Erklärung der YAJK zur Verschleppung des Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan vom 22.02.1999

Seit Gründung des türkischen Staates 1923 ist das kurdische Volk ständigen Massakern und der Vernichtung ausgesetzt. Entgegen der vorher getroffenen Absprache, der Bevölkerung  in den kurdischen Gebieten weitgehende Autonomie zu gewähren, begann die Atatürk-Regierung, das kurdische Volk zu liquidieren. Gemäß dem kemalistischen Grundsatz: "Wir kennen keine Völker, wir kennen nur Türken", wurde die kurdische Sprache verboten. Dörfer wurden umgesiedelt und Beamte zwangsversetzt, um die bestehende sozialen und politischen Strukturen zu zerstören.

Seit 1984 führt das Militärregime einen offenen Krieg in Kurdistan. Die Waffen und das Militärarsenal dafür werden vorrangig aus der BRD geliefert. Mehr als 30.000 Tote sind in diesem Krieg bis jetzt zu beklagen. Fast 4.000 kurdische Dörfer wurden von den Soldaten verbrannt, etwa 5 Mio. Menschen zur Flucht getrieben. Die Spezialeinheiten zwingen die Frauen, sich vor allen Dorfbewohnern nackt auszuziehen. Die Frauen werden sexuell beschimpft und nicht selten vor den Augen ihrer Angehörigen vergewaltigt. Sexuelle Gewalt ist ein Mittel, das jeder Frau droht, die in die Hände des Militärs, der Gendarmerie, der Spezialeinheiten oder der Polizei fällt. Alle verhafteten Frauen müssen sich vollständig entkleiden und eine Zwangsuntersuchung, den sogenannten Jungfernschaftstest, über sich ergehen lassen. Menschen werden auf offener Straße von der Gendarmerie entführt oder verschwinden aus dem Polizeigewahrsam. Viele von ihnen tauchen nie wieder auf, andere werden mit Folterspuren am ganzen Körper tot aufgefunden.

Im Oktober letzten Jahres bedrohte die türkische Militärregierung den Nachbarstaat Syrien, um dessen Regierung zu zwingen, den Präsidenten des kurdischen Volkes und Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, den sie in Damaskus vermuteten, an die Türkei auszuliefern. Dieses war die Antwort der Machthaber in Ankara auf den Vorschlag Abdullah Öcalans, zum Antikriegstag, dem 1. September, letzten Jahres einen Waffenstillstand auszurufen und über eine friedliche Lösung zu verhandeln. Statt auf das Angebot der PKK einzugehen, überrollte die türkische Regierung das Land mit einer Welle von Verhaftungen von Kurdinnen und Kurden und türkischen Oppositionellen, einer militärischen Großoffensive in Kurdistan und der Bedrohung Syriens. Ein geplantes Attentat auf Abdullah Öcalan schlug fehl.

In der Zeit, wo sich Abdullah Öcalan in Italien befand, ist dieses Komplott fortgesetzt worden. Mit Unterstützung der USA zwangen die anderen europäischen Staaten Italien, das Gesuch Öcalans nach einem politischen Status herauszuzögern. Kein europäischer Staat erklärte sich bereit, Abdullah Öcalan Asyl als politisch Verfolgter zu gewähren und damit die Initiative für eine politische Lösung des Konfliktes zu übernehmen.

Auch die Bundesregierung hat ihre Verantwortung nicht wahrnehmen wollen. Statt den Präsidenten des kurdischen Volkes in die BRD einzuladen und ihren Einfluß auf die Türkei geltend zu machen, sich einer Internationalen Kommission zur Beendigung des Kurdistan-Konflikts zu stellen, wurde auf einen Haftbefehl beharrt, der bereits 1993 gegen Abdullah Öcalan ausgestellt worden war.

Am 16.2.99 hat das internationale Komplott gegen Abdullah Öcalan ein ungeahntes Ausmaß angenommen. Seit 25 Jahren führt er mit dem kurdischen Volk einen aufopferungsvollen Kampf für dessen Recht auf  Selbstbestimmung. Er hat einen ehrenvollen Kampf geführt und der ganzen Welt die kurdische Identität präsentiert. Menschlichkeit, Menschenwürde und Freundschaft zwischen den Völkern, das sind die Werte, die er verteidigt. Trotzdem - und das entgegen allen bestehenden internationalen Konventionen - wurde er dafür als Terrorist beschimpft und von der Türkei, den USA und der BRD mit internationalen Haftbefehlen gesucht. Laut UNO-Definition hat ein Volk, gegen das durch den Kolonialherren Gewalt ausgeübt wird, das Recht, sich zur Wehr zu setzen. Nicht der kurdische Befreiungskampf verstößt gegen das Gewaltverbot in der UN-Charta, sondern der Krieg des türkischen Militärs. In der Nacht zum 16. Februar erreichte das internationale Komplott gegen den Präsidenten des kurdischen Volkes seinen vorläufigen Höhepunkt, als die türkische Regierung -  jeglichen bestehenden Rechtsstatus zwischen den Völkern für nichtig erklärend -  unter Mithilfe des CIA und des Mossad, Abdullah Öcalan kidnappte und aus Kenia in die Türkei verschleppte, wo er seitdem inhaftiert ist und offensichtlich gefoltert wird. Die Bilder, die die türkischen Presseagenturen an die Medien in aller Welt schicken, beweisen, daß seine Menschenwürde nicht geachtet wird, da er ganz eindeutig unter starkem Drogeneinfluß steht. Weitere Foltermethoden sind nicht auszuschließen, ebensowenig seine Ermordung. Nicht einmal Rechtsbeistand wird ihm gewährt. Den JuristInnen aus dem internationalen AnwältInnen-Team, das ihn auf seinen eigenen Wunsch hin schon in Rom vertreten hat, wird die Einreise in die Türkei verweigert.

Wenn er die Verhöre überlebt, droht ihm ein Verfahren vor einem der türkischen Staatssicherheitsgerichte, dem DGM. Diese DGM`s wurden vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 5. Juni 1998 als mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar erklärt. Seine AnwältInnen fordern deshalb, wegen der nicht gegebenen Garantie auf körperliche Unversertheit, auf sein Leben überhaupt und wegen der völkerrechtswidrigen Entführung, unter der seine Verhaftung zustande gekommen ist, ihn außerhalb der Türkei vor ein internationales Gericht zu stellen.

Wir, kurdische Frauen und Mütter, die wir gezwungen wurden, Kurdistan zu verlassen und nach Europa zu kommen, mußten viel Leid ertragen. Zu dem Schmerz um unsere zerstörten Dörfer, verbrannten Häuser, dem geflossenen Blut unserer verwundeten und ermordeten Kinder und Angehörigen und unsere gefolterten und verschwundenen Angehörigen, kommt jetzt auch noch der Schmerz um die Auslieferung unseres Präsidenten an die türkischen Militärs. Zu dem Schmerz um diesen Verrat an dem gesamten kurdischen Volk kommt noch die Angst um das Leben unseres Präsidenten.

Wir kurdischen Frauen und Mütter wenden uns an Sie, damit sie sich für eine friedliche Lösung in unserem Land einsetzen. Wir wissen, daß Sie bei jedem offiziellen Anlaß erklären, RepräsentantInnen eines demokratischen Staates zu sein. Wir wissen, daß Ihnen die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und die Vernichtung von Menschenleben in unserer Heimat bekannt sind. Wir wissen aber auch, daß die Bundesrepublik den seit 15 Jahren andauernden Krieg gegen das kurdische Volk ökonomisch, militärisch und politisch unterstützt. Deswegen ist die Bundesrepublik und sind ihre politischen RepräsentantInnen mitverantwortlich an dem Völkermord in Kurdistan. Und wir wissen auch, daß die Bundesrepublik und ihre politischen Gremien nicht den Krieg des türkischen Staates verurteilt, sondern den Kampf des kurdischen Volkes um Selbstbestimmung und sein legitimes Recht, diesen Kampf auch in diesem Land zu führen.

Wir kurdischen Frauen und Mütter fordern Sie deswegen auf, für eine friedliche Lösung in Kurdistan aktiv zu werden und die hier lebenden Kurdinen und Kurden darin zu unterstützen.

Wir fordern:
Die Garantie für die Sicherheit des Lebens Abdullah Öcalans
Die sofortige Entsendung einer Kommission bestehend aus ÄrztInnen und medizinischem Fachpersonal in die Türkei
Seinen AnwältInnen die Einreise in die Türkei sowie den Zugang zu ihrem Mandanten zu ermöglichen
Das legitime Recht der hier lebenden Kurdinnen und Kurden, ihre politischen Forderungen in die Öffentlichkeit tragen zu können
Eine Internationale Kurdistan-Konferenz für eine politische Lösung
 

Freiheit für Abdullah Öcalan
Freiheit für Kurdistan
 
 
 

Yeketiya Azadîya Jinen Kurdistane (YAJK) - Freier Frauenverband Kurdistans, Europavertretung