Grußwort von dem Revolutionären Verband der Frauen von Afghanistan RAWA an die Frauendemonstration „Krieg stoppen! - Frauen für Frieden!“ am 6.Juli 2002 in Düsseldorf

Liebe Freundinnen,

Als Revolutionärer Verband der Frauen von Afghanistan RAWA danken wir Euch im Namen der Frauen Afghanistans, deren Menschenrechte jahrelang von repressiven Regimes verletzt worden sind. Wir möchten Euch unsere tiefste Dankbarkeit für Eure Unterstützung der unterdrückten Menschen von Afghanistan aussprechen. In Gedanken sind wir bei Euch auf Eurer Demonstration gegen den Krieg.

RAWA ist die älteste anti-fundamentalistische Organisation in Afghanistan. Unser Banner trägt das Blut unserer Gründerin und Vorsitzenden und vieler weiterer Mitglieder. In den letzten 23 Jahren hat RAWA trotz unvorstellbarer Schwierigkeiten stets an der Vorderfront des Kampfes für Demokratie und Menschenrechte und gegen fundamentalistischen Terrorismus gestanden. Wir haben Opfer gebracht, sind sogar in Pakistan kontinuierlich verfolgt und in unserer Arbeit behindert worden und haben niemals finanzielle Unterstützung von einer Regierungs- oder Nichtregierungsorganisation bekommen.

Schon immer hat RAWA die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika kritisiert, die den pakistanischen Diktator General Zia-ul Haq dabei unterstützt hat, Tausende von Religionsschulen zu erschaffen, von denen die Keimzellen der Taliban ausgingen und die Fundamentalisten bis an die Zähne bewaffnet wurden. Es ist bekannt, dass Osama Bin Laden das Ziehkind des CIA ist. Die Tragödie des 11. September war das Ergebnis der falschen Politik der us-amerikanischen Regierung.

Eine fundamentalistische Bande kann nicht bekämpft werden, indem man sie ignoriert oder eine andere Bande unterstützt. In ihrem Krieg gegen die Taliban und Al-Kaida haben die USA die "Nordallianz" in ihre Dienste gestellt, indem sie einige berüchtigte Kriegsherren bewaffnet und umworben haben. Damit setzen die USA die gleiche tyrannische Politik gegen die Bevölkerung und das Schicksal von Afghanistan fort, wie es die beiden aufeinanderfolgenden US-Regierungen während der letzten beiden Dekaden getan haben.

Der us-amerikanische "Krieg gegen den Terrorismus" hat unendlich viel Unglück bedeutet für unser unschuldiges Volk. Westliche Quellen sprechen von über 4000 getöteten Zivilisten seit dem 7. Oktober 2001 in Afghanistan. Vor ein paar Tagen wurden durch die Bombardierung einer Hochzeitsfeier in der Provinz Uruzgan durch us-amerikanische Kampfhubschrauber und -flugzeuge 40 Menschen getötet und über 100 verwundet. Die meisten der Opfer waren Frauen und Kinder. Es ist nicht das erste Mal, dass wehrlose Zivilisten diesem Krieg zum Opfer fallen.

Taliban und Al-Kaida können nicht ausschließlich mit militärischer und finanzieller Macht ausgelöscht werden. Krieg gegen die Taliban und Al-Kaida bedeutet nicht nur Krieg an militärischer und finanzieller Front, es ist auch ein Krieg an ideologischer Front. Der endgültige Sieg über Terrorismus und Fundamentalismus kann in Afghanistan nur mit der uneingeschränkten Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erreicht werden.

Auch wenn die Taliban nicht mehr an der Macht sind, bedeutet dies noch nicht die Beendigung der furchtbaren Situation unserer gemarterten Nation. Denn im Gegensatz zu den Erwartungen unseres Volkes und der Weltgemeinschaft sitzt jetzt die Nordallianz, die Glaubensbrüder der Taliban, in den Schlüsselpositionen der Übergangsregierung und wird von den USA unterstützt. Drei der Karzai-Abgeordneten gehören zu den meistgesuchten Kriminellen. Diese Tatsache bedeutet einen schweren Schlag für unser verwundetes Volk, das von einer Befreiung der schweren Ketten der Taliban-Tyrannei träumt. Die Nordallianz ist nichts anderes als eine zerbrechliche Koalition zwischen einer Handvoll Banditen, die verantwortlich sind für schwerste Menschenrechtsverletzungen. Das afghanische Volk wird ihnen niemals ihre Verbrechen verzeihen, die gemeinsam mit der sogenannten älteren Generation der Allianz wie z.B. Dostum, Khalili, Sayyaf, Rabbani, Gulbuddin usw. in der Zeit ihrer Macht von 1992 bis 1996 begangen wurden. Allein in Kabul wurden in diesen blutigen Jahren 50.000 Menschen getötet.

Für die gequälten Frauen Afghanistans bittet RAWA alle Menschenrechtsorganisationen, Persönlichkeiten, Intellektuelle und allen Zentren und Zusammenschlüsse sozialer Aktivitäten darum, alle ihnen möglichen Kräfte zu mobilisieren, um zu verhindern, dass die Fundamentalisten der Nordallianz ein weiteres Mal ihre finstere Dominanz ausdehnen und ihre Terrorherrschaft gegen unser Volk ausüben. Mit dieser Haltung steht Ihr auf der Seite der Bevölkerung von Afghanistan und ihren Hoffnungen auf Frieden, Demokratie und einen würdevollen Platz zwischen den Nationen der Welt.

Wir erlauben uns, Euch ein weiteres Mal für Euer Interesse an RAWA zu danken und dafür, dass Ihr hierher gekommen seid, um Eure Stimmen zu erheben für die Bevölkerung eines Landes, dass im Inferno des Fundamentalismus verbrennt.

Mit Liebe und Respekt für Euch alle,
Im Namen von RAWA

Mehmooda