Aus:
Wir Frauen, 19. Jahrgang Herbst 3/2000 VERFOLGT,
VERBOTEN, GEFANGENEN Von den Bedingungen im Gefängnis war ich schockiert. (...) Ich musste alle Kleidung ausziehen. Ich habe auf türkisch geschrien aber sie konnten mich nicht verstehen. Das war eine sehr erniedrigende Erfahrung. Duschen mit Beamten, Hofgang mit Beamten, überall Beamte, und ich war allein." So beschrieb die Kurdin Yasemin Gedik, die Anfang der 80er Jahre bereits drei Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert war und schwer gefoltert wurde, ihre Haftsituation in Deutschland. Nach dem Unterschied zwischen den Knastsystemen in der Türkei und der BRD befragt, sagte sie in einem Interview u.a.:,,(...) In der Türkei, in Kurdistan gibt es die schwere körperliche Folter. Hier ist das viel subtiler, verdeckter. (...) Ich empfinde die psychologische Folter als noch schlimmer als die körperliche. (...) Hier bist du immer allein~allein - ja, der Körper lebt zwar, aber deine Gedanken kannst du nicht austauschen. Bei der körperlichen Folter kannst du die Folgen sehen - bei der psychologischen nicht." Yasemin Gedik stand neben Meral Kidir und weiteren 17 Angeklagten im ,,Düsseldorfer PKK-Prozess", einem der größten und längsten Strafverfahren der BRD, vor Gericht. Dieser begann 1989 und endete 1994 mit vier verbliebenen Angeklagten, die wegen Mitgliedschaft in einer ,,terroristischen Vereinigung" nach § 129 a verurteilt wurden. Nach ihrer Entlassung aus deutscher Haft kam sie in der Türkei erneut ins Gefängnis. Das Gleiche widerfuhr Meral Kidir; sie befindet sich seit Jahren im Knast von Canakkale. Im Zuge des so genannten PKK-Verbotes, das 1993 von Innenminister Kanther erlassen wurde und dass es außer in Deutschland nur noch in der Türkei gibt, setzte eine unvergleichliche Repression und staatliche Verfolgung gegen Kurdlnnen ein, die bis heute andauert. Viele bezahlten und bezahlen für ihre politische Betätigung mit zum Teil sehr hohen Haftstrafen. Eine der Gefangenen war auch Meryem Yagicibulut. Sie wurde im Dezember 1994 festgenommen und hat in verschiedenen Gefängnissen Erfahrungen machen müssen, die sie in einem Brief an die Rote Hilfe so beschrieb: ,,Ich bin in die Strafanstalt nach Stuttgart gebracht worden. Zuerst wollten zwei Damen, dass ich mich ausziehe. Als ich darauf bestand, die Unterwäsche anzubehalten, hat man sie mir trotzdem ausgezogen. (...) Diese Situation hat mich sehr mitgenommen, aber auch den Weg zu einem unglaublichen Widerstand geöffnet." Weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschte, hat sie versucht, mit Zeichen zu signalisieren, dass sie ihren Anwalt sprechen möchte. Sie schilderte: ,,Vier Damen, zwei Polizisten und der Leiter der Strafanstalt haben mich dann in den Keller gebracht, weil ich sie angeblich sehr gestört hatte. Hier befand sich außer einer Liege am Boden und einem Tuch nichts. Drei Tage, drei Nächte hat man mich nackt in diesem Zimmer warten lassen. (...) Gegenüber den Schreien des kurdischen Volkes nach Freiheit ist das hier nur eine Schwäche und Hilflosigkeit, in die man hineingeraten ist." Auch Aygül Bidav wurde im Februar 1998 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ,,terroristischen Vereinigung" innerhalb der PKK nach 129 a StGB festgenommen, angeklagt und verurteilt. Sie war die einzige politische Gefangene im Knast von Köln Ossendorf und versuchte, sich unter den besonderen Bedingungen politisch zu schulen. In einem Besuchsgespräch erklärte sie u.a.: ,,Die kurdischen Frauen leiden unter der entfremdeten Situation in Deutschland noch mehr (...) Auf jeden Fall sehen wir, dass die kurdischen Frauen aufstehen und beginnen, sich zu wehren und zu organisieren." Aygül Bidav ist nach ihrer Entlassung im März 1999 als Mitglied einer achtköpfigen Friedensdelegation der PKK am 29. Oktober des gleichen Jahres zum Zeichen ernsthafter Friedensbemühungen von Euro-pa in die Türkei zurückgekehrt. Zuvor war bereits eine Gruppe Guerilla-Kämpferlnnen in der Türkei eingetroffen. Alle Delegationsmitglieder wurden festgenommen, angeklagt und befinden sich in verschiedenen Gefängnissen. In der BRD sind derzeit etwa 60 Kurden inhaftiert, darunter auch zwei Frauen. Die Bundesanwaltschaft wirft Perihan Cinar und Zeynep Hasar Mitgliedschaft in einer ,,kriminellen" bzw. ,,terroristischen" Vereinigung vor. Gemeint sind damit nach wie vor Aktivitäten im Rahmen des PKK-Verbots. Eine weitere Kurdin wurde kürzlich nach über einjähriger Haft entlassen. Sie soll verantwortlich gewesen sein für Besetzungsaktionen im März 1999 anlässlich der Veschleppung des PKK -Vorsitzenden Öcalan in die Türkei. Ihr droht allerdings neuerliche Haft. Neben den verschärften Bedingungen eines Lebens in Haft führen mangelnde oder fehlende Sprachkenntnisse zu einer Verschlimmerung der Situation, die vom Gefängnispersonal nicht selten rücksichtslos ausgenutzt wird. Die kurdischen Gefangenen werden beleidigt, als ,,Terroristen" beschimpft und von anderen isoliert, man verbietet ihnen Unterhaltungen in kurdischer Sprache oder droht ihnen mit bevorstehender Abschiebung. Gefangene können zur Halbstrafe zwecks Abschiebeabsicht entlassen werden, wenn ihre Strafe drei Jahre oder mehr beträgt. Das Ausländergesetz lässt das zu. Es existiert ein deutsch-türkischer Datenaustausch in Strafsachen. Dieser ermöglicht dem türkischen Geheimdienst MIT den Zugang zu allen Informationen über exilpolitische Aktivistlnnen der PKK oder türkischer linken Gruppen. Was das bei einer Abschiebung für die Betroffenen bedeutet, dürfte hinlänglich bekannt sein. Monika Morres
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