1.
Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt
Am 20. November 2001 haben kurdische Studierende, die in den Metropolen
der Türkei und in Kurdistan studieren, eine Kampagne für eine
Ausbildung in ihrer Muttersprache eingeleitet. Sie fordern, dass an den
Universitäten kurdischer Sprachunterricht als wahlfreies Unterrichtsfach
eingeführt wird. Diese Kampagne wurde auch von SchülerInnen
der Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien unterstützt, die auch
Unterricht in ihrer Muttersprache fordern.
An
der türkischen Verfassung sind Veränderungen / Reformen vorgenommen
worden, die den Begriff der "gesetzlich verbotenen Sprache"
aufgehoben haben. Der Gebrauch der kurdischen Sprache kann nun auf dieser
Grundlage weiterentwickelt werden. Damit wird die Möglichkeit gegeben,
dass jede Person einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat, eine Ausbildung
in der Muttersprache zu erhalten. Zudem sind in vielen internationalen
Verträgen und Abkommen einige Paragraphen verankert, die gewährleisten,
dass jeder Volkszugehörige das Recht auf eine Ausbildung in der jeweiligen
Muttersprache hat.
Leider ist es aber eine schmerzliche Tatsache, dass das kurdische Volk
weltweit das einzige Volk ist, dessen Sprache verboten ist.
Um
ihr natürliches und legales Recht in Anspruch zu nehmen, haben die
kurdischen Studierenden diese Kampagne auf sämtlichen Lehranstalten
ausgebreitet. Bisher wurden von den Studierenden über 20.000 Anträge
auf muttersprachlichen Unterricht durch Unterschriftensammlungen gestellt.
Von diesen Anträgen wurden 3000 von der Regierung entgegengenommen.
Doch die türkische Regierung drückt nach wie vor eine anti-demokratische
Haltung gegenüber dem kurdischen Volk aus. Die Antragsteller werden
Repressionen durch die Regierungskräfte ausgesetzt. Beispielsweise
werden die gestellten Anträge von den zuständigen Behörden
nicht bearbeitet, außerdem wurden zahlreiche Anträge im vorhinein
von den Polizeikräften konfisziert. Die Universitäts- und Hochschulleitungen
entschieden, einige Studierende aufgrund der Kampagne vom Studium zu suspendieren.
Außerdem wurden in mehreren Fällen Studierende verhaftet und
sollten unter Folter gestehen, dass diese Kampagne von der HADEP (Demokratiepartie
des Volkes) geleitet wird.
Auch
ElternvertreterInnen in Batman, Van und Istanbul stellen Anträge
auf die Einführung von Kurdisch-Unterricht an Grundschulen bei der
Nationalen Ausbildungs-Direktion.
In Adana versammelten sich hundert ElternvertreterInnen mit ihren Kindern
vor dem Landratsamt Seyhan, um 118 Anträge mit der Forderung nach
Kurdisch als Wahlfach abzugeben. Die Polizei kesselte die Gruppe ein.
Nachdem Vertreter des Landratsamtes eingewilligt hatten, dass die gesammelten
Anträge von zwei Personen abgegeben werden können, wollten die
ElternvertreterInnen das Gebäude betreten. Die an der Tür wartenden
Polizisten gaben sich als Mitarbeiter des Landratsamtes aus, beschlagnahmten
die Anträge unter Anwendung von Gewalt und drängten die ElternvertreterInnen
zurück.
In Van wurden 15 ElternvertreterInnen, die sich mit der Forderung nach
Kurdisch-Unterricht an die Nationale Ausbildungsdirektion gewandt hatten,
festgenommen.
In Istanbul-Bagcilar überfiel die Polizei die Wohnungen von ElternvertreterInnen,
die letzte Woche Anträge gestellt hatten. Wie bekannt wurde, übte
die Polizei Druck aus und spricht Drohungen aus, um die Eltern zur Rücknahme
ihrer Forderung zu bewegen. In Batman wurden von 60 ElternvertreterInnen,
die Anträge an die Nationale Erziehungsdirektion gestellt hatten,
acht bei Wohnungsrazzien festgenommen. Fünf von ihnen wurden freigelassen,
drei befinden sich nach wie vor in Polizeigewahrsam.
Unter den festgenommenen ElternvertreterInnen befanden sich auch viele
Frauen, die einfach nur forderten, dass ihre Kinder auch in ihrer Muttersprache
unterrichtet werden.
Das
Kurdische Frauenbüro für Frieden möchte durch diese Informationsmappe
auf die momentane Situation in der Türkei aufmerksam machen. Außer
den Studierenden wurden in den letzten Wochen immer zu mehr Erziehungsberechtigte,
vor allem Frauen festgenommen. Wir möchten durch unsere Unterstützung
erreichen, dass es dem kurdischen Volk, vor allem den SchülerInnen
und Studierenden gewährleistet wird, in ihrer Muttersprache unterrichtet
werden zu können. Wir fordern, dass jegliche Hindernisse aufgehoben
und das alle Gefangenen, die wegen ihrer Unterstützung dieser Kampagne
verhaftet wurden, besonders die Frauen sofort freigelassen werden. Wir
bitten Sie darum, diese Kampagne konkret zu unterstützen und sich
mit den türkischen Behörden in Verbindung zu setzen.
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