden ist und das dieses Bild, dieser Eindruck nicht ohne das eigene Verhalten entstanden wäre. Jede Emotionalität versperrt den Blick auf die richtige Herangehensweise. Es geht nicht um Anklage und Verteidigung, sondern um Veränderung, einen Prozeß der Reinigung. Bei offensichtlich falschen Kritiken ohne materielle Grundlage kann eine Richtigstellung des Hintergrundes erfolgen. Es sollte in jeder Kritik der richtige Kern gesehen werden und keine vorschnellen Reaktionen hervorrufen. Am Ende entscheidet die Plattform über die Anerkennung der Selbstkritik.

Die Kritik wird in diesem öffentlichen Rahmen abgegeben, um so allen Genossinnen die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an diesem wichtigen Moment zu geben, sich selbst in den kritisierten Mängeln und Schwächen zu sehen und in diesem Sinne wirkt die Kritik-Selbstkritik Plattform wie ein großer Spiegel, aber auch als ein Ort, um den Dreck und den Schmutz des 'alten Lebens' abzuladen und eine realistische Einschätzung der eigenen Persönlichkeit, die für die Veränderung unbedingt nötig ist, zu bekommen.

Die Selbstkritikplattform zeigt den Genossinnen, wo ihre Schwachpunkte liegen, die sie selbst noch nicht sehen. Kritik ist die Ergänzung der Selbstkritik. Sie versucht konstruktiv zu sein und ist zentrale Methode des Klassenkampfes in der Partei.

Die PKK hat das Selbstbewußtsein, Fehler, die in der Praxis ihrer Bewegung entstehen, schonungslos öffentlich zu kritisieren und zu diskutieren. Die ständige Weiterentwicklung der Persönlichkeit und des Kollektivs steht im Mittelpunkt, jedes Verharren und Festzementieren von falschen Vorstellungen und falscher Praxis soll verhindert werden. Selbstkritiken hoher Kader und Kommandantinnen werden bei bestimmten Anlässen, wie z.B. Kongressen, wo alle vier Jahre die Praxis selbstkritisch-kritisch bewertet wird, auch in Form von Büchern veröffentlicht. (28)

Die kontinuierliche Selbstkritik und Kritik wird als Waffe im Kampf gegen den Feind in den eigenen Köpfen gesehen, die Selbstkolonialisierung zu bekämpfen, damit sich die Revolution entwickeln kann.

In bürgerlichen Armeen ist der Kommandant das Gesetz. Seine Befehle und Anweisungen müssen vor seinen Soldaten nicht gerechtfertigt werden. Auch in der PKK und der ARGK müssen Befehle ohne Widerspruch ausgeführt werden. Aber jeder Kommandant weiß, daß diese nur im Rahmen der Parteilinie geben werden dürfen. Demokratische Institutionen wie Versammlungen und Tekmils, aber auch Berichte an die höhere Ebene geben allen Kämpferinnen die Möglichkeit, falsches Verständnis und falschen Umgang zu verurteilen, zu kritisieren und notfalls die Ablösung zu fordern. Das Tekmil ist eine kleine Kritik-Selbstkritik-Runde, die in jeder Struktur innerhalb kurzer Zeiträume durchgeführt wird. Es sollen die vergangenen Tage bewertet werden, Probleme, die entstanden sind oder gesehen wurden, sollen kritisiert werden, insbesondere falsche Verhaltensweisen und Regelverstöße der Genossinnen. Aber auch für kurze Selbstkritiken bildet das Tekmil einen Rahmen. Es ist zeitlich begrenzt und wird mit soldatischer Disziplin geführt. Für Diskussionen bietet es keinen Platz. Auch die Führung bzw. Leitung kann kritisiert werden. Sie selbst bekommt durch den am Ende erstellten Tekmilbericht einen Gesamtüberblick. Dieser ist notwendig, um auf häufige oder massive Kritik, aber auch auf Vorschläge zur Abhilfe von Problemen eingehen und die Situation richtig einschätzen zu können. Die Versammlung ist ein erweiterter Rahmen, der alle fünfzehn Tage stattfindet. In ihm kommt die gesamte Plattform zusammen. Die Grundlage bilden Berichte, die von den einzelnen Genossinnen verfaßt worden sind. Die Leitung verfaßt aus diesen einen Situationsbericht des vergangenen Zeitraumes. In dem Bericht sind Mängel und Kritiken in konzentrierter Form verfaßt und die Plattform hat die Möglichkeit, diesen zu ergänzen, zu kritisieren und so sich aktiv an dem Gesamtbild und den erforderlichen Veränderungen mittels gemachter Vorschläge zu beteiligen.

Einzelne Genossinnen können in diesem Rahmen von der Leitung vor die Plattform zitiert werden, um selbstkritisch zu falschen Verhaltensweisen Stellung zu beziehen. Diese können von der Plattform hinterfragt werden. Es kann auch eine genauere Untersuchung gefordert werden.

Insgesamt kann gesagt werden, daß die Institutionalisierung von Selbstkritik und Kritik innerhalb der PKK alle Teilnehmerinnen immer wieder auf das Neue auffordert, den Befreiungskampf und die Revolution durch die eigene Bewußtwerdung und Einflußnahme mit Hilfe der Kritik und Selbstkritik reicher und somit siegreicher zu machen. In ihr liegen die Grundfundamente einer neuen Gesellschaft.
 


(28) Siehe auch Kapitel III., Ausschnitt aus der Selbstkritik der Kommandantin Xezal.