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die Regierung der Niederlande, 5. März 02 Sehr geehrte Damen und Herren, wir wenden uns an Sie, da wir um das Leben und die Gesundheit von Frau Nuriye Kesbir in ernster Sorge sind. Frau Nuriye Kesbir ist eine kurdische Politikerin ezidischen Glaubens, die sich seit einem langen Zeitraum aktiv für die Emanzipation der kurdischen Frau und für die Rechte ihres Volkes einsetzte. Aufgrund der Verfolgung, die sie als Frau und aufgrund ihrer nationalen und religiösen Identität in ihrem Heimatland ausgesetzt war, kam sie am 28.09.2001 in die Niederlande und reichte bei den hiesigen Behörden ihren Antrag auf politisches Asyl ein. Anstatt die besorgniserregende Menschenrechtslage in der Türkei zu bewerten, die in den letzten 20 Jahren hunderttausende von Kurden und Kurdinnen zur Flucht nach Europa zwang, wies die niederländische Regierung das Asylgesuch von Frau Kesbir ab und veranlasste ihre Inhaftierung. Daraufhin stellten die türkischen Behörden einen Auslieferungsantrag, um Frau Kesbir im Rahmen des § 125 des Türkischen Strafgesetzes ("Vaterlandsverrat") anzuklagen, welcher die Todesstrafe vorsieht. Obwohl in der Türkei immer noch gravierende Menschenrechtsverletzungen und Folter den Alltag bestimmen und die Todesstrafe nach wie vor Bestandteil des türkischen Strafrechtes ist, erwägen die niederländischen Ministerien eine Auslieferung Nuriye Kesbirs an die Türkei. Diese Haltung sehen wir als einen schweren Widerspruch zur demokratischen Rechtsauffassung der Niederlande, der umgehend behoben werden muss. Wie zahlreiche Berichte von Amnesty International, dem Menschenrechtsverein IHD und von Fraueninitiativen belegen, ist die sexuelle Folter in türkischen Gefängnissen eine gängige Praxis, die insbesondere gegen Frauen eingesetzt wird. Mit Vergewaltigungen und sexueller Folter, die systematisch von staatlichen Sicherheitskräften durchgeführt werden, werden Frauen auf das Tiefste in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Selbstwertgefühl angegriffen. In einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahre 2000 heisst es: "Die Folter von weiblichen Gefangenen ist in der Türkei eine weitverbreitet Praxis. Die Foltermethoden, von denen Amnesty International berichtet wurden, beinhalten Elektro-Schock und Schläge auf die Brüste und Genitalien, zwangshafte Entkleidung und sexuellen Missbrauch einschliesslich Vergewaltigung und Vergewaltigungsdrohungen." Insbesondere
Frauen, die sich wie Frau Kesbir für die aktive Teilnahme von Frauen
in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und für eine friedliche,
demokratische Lösung der kurdischen Frage einsetzen, sind zu Hunderten
auf diese Weise gefoltert worden. Wir
fordern die uneingeschränkte Einhaltung gültiger Normen des
universalen Menschenrechts auch für kurdische Frauen!
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