Cenî
Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
Grupellostr. 27, D-40210 Düsseldorf
tel: +49 (0) 211 / 1 71 10 80
fax: +49 (0) 211 / 1 71 10 78
ceni_frauen@gmx.de
Düsseldorf, 28. November 2002
Presseerklärung
„Der Mensch wird durch Freiheit zum Menschen“ (Abdullah Öcalan)
Nein zur Todesstrafe auf Zeit
Seit
dem 15. Februar 1999 befindet sich Herr Abdullah Öcalan in verschärfter
Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali. Seit fast vier Jahren
hat er außer unregelmäßigen Besuchen seiner Anwälte
und Familie keinerlei Kontakt zu Menschen und wird ununterbrochen videoüberwacht.
Wie lange kann ein Mensch das durchhalten?
Im
August 2002 wurde die Todesstrafe in der Türkei bedingt abgeschafft.
Stattdessen wird jetzt auf die „modernisierte“ Form der Todesstrafe
gesetzt: die physische und psychische Vernichtung wird der Zeit überlassen.
Denn es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Kräfte eines Menschen
unter den gegebenen Lebensbedingungen versagen.
Als
ein Mensch hat Abdullah Öcalan das Recht auf Menschenwürde,
auf Unversehrtheit von Körper und Seele. Aber darüber hinaus
steht Abdullah Öcalan für noch mehr: Er ist maßgeblich
verantwortlich für die Einleitung des Friedensprozesses in der Türkei,
ein vorläufiger Frieden, der nach wie vor auf wackligen Füßen
steht. Ohne seinen Einsatz wäre der Krieg nicht einseitig beendet
worden, und ohne ihn wird auch die Aussicht auf einen dauerhaften Frieden
geringer.
Aber
vor allem ist Abdullah Öcalan eine Führungskraft und Symbolfigur
für Kurdinnen und Kurden weltweit, die jeden Angriff auf seine Person
als einen Angriff gegen sich selbst und das kurdische Volk begreifen.
In den Maßnahmen gegen Abdullah Öcalan setzt der türkische
Staat seine Vernichtungspolitik gegen das kurdische Volk mit neuen Methoden
fort und schadet sich damit letztlich selbst.
Als
Kurdisches Frauenbüro für Frieden sind wir voller Sorge angesichts
dieser gefährlichen Entwicklungen. Wir fürchten um das Leben
Abdullah Öcalans und die Entwicklung des Friedensprozesses. Wir befürchten
einen erneuten Ausbruch von Gewalt in bisher unbekannten Dimensionen,
der keinesfalls auf die Türkei und Kurdistan beschränkt bleiben
wird.
Aus
diesen Gründen stellen wir vorläufig folgende Forderungen bezüglich
der Haftbedingungen Abdullah Öcalans:
Zusammenlegung mit anderen politischen Gefangenen
Herr Öcalan muss mit anderen Gefangenen zusammengelegt werden. Da
seine Inhaftierung auf der Insel Imrali mit seiner Sicherheit begründet
wird, müssen Mitgefangene mit seinem Einverständnis auf die
Insel verlegt werden. Die Isolationshaft, der er bisher ausgesetzt war,
verstößt gegen geltendes türkisches Recht, demnach Isolation
lediglich als Disziplinarstrafe verhängt wird.
Zuständigkeit der Justiz, nicht des Militärs
Gefangenrechte betreffende Maßnahmen unterstehen rechtlich der Staatsanwaltschaft
bzw. dem Justizministerium. Es lässt sich nicht rechtfertigen, im
Falle von Herrn Öcalan die Kompetenzen auf eine nicht klar definierte
und außerrechtliche Körperschaft, den sogenannten Krisenstab,
zu verlegen, die keinerlei juristischer Kontrolle unterworfen ist. Die
Verteidiger von Herrn Öcalan haben wiederholt Anträge auf Lockerung
der menschenunwürdigen und juristisch nicht zu rechtfertigenden Haftbedingungen
an das türkische Justizministerium, die Generaldirektion für
Justizvollzugsanstalten und die zuständige Staatsanwaltschaft in
Bursa gestellt. Trotz positiver Bescheide von der Staatsanwaltschaft hat
keine Änderung stattgefunden.
Regelmäßige
Besuche
Die Tatsache, dass Herr Öcalan auf Imrali inhaftiert ist, wird immer
wieder als Vorwand benutzt, um Besuche der Verteidiger und Verwandten
zu verhindern. Dadurch werden de facto permanente Polizeihaftbedingungen
aufrecht erhalten. Die zuständigen Behörden stehen eindeutig
in der Verpflichtung, regelmäßige Besuche bei Herrn Öcalan
zu ermöglichen und dazu geeignete Transportmittel bereitzustellen.
Den Angehörigen muss das Recht auf Körperkontakt mit Herrn Öcalan
gewährt werden, wie es nach der geltenden Regelung für politische
Gefangene einmal im Monat üblich ist.
Keine
Behinderung der Verteidigung
Bei den Verteidigergesprächen müssen umgehend die rechtlich
abgesicherten Bedingungen der Vertraulichkeit hergestellt werden. Gespräche
dürfen weder überwacht noch abgehört werden. Die von den
Verteidigern mitgeführten Dokumente bzw. Notizen dürfen nicht
vom Gefängnispersonal konfisziert werden, wie es zur Zeit routinemäßig
geschieht.
Aufhebung
der permanenten Videoüberwachung
Herr Öcalan wird ununterbrochen visuell überwacht, sowohl über
ein Kamerasystem als auch durch die Wachen. Diese Maßnahme verstößt
gegen die Menschenwürde und muss sofort aufgehoben werden.
Zugang
zu Publikationen und Medien
Herr Öcalan muss wie alle anderen Gefangenen in der Türkei auch
das Recht auf Empfang jeglicher nicht verbotener Publikationen bekommen.
Im Ist-Zustand bekommt er lediglich eine stark eingegrenzte Auswahl an
veralteter Tagespresse und drei Bücher zu einem gegebenen Zeitpunkt.
Ebenso muss den Empfehlungen des Komitees zur Folterprävention (CPT)
entsprechend ein Fernsehgerät und ein Radio mit mehr als einem Kanal
zugelassen werden.
Hofgang
und Sport
Herr Öcalan muss, wie ebenfalls im CPT-Bericht empfohlen, die Möglichkeit
zu uneingeschränktem Hofgang und sportlichen Aktivitäten bekommen.
|