Frauen
Laufen zueinander...
Eine
Stimme erklang aus Adana:
" Dein Schicksal ist an mich gebunden. Meine Gefangenschaft kreist
Dich ein. Die Kette an Deinen Händen schnürt mir die Kehle.
Wenn ich von meinem Mann geschlagen werde, schreist Du. Wenn Du vergewaltigst
wirst, blutet auch meine Seele. Ayse's Armut, Mehtap's Ratlosigkeit, die
Unterdrückungen, die Gülay erlebt, meine Stimmlosigkeit, Deine
Ängste,... machen alle Frauen zu Gefangenen."
Die
Frauen aus Istanbul antworten:
" Wir sind Gefangene. Die Werbung, die Serien, die Filme lügen.
Wir sind die ältesten Sklavinnen der Geschichte. Wir sind Frauen."
Nun
beteiligen sich Frauen aus Batman an unserem Gespräch:
" Warum tauschen wir uns nicht aus, wenn die Kette an mir auch Euch
fesselt, wenn die Schmerzen völlig fremder Frauen auch uns unglücklich
machen? Warum setzen wir uns nicht für einander ein? Warum sind wir
einander so fern?"
Und
die Frauen aus Ankara nahmen das Wort:
" Nur die Frauen, die Möglichkeiten haben können sich treffen
und austauschen. Sie verfügen über alle Informationen. Jedoch
sind die meisten Frauen einander fremd."
Auch
die Frauen aus Konya haben unsere Stimmen gehört:
" Lasst uns treffen und uns miteinander austauschen. Nicht nur wir,
sondern lasst uns auch die Frauen treffen, die nie aus ihren Häusern,
aus ihrer Straße, aus den Grenzen ihres Dorfes hinausgehen."
"Wie?",
haben wir alle gemeinsam überlegt und die Lösung gemeinsam gefunden.
"Werden wir zu Botinnen, die durch das Land ziehen und die Worte
aller Frauen, denen wir unterwegs begegnen, in unser Bündel packen
und später den anderen Frauen mitteilen. Eine andere Möglichkeit
haben wir nicht. Nur die Frauen aus den Großstädten melden
sich zu Wort. Sie sind Wissend. Jedoch soll sich jede Frau zu Wort melden
können, soll die Möglichkeit der Aussprache haben. Alle sollen
sich untereinander kennen. Die Worte aller Frauen sollen einander treffen".
Wir
haben beschlossen:
Am Samstag, den 6. Juli 2002 werden wir uns aus den Städten Adana,
Antakya, Batman, Bursa, Istanbul und Mersin auf den Weg zueinander machen.
Wir laufen alle in Richtung Konya. Dorf für Dorf, Kreis für
Kreis, Stadt für Stadt werden wir unterwegs Frauen begegnen, uns
austauschen; ihre Probleme zu den unsrigen aufnehmen und zu der Versammlung
nach Konya tragen, wo wir von vielen anderen Frauen erwartet werden.
Schon längst haben in den Städten, aus denen wir Botinnen aussenden
werden, die Stadtteilarbeit und Begegnungen in den Wohnungen begonnen.
Dabei diskutieren Frauen über ihre Probleme, um sie an die Versammlung,
an der sie nicht teilnehmen können weiterzuleiten.
In der Zeit vom 6- 12 Juli werden Frauen in den Dörfern, Kreisen
und Städten der Türkei zusammenkommen, miteinander diskutieren
und werden sagen: "Wir existieren". In Adalioglu bis Aksaray,
Antep, Beyagil, Bozhöyük, Cihanbeyli, Cumalikizik, Ciftehan,
Cerekesliköy, Demirciler, Denizliköy, Dilovasi, Diyarbakir,
Eregil, Eskisehir, Gaziler, Gebze, Gemlik, Gölcük, Güzeltepe,
Hacivat, Hasangazi, Haymana, Ingöl, Izmit, Kayseri, Kazanli, Ketsel,
Kücükdikili, Maras, Orhangazi, Osmangazi, Özgürler,
Pelitliköy, Pozanti, Sehitler, Tarsus, Tepecik, Ulastepe, Ulukisla,
Urfa, Yenice und zuletzt in Konya werden Frauen ihre eigenen Botinnen
empfangen, von ihnen die Schwierigkeiten der anderen Frauen erfahren und
ihre eigenen Aussagen den Botinnen mitteilen.
Nicht nur die Wörter werden aufeinander treffen, sondern auch die
Herzen sich berühren. Jede Frau wird ihrer Botin ein Andenken, in
Form eines Stoffstückes mitgeben: Spitzenhäkeleien, Kopftücher,
Stoffteile und andere Handarbeiten. In Konya wird alles zusammenkommen.
Während alle Botinnen hier unsere Aussagen zusammenfügen, werden
auch unsere Andenken, symbolisiert durch Stoffteile usw., die durch unsere
Hände gegangen sind, zusammengenäht, so dass daraus ein gemeinsames
Werk entsteht.
In
dem wir einander treffen, treffen wir auch unser eigenes "Ich".
Mit den Frauen, die wir nicht kennen, kollektivieren wir unsere Aussagen,
unsere Probleme. Landesweit heben wir Pfade aus, um sie wieder zu begehen.
Jede soll einen Pfad ausheben, soll ihr Gesicht zu einer anderen Frau
wenden, soll sie verstehen, soll sich erklären.
Lasst uns einander treffen, um die Ketten los zu werden, die seit Jahrtausenden
unsere Seelen, Geister und Körper fesseln. Lasst uns miteinander
solidarisieren, um glücklicher zu leben.
Kontakt:
tel: (0090212) 249 3774
e-mail: katagi_2001@yahoo.com
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