Cenî
– Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. Düsseldorf, 20. März 2003 Sehr
geehrte Damen und Herren, Nachdem die Fahrt nach Silopi verboten worden ist, befindet sich die Frauendelegation immer noch in Kiziltepe und setzt ihre Gespräche mit der Bevölkerung und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen fort. Nach wie vor wird jeder Schritt der Teilnehmerinnen observiert, wobei die Polizisten wohl auch die Tatsache irritiert, dass es sich um eine reine Frauengruppe handelt. Der kurdische Fahrer der Gruppe wurde von der Polizei bedroht, so dass er nicht weiter für die Delegation im Einsatz ist. Journalisten ohne Akkreditierung sollen in Cizre bereits festgenommen worden sein. Eine Genehmigung für die morgigen Newroz-Feierlichkeiten ist in Kiziltepe bisher noch nicht erteilt worden. Weil befürchtet wird, dass die Anfahrt der Busse behindert werden soll, will sich die Delegation morgen in zwei Gruppen aufteilen, damit sowohl die Anfahrt als auch das Geschehen auf dem Kundgebungsort beobachtet werden kann. Die Delegation schreibt dazu: „Für die Provinz Mardin sind zwei Newrozfeiern geplant: eine in Kiziltepe und eine in Nusaybin. Bis jetzt gibt es seitens der Behörden noch keine Erlaubnis, so dass die Mobilisierung erschwert wird. Es wird eine große Beteiligung erwartet: Allein über 60.000 Menschen kamen zu Newroz 2002 hier zusammen. Aber auch mit viel Repression wird gerechnet. Mit Vorkontrollen sowohl an den Zufahrtsstrassen als auch an den Eingängen zum Kundgebungsort. Die Newrozkundgebung soll eine Manifestation gegen den Krieg und für eine Demokratisierung sein.“ Wie die Delegation in Gesprächen erfahren hat, haben die Auswirkungen des heute nacht begonnenen Irak-Krieges sich bereits vor drei Wochen bemerkbar gemacht, als die Grenze zum Irak geschlossen und somit der Grenzhandel lahmgelegt wurde. Menschen aus den grenznahen Ortschaften sind geflüchtet, soweit es ihre materiellen Möglichkeiten zulassen. In Mardin ist das US-Militär vor zwei Wochen in der Öffentlichkeit präsent geworden. Zu den ersten Veränderungen der sozialen Realität von Frauen gehört die Planung eines Bordells für die US-Soldaten. In Silopi ist eine Nachtbar zur Unterhaltung von Militär und Journalisten eröffnet worden. „Ab 2 km hinter Silopi in Richtung Grenze ist die Region hermetisch abgesperrt. Flüchtlinge aus dem Irak, die am 18./19.03. die Grenze erreichten, wurden zurückgewiesen“, so schreibt die Delegation. Weiterhin berichtet die Delegation von einem Mädchen, das im Alter von zwölf Jahren mindestens 45 mal vergewaltigt wurde: „Am 19.03.03 hatten wir die Möglichkeit, mit dem Anwalt des 14-jährigen Mädchens N.C. zu sprechen. Sie wurde im Alter von 12 Jahren mindestens 45 mal vergewaltigt. Die Familie des völlig traumatisierten Mädchens hatte Anzeige gegen die Täter gestellt, worauf das Mädchen durch die Regierungskräfte von der Familie getrennt wurde. Sie befindet sich in einem Kinderheim. Am 1. Prozesstag wurde mit der Begründung fehlender Prozessvollmachten nur ein einziger Anwalt für N.C. zugelassen, während die Angeklagten von mehr als 10 Anwälten vertreten wurden. Die Öffentlichkeit war auch nicht zugelassen. Diese angeblich dem Schutz des Mädchens dienenden Maßnahmen führten zur völligen Isolierung und Retraumatisierung von N.C., da Vertreterinnen solidarischer Frauenorganisationen und weiter Anwältinnen sowie Familienangehörige sie nicht unterstützen durften. Für den 24.03. ist der nächste Prozesstag angesetzt, an dem zumindest weitere AnwältInnen zugelassen werden müssen. Es wird ebenfalls versucht, die Anwesenheit einer solidarischen Öffentlichkeit durchzusetzen. Auch Teilnehmerinnen unserer Frauendelegation werden versuchen, einem Prozess beizuwohnen und sich nach weiteren Möglichkeiten der Unterstützung von N.C. zu erkundigen.“ Im Anhang befindet sich eine Presseerklärung des Informationsbüros der HADEP in Europa zu den Delegationen. Mit freundlichem Gruß Agnes v. Alvensleben Die Frauendelegation ist über folgende Telefonnummern erreichbar: 0090
536 734 69 85 (Uta Schneiderbanger)
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