Ergenekon-Agenten
in der PKK? | Teil 1
Zozan Sima, Nihat
Kaya – ANF News Agency
Der türkische Staat
führte in den letzten 30 Jahren einen schmutzigen Krieg gegen die PKK.
In diesem Kampf wurden Tausende von Menschen massakriert und ermordet.
Besonders wird in letzter Zeit verbreitet, die PKK werde von Ergenekon
gelenkt. ANF-Reporter haben diese „Beziehungen“ untersucht.
Während viele Methoden
des türkischen Staates ans Tageslicht kommen, wird diskutiert, ob Ergenekon
wohl Agenten in der PKK habe. Kann es so sein, wie die Ergenekon-Anklageschrift
behauptet, dass die Organisation Einfluss in der PKK hat? Oder einige
in der PKK von außen gesteuert sind?
Diese Methoden des
schmutzigen Krieges, der in den 90er Jahren sein höchstes Niveau erreichte,
werden heute im Rahmen der Ergenekon-Anklage noch einmal aktuell. Werden
die kriegstreibenden Kräfte auch Konterguerilla, MIT, JITEM, JIT oder
so wie jetzt Ergenekon genannt, so wird es heute doch allgemein so gesehen,
dass der Krieg gegen die PKK und das kurdische Volk außerhalb der Legalität
vorangetrieben wurde. Allerdings heißt es, dass einige in der PKK von
Ergenekon, der stärksten Kraft dieses schmutzigen Krieges, ausgenutzt
und gelenkt worden seien.
Wenn man ihren Werdegang
erforscht, kann man sehen, dass es in der PKK – wie in jeder Guerilla-Bewegung
– Agenten gab bzw. einzelne geheimdienstlich gelenkt wurden. Das hatte
in den 70er Jahren – so wie von Öcalan seitdem mehrmals angesprochen und
vom Staat zum ersten Mal im Rahmen des Ergenekon-Verfahrens zugegeben
– mit Necati Kaya („Pilot Necati“) begonnen. Mit anderen Worten, als die
PKK noch eine „Gruppe“ war – also vor 1978. Dass Unterwanderungsbemühungen
nicht mit dem türkischen Staat aufhören, sagte Öcalan schon zu den Zeiten,
als er noch in Syrien weilte. In vielen Bewertungen berichtete er von
entsprechenden Versuchen seit 1986, und dass diese nicht nur auf einen
Staat begrenzt gewesen seien, sondern sich auf Europa, Staaten der Region,
KDP und PUK erstreckt hätten. Er sprach von einer „Vierer-Bande“ innerhalb
der Organisation mit Hogir (Cemil Işık), Kör Cemal (Halil Kaya), Şahin
Baliç und Şemdin Sakık, einige von denen unter KDP-Einfluss, einige unter
dem des Staates. Öcalan zufolge hätten sie – auch wenn er nicht den direkten
Kontakt zum Staat erwähnte – mit dieser Lenkung eine Konter-Guerilla-Funktion
übernommen bzw. einen Teil Ergenekons gebildet und gegen das kurdische
Volk bzw. die PKK agiert. Außerdem hätten im Dreieck Amed, Bingöl und
Muş befindliche Guerillaeinheiten unter der Kontrolle dieser Konter-Guerilla
gestanden.
Kampf der
PKK gegen Agententum und Bandenwesen
Soweit aus den Geständnissen Abdulkadir Aygans(1) und
dem ROJ-TV-Programm „Zehir oyunu“ (Giftiges Spiel) zu entnehmen ist, wollten
einige Geheimdienste sich in die PKK „einschleichen“. Daneben ist auch
bekannt, dass einzelne, denen zwar keine Geheimdienstkontakte nachgewiesen
werden konnten, die aber mit den Worten Öcalans als „nicht zur PKK gehörig“
bezeichnet wurden, Aktivitäten ausführten, die nicht der Parteilinie entsprachen.
Im Rahmen des Ergenekon-Prozesses
wird versucht, subjektiv über Pilot Necati und objektiv über die besagte
Bande von Işık, Kaya, Baliç und Sakık eine Verbindung zwischen PKK und
Ergenekon auf der Basis der Taten dieser Personen herzustellen. Außerdem
hatte Öcalan mehrfach geäußert, dass die Infiltrationen nicht darauf beschränkt
seien. Er ließ mehrere Ermittlungen einleiten, um die PKK-Linie innerhalb
der Organisation zu festigen, wodurch aufgedeckt wurde, dass diese Kreise
mit dem „tiefen Staat“, also dem heutigen Ergenekon, in Verbindung gestanden
hatten. In letzter Zeit wird mit dem Massaker an den 33 Soldaten(2)
und manch anderem über die „PKK-Ergenekon-Verbindung“ spekuliert. Deswegen
ist es wichtig, dass diese Personen und ihre Taten, die auch Öcalan beim
Namen genannt hat, zu untersuchen.
Erster Aufbruch
der PKK
Das Massaker an Mahir Çayan und Genossen und die vollstreckte Todesstrafe
an Deniz Gezmiş und Genossen, in den 70ern Anführer in der türkischen
Linken, brachte 1972 die Jugend zu Aufständen. Die Jugend war überall
auf der Straße und demonstrierte. Darunter einer, der in Ankara ganz vorn
marschierte und zum ersten Mal auffiel, der Student der Politikwissenschaften
im ersten Semester in Ankara war und Grund für erhebliche Änderungen im
politischen Prozess der Türkei werden sollte, Abdullah Öcalan. Die Tatsache,
dass er wegen der Proteste gegen das Massaker an Mahir Çayan im Mamak-Gefängnis
inhaftiert war, demselben, in dem auch Deniz Gezmiş einsaß, bildete einen
Wendepunkt für ihn und für den politischen Werdegang der Türkei.
Der Beschluss, der
die spätere PKK auf die Welt brachte, wie Öcalan in seinen Verteidigungsschriften
vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schrieb: „Dass
sich Mahir Çayan in Kızıldere den Märtyrern anschloss und die Todesstrafe
Deniz Gezmiş‘ gaben uns ehrenvollen Sympathisanten die Aufgabe, sich an
ihr Gedenken zu binden. Das Studieren war schließlich eine Ausrede. Es
war klar, dass ich im Namen des Volkes agieren würde. Aber was war denn
mein Volk, das kurdische Volk, für eines, das sogar unter dem Strang(3)
noch angerufen wurde? Das musste klar sein. So kümmerte ich mich um die
nationale Frage.“
Dieser Prozess begann
zu Newroz 1973 auf einer inoffiziellen Versammlung von sechs Personen
am Ankara-Çubuk-Staudamm, an der auch Mitgründer und heutiges PKK-Gremiumsmitglied
Ali Haydar Kaytan teilnahm, mit den Worten Öcalans „Kurdistan ist eine
Kolonie“. Öcalan begann auf der Basis seiner Analysen die Organisierung
der Menschen, denen er vertraute.
Öcalan, der zum Vorsitzenden
des am 12. März 1975 gegründeten Devrimci Yüksek Öğrenci Derneği (ADYÖD)
– Verein der revolutionären Hochschulstudenten – gewählt wurde, nutzte
die Initiative, um die Gruppe zu vergrößern. Sie begannen, sich als „Apocular“
zu bekennen.
Anschluss
Kesire Yıldırıms an PKK war umstritten
Mit dem ADYÖD wurde der Einfluss auf die linksorientierten Jugendlichen
und Kurden immer größer. PKK-Mitgründer Cemil Bayık, der über die Sympathie
auch von Studentinnen berichtet: „Die Haltung der Gruppe innerhalb des
ADYÖD und der Universität hatte wohl die Aufmerksamkeit Fatmas (Kesires(4))
erregt, so dass sie sich für sie interessierte und sich ihr anschließen
wollte. Einige Mitglieder der Gruppe wollten ihren Beitritt nicht, da
sie Fatmas Herkunft kannten. Denn ihr Vater war während des Massakers
in Dersim ein Agent gewesen, der mit dem Staat kollaboriert hatte. Mit
dem Vorbehalt, sie könne auch wie ihr Vater sein, wurde ihre Mitgliedschaft
abgelehnt. Der Vorsitzende Apo fasste sie eher als Vertreterin einer Klasse,
eines Geschlechts auf denn als ein Individuum und hob ihre positive Seite
hervor: ‚Sie kann ehrlich sein, oder auch nicht. Aber man sollte nicht
mit Vorurteilen agieren. Sie hat ein ideologisches und politisches Verhalten
gezeigt.‘ Mit solchen Diskussionen wurde sie schließlich aufgenommen.“
MIT wurde
mit Yıldırım-Familie irregeführt
Kesire Yıldırım stammt aus einer Familie, die 1937 während des Dersim-Aufstands
mit dem Staat kollaboriert hatte. Ali Yıldırım, in den 1970er Jahren mit
einflussreichen Aufgaben innerhalb der CHP betraut, stand auch in engem
Kontakt mit dem CHP-Vorstand, sogar mit Ecevit, heißt es. Öcalan war trotzdem
der Ansicht, Kesire Yıldırım müsse in die Gruppe aufgenommen werden, und
bewertete im Dezember 1992: „Ich glaubte daran, dass diese Frau wahrscheinlich
patriotisch werden würde. Aber ich dachte auch daran, dass sie eventuell
Vertreterin ihrer Klasse, also der Kollaborateure, sein könne. Mit großer
Wahrscheinlichkeit weiß auch der Staat über diese Beziehung Bescheid.
Denn damals gingen einige aus ihrer Familie zur Polizei, und auch Pilot
Necati wusste 1977, sogar 1976, meine Position, gab sie weiter und ging
zu der genannten Familie.“ Der
MIT war der Meinung, unsere „unkontrollierte Gruppe“ mit dieser Familie
unter Kontrolle bringen zu können.
Bitteres MIT-Geständnis
Öcalan wird erfolgreich in seinem Vorhaben. Über Pilot Necati und Kesire
Yıldırım werden dem Staat falsche bzw. ungenügende Informationen vermittelt.
Deswegen sehen die Geheimdienste des Staates die PKK und Öcalan als „eine
Gruppe, die der Euphorie der 70er Jahre verhaftet und daher leicht zu
zerdrücken ist“. In Mehmet Ali Birands Buch „Apo ve PKK“ beschreibt ein
Ex-MIT-Angehöriger die gute Tarnung: „Für den MIT war Apo kein kurdischer
Nationalist oder kein Anführer einer kurdischen Strömung. Wenn Sie sich
die Berichte von 1970 bis 1979 anschauen: Die Apo-Akte lief lange Zeit
unter ‚Linksaktivitäten‘. Er wurde als ‚radikal linker‘ Kurde eingestuft
und auch nicht für besonders wichtig gehalten. Die kurdischen Gruppen
fanden mehr in linken Organisationen ihren Platz statt unter ‚Kurdentätigkeiten‘.
Sie wurden beobachtet, ihre Praxis war bekannt, aber da sie sich generell
in den linken Kreisen aufhielten, wurde diese Seite hervorgehoben. Wir
als MIT wussten die Wahrheit, konnten aber den Staat nicht überzeugen.
Sie haben uns nicht geglaubt oder wollten uns nicht glauben.“
Als die Gefährlichkeit
Öcalans und der PKK klar wurde, war Öcalan nicht mehr in Ankara und die
Wahrscheinlichkeit, dass der MIT Öcalan erreichte, war gering.
Wer ist Pilot
Necati?
In der Ergenekon-Anklageschrift ist Necati Kaya einer der Hauptgründe,
die PKK mit Ergenekon in Verbindung zu bringen. Über die Vergangenheit
Pilot Necatis, zu ADYÖD-Zeiten ein aktiver Sympathisant, kursieren verschiedene
Versionen. Eine davon besagt, er sei bei den türkischen Luftstreitkräften
gewesen, eine andere, so wie er sich selbst in der Apocu-Gruppe beschrieb,
er habe in einem zivilen Luftfahrtunternehmen, dem Türk kuşu, gearbeitet.
Auf jeden Fall aber ist gewiss, dass ein Ararat-Kurde namens Abdurrahman,
der eine Zeit lang in der Apocu-Gruppe aktiv gewesen war, ihn zur Gruppe
gebracht hatte.
Nach der Enttarnung
von Pilot Necati wurden seine Beziehungen zur Organisation eingeschränkt
und nach 1979 ganz beendet. Es hieß sogar, er sei später zum MIT gegangen.
Die Presse meldete, er sei nach dem Militärputsch vom 12. September 1980
bei einem Flugzeugunfall ums Leben gekommen. Jedoch sind die näheren Umstände
nicht bekannt. Später wurde auch behauptet: „Er wurde vom Staat bestraft,
da er Öcalan und die PKK nicht unter Kontrolle gebracht hatte.“
Pilot Necatis
Aktivitäten in der Gruppe
Öcalan verdächtigte Pilot Necati, weil der sich innerhalb der Gruppe auffällig
verhielt: „Er meinte: ‚Lasst uns eine Wohnung mieten, du kannst eine Zeitung
herausgeben. Kühlschrank und Wohnung sind von mir.‘ Er sagte, für die
Zeitung würde er die Wohnung verkaufen. Wir taten so, als würden wir es
akzeptieren. Wir haben ihn rechtzeitig unter die Lupe genommen. Solche
Sachen sind wichtig! Wie ‚Wasser unter dem Stroh laufen lassen‘. Er demonstrierte
ein solches Maß an Verbundenheit, als ob er auf meinen Befehl aus dem
Fenster gesprungen wäre. Eines Tages kam er völlig verschwitzt nach Hause
und erzählte, wie er einen Offizier verprügelt habe und dieser nicht einmal
einen Mucks habe von sich geben können. Damit wollte er sein Gewicht unter
Beweis stellen und uns mit dieser Kraft für sich einnehmen. Ein ganz kleiner
politischer Fehler war damals schon ausreichend dafür, dass alles vorbei
gewesen wäre. Hätte ich zu ihm gesagt ‚Hau ab‘ oder ihn rausgeschmissen,
dann wäre das ein Fehler gewesen. Wir haben ihn nicht rausgeworfen, aber
viel Effektiveres gemacht. Ende 1976 hatten wir in seiner Wohnung eine
Sitzung. Manche wundern sich, ob das möglich war. – Ja, war es! Eine andere
Maßnahme von uns war, nichts schriftlich festzuhalten. Im schlimmsten
Fall einer Gefangennahme hätten wir dann nur wegen den Sitzungen verurteilt
werden können. Es gab keinen Namen der Organisation, kein Programm und
auch keine Broschüre! Hätten sie uns hochnehmen sollen, hätten sie uns
ein, zwei Monate beschäftigt und wieder freigelassen. Eben das sind geeignete
Maßnahmen.“
Zweifel werden
stärker
Der um Namık Kemal Ersun herum geplante Militärputsch, der unter dem Namen
„3.-Juni-Vorfall“ in die Geschichte einging, war eines der wichtigsten
Ereignisse des Jahres 1977. Ein paar Tage vor diesem Termin stürmte die
Polizei in Ankara gleichzeitig einige Wohnungen der Apocular, die für
die Organisation benutzt wurden. Dabei wurde Kemal Pir festgenommen, einer
der Vorreiter der Bewegung, doch wurde kein Material der Organisation
gefunden. Öcalan berichtete, wie sie den Hausdurchsuchungen entgingen,
als in einer der Wohnungen eine wichtige Sitzung mit bedeutenden Kadern
stattfinden sollte: „Kemal Pir wurde gegen Mitternacht auf halbem Wege
mit einer Waffe dabei gefangen genommen. Ich traf verspätet in Tuzluçayır
ein. Ich sah, dass überall Polizisten waren, bin nicht in die Wohnung,
schickte erst jemanden zur Kontrolle vor und bin so entkommen. Die Wohnung
Karasus wurde quasi zu einem Polizeirevier. Wir hatten auch drei, vier
Waffen, aber nicht in der Wohnung versteckt. Die wurden ein paar Tage
später in einer anderen Wohnung gefunden. Aber wären wir an diesem Tag
gefasst worden, wäre die PKK am Ende gewesen. Es war vielleicht kein Putsch,
aber bei einer Gefangennahme wären wir auch ohne Putsch ausgelöscht gewesen,
dann wäre nichts übrig geblieben.“
Derjenige, den Öcalan
vorgeschickt hatte, sagte dazu: „Ein paar Tage vor diesen Hausdurchsuchungen
erfuhr Pilot Necati, dass vier Waffen eintreffen würden, und auch, dass
eine davon benutzt worden sei und gesucht würde. Er erfuhr auch, dass
in Tuzluçayır in einer Wohnung eine Sitzung stattfinden sollte, wusste
aber nicht genau, in welcher. Nach seinen Berechnungen sollten die Freunde
samt Waffen gefangen genommen werden. Eine der Waffen war bei dem Mord
am ‚Denkvater‘ Alaaddin Çakıcıs, Mehmet Albay, benutzt worden. Wenn die
Freunde damit gefangen genommen worden wären, wären sie als Täter verurteilt
worden. An diesem Tag wurden Waffen nicht gefunden, sondern mit Pilot
Necatis Verrat ein paar Tage später. Eine der Waffen war bei uns zuhause
und wurde später den Freunden übergeben. Pilot Necati ist in diesen Tagen
einige Male zu uns nach Hause gekommen. Nachdem die Waffen gefunden waren,
sagte sogar meine Mutter: ‚Dieser Mann ist ein Agent‘.“
Hätten wir
Pilot Necati damals erschossen, wäre das die Vernichtung der PKK vor ihrer
Geburt gewesen
Die Sache mit Pilot Necati, die zum ersten Mal mit der Ergenekon-Anklageschrift
in den offiziellen Unterlagen des Staates auftaucht, hatte Öcalan eigentlich
schon in den 80er Jahren angesprochen. Er zeigte an vielen Beispielen
dessen Rolle auf und benannte dessen Beziehung zum bzw. Auftrag vom MIT.
Die „Pilot-Necati-Geschichte“, in der Ergenekon-Anklageschrift oft im
Vordergrund, wird viel weniger als bei Öcalan erklärt. Öcalan und die
PKK haben nach den 80er Jahren verschiedentlich untersucht, wie er in
die Organisation eingeschlichen, aber auch außer Kraft gesetzt worden
war. Außerdem behauptete der ehemalige führende Geheimdienstler Bülent
Orakoğlu in seinen Schilderungen, als wäre es neu, Verbindungen zwischen
PKK und MIT bzw., die PKK sei vom MIT gegründet worden.
Dieses Thema wollte
von türkischer Seite Uğur Mumcu ans Tageslicht bringen. Doch fiel er vor
dem Abschluss seiner Untersuchungen einem „Mord unbekannter Täter“ zum
Opfer. Die Wahrheit über Necati brachte Öcalan zum Ausdruck: „Ich habe
den Piloten etwas ausgenutzt. Mumcu meint ‚Apo sagte, der Pilot ist unser
Augapfel, er muss beschützt werden‘. Ich habe dies nicht wörtlich gesagt,
aber so ähnlich gehandelt. Denn hätten wir den Piloten damals umgebracht,
wäre die PKK vernichtet gewesen, bevor sie sich ihren Namen gegeben hatte.
Hätte ich diese Beziehung nicht weiterhin gepflegt, dann wäre der Aufbruch
sehr schwer gewesen.“
Apocular brechen
aus Ankara auf
Bis zu dem Zeitpunkt hatten die Schulen, die Jugend und die antifaschistischen
Aktivitäten Ankaras den Einflussbereich der Apocu-Bewegung gebildet und
sie hatte keine Erfahrung außerhalb der Stadtteile Tuzluçayır, Mamak Abidin
paşa. Bis zu dem Tag war die Gruppe auch nicht im Westen bzw. Südwesten
aktiv gewesen, lediglich Öcalan etwas. Trotzdem war Öcalan der Meinung,
man müsse aus Ankara weg. Cemil Bayık erklärt das: „Vertreter der Türkei-KDP
trafen sich in Ankara mit dem Vorsitzenden Apo. Sie bedrohten ihn und
uns und sagten: ‚Wenn ihr nach Kurdistan kommt, dann brechen wir euch
die Beine. Passt auf!‘ Diese Drohungen mussten ernst genommen werden.
Später merkte er dann, dass die grenznahen Städte die besten Orte waren,
um gegen eine drohende Vernichtung durch die KDP oder andere weiterzubestehen,
bzw. für Intellektuelle, Jugend, Arbeiter und neue Kader.“
„Für die Organisierung
der Arbeiter aus Adana reiste als allererstes Haki Karer, der von Öcalan
seine ‚geheime Seele‘ genannt wurde, aus Ankara ab. Anschließend brachen
die Kader der Bewegung in Richtung Kurdistan auf.“
Pilot Necati, der
mit den Ereignissen in Tuzluçayır das Misstrauen geweckt hatte, wurde
ständig von den Geschehnissen ferngehalten. Schließlich wurde es immer
schwieriger für ihn, Informationen aus der Organisation zu liefern. Als
er von Sachen erfuhr, waren sie schon geschehen. Bayık fügt hinzu, Pilot
Necati habe keine Ahnung von den Aufbruchsplänen gehabt und erst nach
der Abreise anderer Freunde gemerkt, dass die Arbeiten in Kurdistan begonnen
hatten.
Pilot Necati
hat Apos Spur verloren
Bayık berichtet weiter, dass die Beziehungen Necatis zur Organisation
mit der Abreise Öcalans und der Kader 1979 zum größten Teil beendet gewesen
und später ganz abgebrochen seien.
Teil
2
Fußnoten:
(1) Aus der PKK übergelaufener JITEM-Killer.
(2) Der damalige PKK-Kommandant Şemdin Sakık ließ am 23. Mai 1993 33 unbewaffnete
türkische Soldaten liquidieren, was den ersten einseitigen Waffenstillstand
der PKK faktisch beendete.
(3) Anspielung auf Deniz Gezmiş’ Ausruf auf dem Weg zur Hinrichtung „Es
lebe die Brüderlichkeit des türkischen und kurdischen Volkes“.
(4) Später kurzzeitig Ehefrau Abdullah Öcalans.
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